Anfang des Monats erschien die deutschsprachige Ausgabe von Frenk Meeuwsens Graphic Novel Zen ohne Meister. Der Amsterdamer Künstler, der bislang primär als Maler bekannt war, hat seinen eigenen, engen Bezug zu Japan: Versiert in japanischen Kampfsportarten und Zen-Buddhismus, lebte er einige Zeit in Kyoto. Diese Beziehung ist Drehpunkt seines Comic-Debüts. In einer Mischung aus Autobiografie, Kulturgeschichte und Philosophie erzählt Meeuwsen von Japan, Zen und vom Leben.
Zen ohne Meister – Zen im Trend
Fernöstliche Philosophien und Lebensweisen boomen; hier, in einer Welt des Höher-schneller-weiter-Prinzips. Oft kommt einem die Alles-in-Buddha-Attitüde wie eine neue Mode vor, doch hatten schon die Hippies und Aussteiger der 68er-Generation ihr Faible für das Nicht-Westliche. Und noch weiter zurück ließe es sich verfolgen: bis in die Zeit der Aufklärung und Kolonialisierung, da man das befremdliche Andere zwar dem westlichen Maßstab anpassen wollte, aber künstlerische und intellektuelle Kreise zugleich eine Faszination für exotische, östliche Kulturen entwickelten.
Mit einigem Unbehagen lässt sich daher dem exotisierenden Hype begegnen, der stets das Gute will und stets das Böse schafft. Auch Meeuwsens Zen ohne Meister trafen zunächst einige Vorbehalte meinerseits – schien es sich doch allzu gut in den Trend einzureihen. Tatsächlich ist dieses Werk jedoch sowohl inhaltlich als auch künstlerisch äußerst gelungen.
Ein Erzählen vom Hierhin zum Dorthin
Die Graphic Novel verschachtelt autobiographische mit kulturgeschichtlichen und philosophierenden Erzählsträngen. Eine Chronologie wird aufgebrochen; man springt mal hier hin, mal dort hin: von feinen Anekdoten aus dem Leben Frenks zu Reflexionen über Weltanschauungen; von humorvollen Situationen des cultural clashs eines großen, weißen Niederländers im kleinen, akkuraten Japan zum Mythos des Prinzen Siddhartha Gautama, dem Buddha, der den ersten Kōan entstehen ließ. Dies Erzählen in kleinen Ab- und Ausschnitten spiegelt gerade einen Kernaspekt des Zen-Buddhismus wieder: die Strukturierung in Kōans, kurze Anekdoten, die versteckte Weisheiten in sich bergen. Das stetige vor und zurück, das hin-und-her Springen erzeugt eine spannende Dynamik – nicht gerade selbstverständlich angesichts eines zunächst dröge anmutenden Stoffes wie der Geschichte des Zens.
Kritisch reflektierte Perspektive
Meeuwsen gelingt es, seine Faszination für japanische und zenistische Kultur mit den Leser*innen zu teilen. Trotz anfänglicher Skepsis, nehme ich es während des Lesens mit immer mehr Freude an – Meeuwsens Angebot einer Vermittlung zwischen Ost und West. Vor allem, weil er auch eine kritische Perspektive nicht scheut: Die Unterstützung des Militärs durch den Zen-Buddhismus im zweiten Weltkrieg; die moderne, kapitalistische Vermarktung fernöstlicher Kulturpraktiken im Westen – mitunter auch von profitgierigen japanischen Zen-Meistern selbst unterstützt; die eigene Entfernung eines modernen, urbanen Japans von jener alten Tradition, der Frenk wie so viele andere Westler nachhängt. Wirklich toll an Zen ohne Meister ist, dass all diese wichtige Kritik zur Sprache kommen kann, ohne die Leser*innen mit dem deprimierenden Gefühl des Kulturpessimismus zurück zu lassen. Vielmehr bereichert sie die vermittelte Faszination und schafft ein komplexeres, ganzheitlicheres Bild.
Schwarz-Weiß-Minimalismus mit Sinn für Konzeption
Die Comic-Zeichnungen sind im schwarz-weiß-Stil gehalten, welcher sowohl an Meeuwsens Malerei als auch an die minimalistische Tradition des Zens anknüpft. Die Reduktion auf diesen radikalsten aller Kontraste ermöglicht ein dezentes, aber effektvolles Spiel, das Meeuwsen zeichnerisch äußerst gut und überlegt nutzt. Oft wird eine ganz eigene visuelle Poesie entwickelt, die manch Weiteres erzählt, das nicht in Worte gefasst wird.
Zen ohne Meister bereitet Freude
Freude am Kennenlernen japanischer – sowie auch niederländischer – Kultur und Geschichte. Freude am humorvollen, selbstironischen Blick Frenks. Freude an der poetischen Gestaltung. Freude daran, dass es offensichtlich möglich ist, sich einem trendumwobenen Thema zu nähern, ohne in die Falle exotisierender und allzu affirmativer Muster zu tappen.
Zen ohne Meister Frenk Meeuwsen avant-verlag (2017) 304 Seiten, schwarzweiß Softcover
- Mit dem Schlaghammer gegen die Erzählkonvention - 24. April 2019
- Vielfalt durch Lesen - 15. November 2018
- From Panels with Love #13: Hundert Jahre – Drei Wege - 11. November 2018
Guter Schnitt durch das Buch. Mal ein bisschen ausführlicher als die üblichen Kurzkommentare. Macht auf jeden Fall neugierig auf mehr.
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