„Taylor Swift geht nicht ohne Swifties“

Ein Gespräch mit Anne Sauer über ihren Essayband Look What She Made Us Do, Taylor Swift und wie es ist, ein Swiftie zu sein.

Interview: Lilli Anlauf

Foto: (c) Mareike Harder

Anne Sauer ist Bookfluencerin (@fuxbooks), Literaturvermittlerin, Autorin und: Swiftie. In ihrem Debüt Look What She Made Us Do blickt sie auf Taylor Swifts Musik, ihren Erfolg, die Macht, die dieser mit sich bringt und die Rezeption der Pop-Ikone. In den 13 Kapiteln – Swifties wissen natürlich, warum sich für diese Anzahl entschieden wurde – geht es um den Hype, den alle verstehen wollen, das ständige Neuerfinden seiner selbst und das Bedürfnis, weiblichen Erfolg ununterbrochen infrage zu stellen. Der Essayband bleibt allerdings nicht bei Taylor Swift selbst stehen. Anne Sauer untersucht vor allem auch ihre persönliche Verbindung zur amerikanischen Sängerin, als Fan von ihr. So ist der Text einerseits Liebeserklärung an Taylor Swift und die Swifties, andererseits kritische Betrachtung des eigenen Fan-Seins. Dabei wird es oft sehr persönlich, vor allem wenn Anne Sauer ihre eigenen Erfahrungen zeitlich parallel zu Taylor Swifts Eras setzt. Sie kommt nicht drumherum, die eigene Vergangenheit und Gefühle zu untersuchen: So steckt in diesem knapp 160-seitigen Essayband zwar ganz viel Taylor, aber mindestens genauso viel Anne. 

Dein Podcast Monatslese beginnt immer mit einer Eisbrecherfrage. Deshalb stelle ich dir heute auch eine: Welches Gefühl verbindest du am meisten mit deinem Debüt Look What She Made Us Do

Stolz. Dass ich das gemacht habe, dass ich das geschafft habe. Jetzt fang ich direkt an zu heulen (lacht). Eine Freundin hat zu mir gesagt, das ist ein ganz schöner bold move, so einen persönlichen Essayband über Taylor Swift als Debüt rauszubringen. Soll das wirklich das erste sein, was Menschen von mir lesen?

Bekommst du manchmal noch kritische Nachfragen, ob du wirklich ein Swiftie bist?

Auf jeden Fall. Und jetzt würde ich entgegnen: Naja, obviously, ich habe einen Essayband über sie geschrieben (lacht). Zu Beginn des Schreibprozesses habe ich mich manchmal gefragt, ob ich die richtige Person bin, so ein Buch zu schreiben. Deshalb war mir auch der persönliche Aspekt, meine Verbindung zu Taylor so wichtig. Trotzdem bleibt manchmal dieses Gefühl nach Rechtfertigung ein Swiftie zu sein.

„Hört sich doch alles gleich an.“

Vermutlich auch, weil ihre Musik so oft abgewertet wird. Es wird entgegnet: „Das hört sich alles gleich an, ist mir zu konventionell“ und so weiter.

Ich würde da zurückfragen – was ist denn so schlimm an Konvention? Warum ist das für euch eine Abwertung? Das finde ich interessant, das würde ich wirklich gern wissen, woher dieses Bedürfnis nach edgyness kommt. Ich habe erst heute mit einer Freundin darüber gesprochen, die meinte, die Musik von Taylor höre sich immer gleich an. Und das meinte sie gar nicht böse, es ist einfach nicht ihre Musik. Fair enough. Mir geht es genauso im Rap-Genre, wo ich mich nicht auskenne. Aber wenn ich mir die Zeit nehmen würde, die Texte, die Kompositionen und die Produktion dahinter zu betrachten, hätte ich eine andere Verbindung zu der Musik. Auf das ewige Verteidigen – „Schau doch, reputation ist ganz anders als folklore“ – habe ich keinen Bock mehr. Man muss Lust darauf haben, in ihre Musik einzutauchen und sich reinzudenken.

