Sinah Swyter hat für ihr Bachelorstudium klassische Und was macht man damit?-Fächer gewählt: Anglistik und Romanistik. Bereut hat sie das nie. Über ein Praxisseminar zur Produktion von Literaturverfilmungen in ihrem Masterstudium Angewandte Literaturwissenschaft kam sie schließlich in die Filmbranche. Heute entwickelt sie Spielfilme und Serien bei der UFA Fiction, wo sie nach eigener Aussage als Literaturwissenschaftlerin eine echte Orchidee ist. Trotzdem rät sie allen Geisteswissenschaftler*innen: „Traut euch und denkt nicht, ihr würdet nicht ins Filmgeschäft passen. Ganz im Gegenteil!“
Als ich Sinah Swyter zum Interview treffe, muss sie noch ganz schnell zwei wichtige Anrufe tätigen. Sie wirkt echt so, wie man sich eine Produzentin im Film vorstellt. Am Telefon lacht sie viel. Dann strahlt sie mich an: „Es kann losgehen!“
Sinah, was wolltest du als Kind werden?
(lacht) Ich wollte als Kind Floristin und später Apothekerin werden. Ich glaube, das war schon damals diese Mischung aus kreativem und strukturiertem Arbeiten, das fand ich schon immer schön.
Aber es kam anders. Was hast du letztendlich studiert und warum hast du dich dafür entschieden?
Meinen Bachelor habe ich in Romanistik und Anglistik in Hamburg gemacht. Ich war schon immer ein sehr sprachaffiner Mensch und Französisch und Englisch waren für mich einfach sehr naheliegend, weil ich die Sprachen damals schon beherrschte und bereits Auslandaufenthalte in Frankreich und Irland hatte. Ich habe mich sehr bewusst dagegen entschieden, beispielsweise auf Lehramt zu studieren. Stattdessen habe ich mich auf die Sprach- und Literaturwissenschaft konzentriert und geschaut, was es noch so für Möglichkeiten gibt. Ich war da relativ angstfrei – und vielleicht auch naiv. Denn viele Kommilitonen fragten mich: „Was macht man dann damit?“ Aber ich dachte: „Das fügt sich schon.“
Hat es sich während deines Studiums schon herauskristallisiert, was du mal werden möchtest?
Die ersten zwei Semester tatsächlich nicht. Dann hatte ich aber relativ früh erste Berührungspunkte mit einem Verlag, bei dem ich ein Praktikum in der Presse- und Öffentlichkeitsabteilung gemacht habe – woraus sich ein Volontariat erschlossen hat, das aber erst ein Jahr später anfing. In der Zwischenzeit habe ich dann beim NDR gearbeitet und eher redaktionelle Arbeit gemacht, was mir auch sehr viel Spaß bereitet hat. Dort habe ich gemerkt, dass mir dieses mediale, kulturelle Feld total gefällt, konnte das aber noch nicht auf einen bestimmten Bereich festzurren. Ich war immer sehr offen und interessiert an allen Dingen. Das kann vielleicht auf der einen Seite sehr profillos wirken, auf der anderen Seite wollte ich mich aber nicht zu früh auf eine Sache einschießen und andere verpassen, die ich noch gar nicht in Betracht gezogen hatte.
Wo arbeitest du jetzt und wie bist du dort gelandet?
Jetzt arbeite ich als Junior-Producerin bei der Filmproduktionsfirma UFA Fiction. Da bin ich über meinen Masterstudiengang Angewandte Literaturwissenschaft gelandet, weil ich ein Seminar bei der Produzentin Alicia Remirez belegt hatte. Dort habe ich auch eine Prüfungsleistung abgegeben, woraufhin mich die Dozentin anrief und fragte, ob ich nicht mal Lust hätte, mir im Rahmen eines Praktikums den Bereich Stoffentwicklung in einer Produktionsfirma anzuschauen.
Was sind dort deine Aufgaben und wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
Meine Aufgaben sind oftmals sehr kleinteilig und detailliert. Im Groben kann man’s aber so zusammenfassen: Auf der einen Seite ist da die Stoffentwicklung, also die Konzeption und Entwicklung von Stoffen sowohl für Serien als auch für Ein- und Mehrteiler. Das ist der kreative Teil der Arbeit. Auf der anderen Seite steht die Produktion, also die Umsetzung und Realisierung der Stoffe – dessen, was dann letzten Endes über den Bildschirm flimmert. Beides bedingt ganz viele kleine Punkte, das A und O ist aber Kommunikation. Es ist ein Beruf, der insbesondere vom Umgang mit Menschen unterschiedlichsten Charakters bestimmt ist, weshalb Diplomatie sehr wichtig ist, um alle Interessen gut zu vertreten und zu verbinden.
