Ein Buch, über das alle sprechen. Yasmina Reza geht in ihrem aktuellen Prosawerk einem menschlichen Grundbedürfnis auf den Grund – dem Glücklichsein. Nur ein weiterer Roman, der den Problemen der Wohlstandsgesellschaft auf den Zahn fühlt?
„Glücklichsein ist Veranlagungssache. Du kannst in der Liebe nicht glücklich sein, wenn du nicht zum Glücklichsein veranlagt bist.“
In 21 Kapiteln, die mit dem Namen des jeweiligen Ich-Erzählers überschrieben sind, wird in Glücklich die Glücklichen von Eheleuten, Familien, Kollegen und Einzelgängern in ganz alltäglichen Situationen erzählt. Sie alle sind auf der Suche nach Glück, stellen ihr derzeitiges Glück in Frage oder sind schlichtweg unfähig, Glück zu erkennen oder es zu empfinden. Veranlagungssache? 18 verschiedene Erzähler bilden das Gerüst des komplizierten Figurengeflechts dieses Buches, das aus so vielen kleinen Einzelgeschichten besteht, dass ein stringenter Handlungsstrang schwer zu identifizieren ist. Wer mit wem, wann und wo? Eine Konstante gibt es aber doch: das Ehepaar Robert und Odile Toscano. Sie bilden die Substanz, die den Roman durchzieht und die einzelnen Figuren miteinander verbindet. Ihre Geschichte bildet den Anfang und das Ende, während sich die anderen Erzählstränge drum herum spinnen.
Die beschriebenen Situationen, zum Beispiel der Streit von Odile und Robert im Supermarkt, befördern einen beim Lesen sofort in die eigene Realität. Die tiefen und intimen Einblicke, die man in das Leben der Figuren bekommt, machen Yasmina Rezas Roman absolut authentisch. Sie entwirft die Dialoge so lebhaft, dass man sich beim Lesen wie in einem ihrer Theaterstücke fühlt.
„Er beugte sich wieder herüber und fragte, bist du glücklich? Ich sagte ja und dachte, ganz schön dreist. Er nickte und setzte einen gerührten Blick auf, du bist glücklich, bravo. Ich hatte Lust ihm eine zu scheuern.“
Auch wenn die Figuren oft Ärzte, Schauspieler, Journalisten oder Geschäftsleute sind, handelt es sich nicht um eine platte Kritik an der Wohlstandsgesellschaft. Viel interessanter sind die Charaktere, die sich daneben platzieren: die Sprechstundenhilfe, der Chauffeur oder der Sohn, der denkt, er sei Céline Dion. Intrigen, überkreuzte Liebschaften und vielerlei menschliche Abgründe treten nach und nach ans Tageslicht und geben Aufschluss über die verschiedensten Beziehungskonstellationen und Gemütszustände.
Die Messlatte hat sich Yasmina nach ihrem Erfolg von Der Gott des Gemetzels selbst sehr hoch gelegt. Diese Hürde kann sie jedoch mit Leichtigkeit nehmen und ihr neuestes Werk auf eine Stufe mit Daniel Kehlmanns Ruhm stellen. Von der Struktur her erinnert Glücklich die Glücklichen außerdem an Schnitzlers Reigen, womit auch wieder der Bogen zum Theater geschlagen wäre.
Yasmina Reza: Glücklich die Glücklichen. Roman. Aus dem Französischen von Frank Heibert und Hinrich Schmidt-Henkel. Carl Hanser Verlag, München 2014. 175 Seiten. Gebunden. 17,90 €
Am 12. Mai stellt Yasmina Reza ihren Roman in der Schaubühne vor. Die Veranstaltung findet in Kooperation mit dem Literarischen Colloquium Berlin statt. Es lesen Yasmina Reza, Eva Meckbach und Ulrich Hoppe; Gespräch, Moderation und Übersetzung: Frank Heibert, Hinrich Schmidt-Henkel.
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