Oft werden auch Vergleiche mit anderen Künstlerinnen bemüht, die ganz andere Musik machen.

Billie Eilish, Adele und Beyoncé sind hier immer beliebt. Die vier haben so unterschiedliche Brandings, jede einzelne hat ihren Wiedererkennungswert. Warum müssen wir die gegeneinander ausspielen? Da bin ich einfach müde von.

Und Taylor Swifts Wiedererkennungsmerkmal ist eben auch ihr Songwriting. Du schreibst in einem Kapitel, dass du eine Art Archiv in deinem Kopf angelegt hast. Beispielsweise zu Taylor Swifts Verwendung von Farben oder Referenzen zur Mythologie in ihren Songtexten. Hast du ein Lieblingsbeispiel?

Neulich ist mir aufgefallen, wie sie mit Baum-Metaphern in unterschiedlichen Kontexten umgeht. Welche Arten von Bäumen und Pflanzen sie erwähnt, welche Eigenschaften diese haben. Bei Out of the Woods sind die Bäume bedrohlich, es heißt „But the monsters turned out to be just trees”. Dann gibt es andererseits den Song willow, wo die Weide etwas Fließendes hat, Harmonie ausstrahlt. Es gibt noch so viel mehr zu diesem Thema, wie zum Beispiel der Song ivy, aber ich schweife zu sehr ab … Wenn man so tief in ihrem Werk drinsteckt, findet man diese ganzen Zusammenhänge über all ihre Songs und Alben hinweg. Du hast das Gefühl, du liest eine Geschichte, eine Fortsetzung, es geht immer weiter. Sie ist einfach eine großartige Storytellerin.

Und diese Stories können ja ganz unterschiedlich aussehen.

Genau. Was ich hier auch ein bisschen für mein Denken über Schreiben mitgenommen habe: Taylor hat für ihre Songtexte eine Unterscheidung gemacht, in den Stiften, die sie benutzt, um sie zu schreiben. Da gibt es den Glitzergelstift, den Füller und die Feder (glitter gel pen, fountain pen, quill). Und sie vereint diese drei. Es geht eben alles auch zusammen. Du kannst mal so, mal so und bist immer noch dieselbe Person. 

I don’t give a fuck-Attitude

In deinem Buch thematisierst du, dass Taylor Swift auch öffentlich einen Rückblick auf vergangene Versionen ihrer selbst wagt. Sie blickt allerdings nicht nur zurück, sondern zelebriert diese früheren Ichs geradezu auf ihrer Eras Tour, auf der sie über 44 Songs aus ihren vergangenen Alben, also aus mittlerweile über 18 Jahren, spielt. Für dein Buch wagst du nun selbst einen solchen Rückblick, indem du parallel zu Taylor Swifts Eras (also immer der Zeitraum rund um ein neues Album) über deine eigenen Erfahrungen zu ebendieser Zeit schreibst. Wie ging es dir damit?

Das Schreiben war total intuitiv, ich habe mir vorher keine Notizen gemacht. Währenddessen habe ich erst gemerkt, dass so viel in meinem Leben mit Taylor Swift zu tun hat. Das war ein kleiner closure-Moment. Es war schön, zu meinen vergangenen Versionen zurückzugehen und zu sehen, wie wichtig sie waren für die Person, die ich jetzt bin.

Anne Sauer: Look What She Made Us Do. Erschienen bei Rowohlt, 2024, 160 Seiten.

In dem Zuge schreibst du unter anderem über deine eigene Entwicklung als Feministin, die ebenfalls mit Taylor Swift zusammenhängt. Zum Beispiel hast du geschrieben: „Ich erkenne den Unterschied zwischen feministisch denken und feministisch handeln.“

Einschneidend war dafür die reputation-Era von Taylor Swift, 2017. Mit Mitte 20 hatte ich einige Erkenntnisse, die mit Arbeit, Unterdrückung und Erfahrungen mit Männern zu tun hatten. Dinge, die ich heute nicht mehr hinnehmen würde.

