Fabian Hischmanns Debütroman „Am Ende schmeißen wir mit Gold“ ist für den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik nominiert. Die Schreibweise ist tatsächlich ganz interessant, denn sie ermöglicht dem Leser zusätzlich eine visuelle Wahrnehmungsebene. Ein-Satz-Kapitel sind keine Seltenheit und der Übergang zwischen Traum und Wachsein kann optisch nachvollzogen werden: „(Kapitel 32) Ich schlafe ein und (Kapitel 33) fahre in einem Cabriolet auf einer Küstenstraße.“ Es kommt zudem vor, dass der Leser leere Schreiblinien (für Klasse 4) gedanklich selbst ausfüllen soll. Auch das schöne weiß-schwarz-pinkfarbene Cover birgt Überraschungen: In großen transparenten Buchstaben prangt das Wort „Peng!“ auf dem vorderen Buchcover. Na, wenn das kein böses Omen ist.
Und der Inhalt? Sommerferien. Max Flieger, Ende 20 und Lehrer in Bremen, ist ein „großer Fan der Tierwelt“. Am liebsten sitzt er auf seiner Couch, schaut sich Tierdokus an und wichst dabei aus Langeweile. Als Snack gibt es alte Gummibärchen. Nicht gerade aufregend. Aber das ändert sich. Max soll während des Kreta-Urlaubs seiner Eltern auf das Haus im Schwarzwald und den Familienhund Lio aufpassen. Dort angekommen trifft er auf alte Bekannte: seine Ex-Freundin Maria und den immer noch genauso begehrenswerten Jan. Die Jugendfreunde bewohnen nun zu fünft einen autarken Hippiehof ganz in der Nähe. Alte Gefühle kommen ans Licht. Eigentlich führt Max in Bremen eine Beziehung mit Valentin. Das hindert ihn aber nicht, sich in Gedanken an Jan einen runterzuholen. Beziehungen sind in seinem Leben eher lose gestrickt.
Max’ Perspektive nimmt in Nahaufnahme alles schonungslos auf: „Maria trägt einen schlichten Bikini und an ihren Oberschenkelinnenseiten, dort, wo der Hosenstoff aufhört, sind einige Poren verstopft und entzündet vom Rasieren.“ Solche Stellen gibt es im Roman zuhauf. Sie laden zum Fremdschämen ein, denn Fabian Hischmann zoomt genau auf die Stellen, bei denen man eigentlich aufhören will zu lesen. Allerdings nicht ganz so voyeuristisch wie bei Ulrich Seidl. Die Zooms beschränken sich eher auf die alltägliche, etwas schmutzige, jedoch sehr verzweifelte Weltansicht des Protagonisten.
Glücklich ist Max nicht. Das bessert sich auch nicht, als er die Nachricht vom Tod seiner Eltern erhält: Im Ferienhaus vergast wegen kaputter Leitungen. Ab da an macht er sich auf, zoomt auf die Ursachen der großen und kleinen Abgründe seines Lebens. Max lernt Hannah, die Vermieterin des Ferienhauses, kennen und erfährt, dass sie in jungen Jahren in einer Dreiecksbeziehung mit seinen Eltern lebte. Die Geister der Vergangenheit rufen ihn auch nach New York, wo er, einst als Au-pair, eine Hilfeleistung versäumte. Eine junge Frau wurde brutal ermordet. Diesen Geistern will Max nicht mehr hilflos zusehen und sammelt Erfahrungen mit seiner neuen Waffe. Peng! Er sieht zu, wie ein großer Vogel einen Sperling tot hackt: „Sein scharfer Schnabel öffnet sich erneut. Wir blicken uns an, irgendwie vertraut.“
Den Ausweg aus seiner Vergangenheit, seiner Trauer und seinem langweiligen Rumgewichse findet Max in einem Projekt und das heißt: Drehe in Griechenland einen Tierfilm. Max startet Expeditionen zur Erforschung der Tierwelt auf Kreta und zoomt seine alte Kamera bis zum Anschlag. Sein großes Vorbild: Jacques Cousteau, der legendäre Meerestierfilmer mit roter Mütze. Dieser drehte einst über 100 Filme und schrieb über „Robben, Seehunde, Walrosse. Gesellige Meeressäuger“ oder „Haie. Herrliche Räuber der See“. Max setzt die rote Mütze auf. „Sie passt wie angegossen.“
Fabian Hischmann:
Am Ende schmeißen wir mit Gold.
Berlin Verlag; 256 Seiten; 18,99 Euro.
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