Im November ist bei Galiani die deutsche Erstausgabe eines Projekts der internationalen Comicszene erschienen: „The Graphic Canon. Weltliteratur als Graphic Novel“ vereint in einem Sammelband Werke der Weltliteratur mit Comiczeichnern der Gegenwart.
Anders als man meinen könnte, handelt es sich nicht um einen Comic-Kanon, sondern um die Comicübersetzung eines Literaturkanons. Nur ganz wenige Comiczeichner wie Will Eisner oder Robert Crumb, der in den 60er Jahren den Underground-Comic mitbegründete, lassen sich zu einem Kanon dazuzählen. Wer also auf einen Überblick zu den ganz Großen der Comic-Szene gehofft hat, wird enttäuscht. Spannend ist jedoch die Auswahl der Textvorlagen: Neben einem westlichen Kanon, bestehend aus Dante, Cervantes, Homer, Shakespeare, Voltaire u.a., finden sich in „The Graphic Canon“ auch indianische Sagen und Gedichte aus dem alten China sowie dem Popol Vuh, dem heiligen Buch der Maya, wieder – neben Weltliteratur also auch Literatur aus aller Welt. Der deutschen Ausgabe wurde zudem exklusiv noch ein Werk des nationalen Literaturkanons hinzugefügt: Das Nibelungenlied, illustriert von Kat Menschik.
Uralte Texte erscheinen so in einem völlig neuen Licht. Der Clash von Hochkultur und Comic spricht dabei vielleicht auch Leser an, die dem Medium bisher eher skeptisch gegenüber stehen. Am besten man bildet sich selbst ein Urteil. Zu entdecken gibt es viel.
Für den zweiten Band, der sich der Literatur des 19. Jahrhunderts widmen wird, sind u.a. Freuds „Traumdeutung“, Nietzsches „Also sprach Zarathustra“ und Darwins „Die Entstehung der Arten“ angekündigt. Der dritte Band wird sich mit der Literatur des 20. Jahrhunderts beschäftigen.
Nicht ganz billig, dafür aber auch 404 bunte großformatige Seiten schwer: Russ Kick (Hrsg.): The Graphic Canon. Weltliteratur als Graphic Novel. Band I: Von Gilgamesch über Shakespeare bis Gefährliche Liebschaften. Galiani 2013, 404 S., 49,99 Euro.
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