Was macht gute Literatur aus und wie steht sie im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Themen?
Das fragte sich Simone Schröder und suchte nach Antworten in ihrem Studium der vergleichenden Literaturwissenschaft, Hispanistik und Politikwissenschaft. Nun entwickelt sie das Programm des internationalen literaturfestivals berlin und genießt die Möglichkeit , immer neue Literatur und viele inspirierende Persönlichkeiten kennenzulernen. Wie Simone dahin kam und ob sie schon immer in der Kulturbranche arbeiten wollte, verrät sie uns im Interview.
Was wolltest Du als Kind werden?
Ehrlich gesagt: Ich kann mich nicht genau erinnern. Man ist als Kind aber ja eigentlich schon vieles, und später soll man dann etwas werden. Irgendwie merkwürdig, nicht?
Was hast Du studiert und warum hast Du Dich dafür entschieden?
Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaften, Hispanistik und Politikwissenschaften. Damals – 2007 – konnte man das in Mainz noch auf Magister studieren. Intuitiv war mir das wichtig, wegen der dazugehörigen Freiräume. Ich wollte mich mit gesellschaftlichen Utopien beschäftigen und neue Literatur entdecken und zugleich wollte ich wissen, wie das geht: einen guten Roman oder ein Gedicht schreiben.
Würdest Du aus der heutigen Perspektive nochmal das gleiche Fach wählen oder eher etwas ändern?
An den Fächern würde ich nichts ändern. Vielleicht würde ich für einige Semester in einer anderen Stadt studieren. Dass Mainz als letztes den Magister abgeschafft hat, ist ja auch symptomatisch für eine gewisse Behäbigkeit.
Wusstest Du schon während Deines Studiums, in welchen Beruf Du möchtest?
Nicht wirklich. Eine ganze Weile wollte ich gerne an der Uni bleiben. Das geht in Deutschland aber dauerhaft eigentlich nur, wenn man eine Professur erhält und dieser Weg war mir zu steinig, zu unberechenbar. Ich bekam auch den Eindruck, dass man sehr stark auf Protektion angewiesen ist, was ebenfalls nicht jedermanns Sache ist, um es mal vorsichtig auszudrücken. Nach der Promotion in England entschied ich dann, London zu verlassen und in Berlin mein Glück zu versuchen. Das war kurz nach dem Brexit.
Wo hast du während des Studiums Berufserfahrungen gesammelt?
Ich habe Verschiedenes ausprobiert: Ein unbezahltes Praktikum bei 3Sat. Eine Aushilfstätigkeit bei einer Kulturstiftung in Frankfurt. Ein Job als Tutorin am romanischen Seminar. Außerdem habe ich eine studentische Zeitschrift gegründet und mitherausgegeben. Die Zeitschrift hieß elephant und erschien in unregelmäßigen Abständen. Es gab noch ein Design- und Kunstmagazin mit dem gleichen Namen. Manchmal bekam ich Anrufe von Firmen, die eine Anzeige schalten wollten. Vielleicht hätten wir die Anzeigenplätze damals einfach verkaufen sollen…
Wo arbeitest Du jetzt und wie bist du dort gelandet?
Beim ilb – dem internationalen literaturfestival berlin. Der Weg dorthin lief klassisch über eine Stellenausschreibung und ein Bewerbungsgespräch. Es ging ohne Vitamin B.
Und was genau sind Deine Aufgaben?
Ich bin für die Programmgestaltung zuständig. An einem Tag prüfe ich Romane und bereite Einladungsschreiben für das Festival vor, am nächsten treffe ich Kooperationspartner*innen oder schreibe an einem Drittmittelantrag für eine Veranstaltungsreihe mit, dann wieder führe ich Bewerbungsgespräche mit zukünftigen Praktikant*innen. Es wird nie langweilig.
Was inspiriert Dich an Deiner Arbeit und was gefällt Dir daran besonders gut?
Das wilde Lesen. Ägyptische, indische oder venezolanische Gegenwartsliteratur, Lyrik aus Lettland, Kanada… Durch das ilb komme ich auch in Kontakt mit faszinierenden Menschen. Die Verbindung von praktischer Tätigkeit und eher konzeptionellem Arbeiten liegt mir.
Was würdest du Leuten raten, die sich für einen ähnlichen Beruf interessieren?
Nicht immer mit dem Strom zu schwimmen.
Hast Du zum Schluss noch einen Literaturtipp oder einen kulturellen Tipp für Berlin?
Die Buchdisko in Pankow, wo ich wohne, hat eine tolle Literaturauswahl und veranstaltet manchmal auch kleinere Lesungen. Sonntagnachmittags schaue ich mir gerne Filme im Zeughauskinoan, am liebsten, wenn es draußen regnet. Und ich bin immer wieder erstaunt, dass manche Menschen die Amerika-Gedenkbibliothek am Halleschen Tor noch nicht kennen. Für zehn Euro Jahresgebühr bekommt man eine fantastische Auswahl an aktueller Literatur, Zeitschriften, Musik und Hörbüchern geboten. Ich bin ein großer Fan von Stadtbüchereien. In London war es schlimm, mit anzusehen, wie viele von ihnen zugunsten von Luxus-Apartments geschlossen wurden.V
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