Von Maklern und Mackern – wenn Literaturagenturen Literatur machen

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In Deutschland sind innerhalb weniger Jahre Literaturagenturen zu dem geworden, was sie im angloamerikanischen Raum schon lange sind: ein wichtiger Faktor im Literaturbetrieb. Sie profitieren nicht nur vom raschen Wandel in der Buchbranche und vom freudigen Geschäftssinn junger Autoren, sondern nehmen auch schon mal Einfluss auf literarische Moden selbst.

Einfach hatte man es ihr im Land der Dichter und Denker ja nicht gemacht. Jahrzehntelang war Literatur „made in Germany“ eine schwer verkäufliche Ware, im Inland wie im Ausland. Sie galt als kopflastig, reflexionsbetont, plotarm und provinziell. Dann wurde auf einmal alles anders. Mit einer in den Siebzigern und Anfang der achtziger Jahre geborenen nachrückenden Autorengeneration veränderten sich die ästhetischen Kategorien des Erzählens und das Selbstverständnis der Autoren. Literaturkritiker griffen das rasch auf, feierten die „Pop-Literaten“, zu denen etwa Autoren wie Benjamin von Stuckrad-Barre, Benjamin Lebert oder Christian Kracht zählen und riefen unter anderem anhand von Zoë Jenny, Karen Duve, Jenny Erpenbeck, Judith Hermann und Katja Lange-Müller ein neues „Literarisches Fräuleinwunder“  aus. Die verspätete deutsche Beat Generation sozusagen. Es hatte aber nicht nur die Stunde der deutschen Literatur geschlagen – sondern auch die der deutschen Literaturagenturen.

Für Siegfried Unseld noch gab es da nichts schön zu reden: „Ein deutscher Autor, der sich einen Agenten nimmt, kann kein Suhrkamp Autor mehr sein.“ Auch der Börsenverein des Deutschen Buchhandels prophezeite den Literaturagenturen vor rund fünfzehn Jahren keine große Zukunft. „Nur eine Nischentätigkeit“ sei ihnen beschieden. So sehr kann man sich irren. In den letzten Jahren schien viel mehr alles, was auf dem Buchmarkt erfolgreich war oder Bewegung in die Szene brachte, etwas mit Literaturagenturen zu tun zu haben. Überraschende Verlagswechsel prominenter Autoren, kometenhafte Aufstiege, Vorschüsse in Millionenhöhe – hinter all dem schien stets ein geschäftstüchtiger Agent zu stecken. Vor einigen Jahren war die Aufregung in den Feuilletons darum groß. Ein Gespenst ging in der Verlagsbranche um und es bestand aus sieben Buchstaben: Agentur. „Preistreiber“, „Zocker“ und „Kuhhändler“ waren da noch die schmeichelhafteren Zuschreibungen. Überhaupt sah man die Gefahr eines „literarischen Jahrmarktes“ nach US-amerikanischen Muster dämmern und „Fremdes“ in das bisher so vertrauensvolle Verhältnis zwischen Verleger und den Autor treten. Waren die Agenturen im deutschsprachigen Raum mit dem Zentrum Zürich hauptsächlich als Importagenturen für den Lizenzhandel zuständig, hatten sich Mitte der neunziger Jahre vor allem in Berlin gewiefte Manuskriptmakler angesiedelt, welche vorrangig deutschsprachige Autoren und deren Manuskripte exklusiv vertreten. Gegen eine Provision von fünfzehn Prozent begeben sie sich auf Verlagssuche, feilschen um Verträge und kümmern sich bei Bedarf auch noch um die literarischen und seelischen Nöte ihrer Klienten. Bedingt war diese Entwicklung vor allen Dingen durch Umbrüche in der Buchbranche. Globalisierungstendenzen, Konzentrationsprozesse und Rationalisierungen haben das Gesicht des Verlagswesen verändert. Der (patriarchalische) Verlegertypus, der sein Programm im eigenen Unternehmen gestaltet und verantwortet, existiert kaum noch; an der Spitze entscheiden stattdessen Verlagsmanager über das Programm und stellten die Verkaufserwartung eines Titels in den Mittelpunkt der Überlegungen. Im Verhältnis zwischen Autor und Verlag hat sich eine Lücke aufgetan, die Wörter wie „Lizenzrechte im E-Book-Geschäft“ beinhaltet. Im Bewusstsein dieser marktwirtschaftlichen Mechanismen begaben sich nun die Autoren der neuen Generation ganz selbstverständlich in die Obhut von Agenturen. Die Vorstellung vom brotlosen Autorenberuf hatte sich überholt, jetzt sollte auch für die Autoren was dabei rausspringen. Und die Verleger? Sie sahen sich auf einmal in arger Bedrängnis. Denn Deutsche Literatur war plötzlich ganz heiße Ware. Jung, deutsch und auch noch gutaussehend? Immer her damit, Preis egal! Nachdem die neuen Stars am Literaturhimmel jedoch bei weitem nicht immer einspielten, was die gezahlten Vorschusssummen versprachen, führte der ganze Hype naturgemäß irgendwann zum Platzen der Blase.

Times have changed…even in Germany.

Die Verleger sind mittlerweile vorsichtiger und um die deutsche Literatur ist es nach den Boomjahren deutlich stiller – im Sinne von unaufgeregter – geworden. Was nach Verziehen des Rauches und der Beseitigung der Trümmer davon geblieben ist, sind als bedeutender Machtfaktor im deutschen Literaturbetrieb fest etablierte Literaturagenturen. Sie haben sich nicht zuletzt auch als Literaturmacher einen Namen gemacht, wenngleich es immer dieselben Name sind – Eggers & Landwehr, Graf & Graf, mohrbooks Berlin etwa heißen die tonangebenden. Wie dem auch sei. Die Situation hat sich mittlerweile eindeutig beruhigt, nicht nur der Umgang mit Vorschusszahlungen, sondern auch das Verhältnis zwischen Agenturen und Verlagen selbst. Die Verlage haben festgestellt, dass die Zusammenarbeit mit Agenturen eine wesentliche Erleichterung der Geschäftsbeziehungen zum Autor bedeutet und auch das Gros der Lektoren ist angesichts der sich stapelnden Berge an unverlangt eingesandten Manuskripten froh um die Vorauswahl, wie die Agenturen sie übernehmen. Die Agenturen wiederum haben erkannt, dass Verlage keine Basarhändler sind. Vom missmutig beäugten Störenfried zum gefragten Partner – schöner kann eine Story doch eigentlich nicht enden.

1 Kommentar zu „Von Maklern und Mackern – wenn Literaturagenturen Literatur machen“

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