Verrätst du mir ein Projekt, an dem du gerade arbeitest?
Klar! Ich arbeite unter anderem gerade an dem dritten Teil der Verfilmung der Allmen-Reihe von Martin Suter. Ab September drehen wir den dann auch. Wieder in den Hauptrollen: Heino Ferch und Samuel Finzi.
Was gefällt dir an deiner Arbeit besonders gut?
Besonders gut gefällt mir die Vielseitigkeit des Berufs. Meine Arbeit und mein Arbeitsplatz sehen jeden Tag anders aus. Es gibt natürlich auch Arbeitsplätze bei der UFA an den unterschiedlichen Standorten, aber ein klassischer Bürojob ist es wirklich nicht. Man hat das Glück, dass man öfter im Home Office arbeiten kann, man ist aber auch viel unterwegs. Das geht mit dem Beruf einher. Dafür hat man aber die Möglichkeit, sich mit den unterschiedlichsten Stoffen zu beschäftigen, in unterschiedliche Themenbereiche einzutauchen und viele kreative Köpfe kennenzulernen. Das ist wirklich eine Bereicherung, auch ganz persönlich!
Und was war die größte Herausforderung, als du in den Job eingestiegen bist?
(lacht) Die Quantität der Projekte! Es ist wirklich sehr viel Arbeit! Man muss stressresistent sein und für sich Prioritäten setzen können, denn man hat nie nur ein Projekt alleine. Es ist nun mal definitiv kein „9 to 5“-Job. Man muss für sich da einen Weg finden, mit der Arbeitsbelastung umzugehen und für Ausgleiche sorgen. Gerade weil man als Literaturwissenschaftlerin dort schon eine Orchidee ist.
Apropos Literaturwissenschaft: Wenn du noch mal studieren könntest, würdest du dich für die gleichen Studiengänge entscheiden? Wenn nein, was würdest du stattdessen wählen?
Sowohl den Bachelor als auch den Master habe ich rückblickend nie bereut. Gerade der Master in Angewandter Literaturwissenschaft hat mir unheimlich viel gebracht, um Einstiegsmöglichkeiten und Personen aus dem Kulturbetrieb kennenzulernen – dieses Netzwerken, wovon alle immer reden (lacht). Wenn ich alles noch mal studieren würden, würde ich vielleicht zusätzlich noch Kunstgeschichte dazuwählen. Einfach weil’s mich wahnsinnig interessiert. Aber ich würde es nicht gegen Romanistik, Anglistik und Angewandte Literaturwissenschaft eintauschen wollen.
Was würdest du Leuten raten, die sich für einen ähnlichen Beruf interessieren?
Mutig zu sein, es sich einfach zu trauen, und nicht zu denken, dass man nicht in die Branche passt, weil man Geisteswissenschaftler ist. Gerade die werden nämlich immens gesucht, weil Geisteswissenschaftler – insbesondere Literaturwissenschafter – einen ganz anderen, fast intuitiven Bezug zu Inhalten und Stoffen haben, was in der reinen Umsetzung einfach gar nicht mehr gefragt ist. Da liegt eine große Stärke und ein großer Bedarf in der Filmbranche. Deshalb würde ich sagen, wenn man Lust auf viel Reisen hat, auf neue Leute, kreatives Arbeiten, spannende Projekte, aber auch Organisieren kann, dann ist man in diesem Job sehr gut aufgehoben.
Hast du zum Abschluss noch einen ganz persönlichen Tipp für einen Film oder eine Serie?
Die zweite Staffel von Charité! Da freue ich mich sehr drauf. Es gibt einen ganz großen Zeitsprung nach der ersten Staffel. Die Serie spielt jetzt während des Zweiten Weltkriegs und das wird noch mal richtig spannend.
Vielen Dank für das Interview, Sinah!
Gerne!
- Und was macht man damit? #24 Sinah Swyter - 21. Juni 2018
- Im Gespräch mit BR*OTHER ISSUES - 22. März 2018
- Vor Frust „außer sich“ vor Freude - 10. September 2017