Und welche Rolle hat Taylor Swift in diesem Prozess für dich gespielt?

Ich habe angefangen, sie als Person zu sehen, ihre Entscheidungen und wie sie sich inszeniert. Davor war es nur die Musik und ab da war es Taylor Swift. Ihre I don’t give a fuck-Attitude hat mir gefallen. Und ihr Song Look What You Made Me Do war eine Hymne für mich. Die Kombi aus meiner Erkenntnis, was bei mir schiefläuft und dass ich gesehen habe, da ist diese Person, die so stark und laut ist – so will ich auch sein – war sehr wichtig. Und daran denke ich immer noch, wenn ich sie angucke. Natürlich hat sie dabei aber immer eine Riesenverantwortung.

Die Frage nach der Verantwortung ist ja eine spannende. Was denkst du hier in Bezug zur Kritik an Taylor Swift, die oft sehr laut wird?

Es ist auf jeden Fall wichtig, erfolgreiche Menschen nicht zu glorifizieren und sich ihr Handeln anzuschauen: Wie viel fliegen die eigentlich mit ihrem Privatjet, unter welchen Bedingungen wird ihr Merchandise hergestellt? Das gilt auch für Taylor Swift. Aber oft endet die Kritik an ihr vor allem in misogynen Aussagen, die bei einem männlichen Sänger nicht getroffen werden würden. Sie wird Zielscheibe für alle möglichen gesellschaftlichen und strukturellen Probleme und das bin ich leid, das nervt.

Im Swiftie-rabbit hole

Taylor Swift umkreist eine ganz besondere Aufmerksamkeitsökonomie, die sie auch bewusst mobilisiert. In deinem Buch schreibst du zum Beispiel „Wer nicht hinschaut, könnte etwas verpassen.“

Man wird nach und nach reingezogen in das rabbit hole der Fan-Theorien, die auf Social Media kursieren. Es gibt da diesen Hunger nach neuen Informationen – welches Outfit hat sie an? Welche Farbe hat es? Und was hat das zu bedeuten? Ich liebe das. Da sind so viel Engagement und Leidenschaft bei den Fans, die versuchen die Easter Eggs zu entschlüsseln.

Kann das auch ins Obsessive abdriften?

Naja, die Swifties werden oft als Sekte oder Kult bezeichnet. Und sie reagieren selbst mit Humor auf sowas, indem sie beispielsweise „Take Us To Church, Taylor“ rufen. Das Obsessive haftet aber vielen Fanszenen an, ob es nun Swifties bei Konzerten, Fußballfans im Stadion oder Cosplayer auf Messen sind. Ab und zu halte ich zu diesem Swiftie-rabbit hole aber auch ein bisschen Abstand.

Du zitierst in deinem Buch unter anderem Jörn Glasenapp, der selbst in seinem Buch über Taylor Swift, das im Reclam-Verlag erschienen ist, schreibt, es gäbe immer zwei Attraktionen auf den Konzerten: Taylor Swift und die Swifties.

Taylor Swift geht nicht ohne Swifties. Das ist so. Und ich glaube, das schreckt auch viele ab, die sich mit ihrer Musik und allem drumherum beschäftigen.

Das passt zu einem Thema, das ich ohnehin noch ansprechen wollte: Scham. In deinem Buch thematisierst du unterschiedliche Formen der Scham. Die Scham, sich als Fan zu bekennen, die für die früheren Versionen seiner selbst und auch die für das Handeln des Idols (beispielsweise in dem Moment, als im Frühjahr 2023 öffentlich wird, dass Taylor Swift den umstrittenen Sänger Matty Healy datet). Hat dich die Frage nach Scham beim Schreiben begleitet?

Tatsächlich kam der Gedanke an Scham erst relativ spät im Schreibprozess. Zwar habe ich mich immer mal wieder gefragt: Darf ich Taylor zitieren bei Artikeln über die Buchbranche? Bin ich dann noch kompetent genug? Cool genug? Dass das Swiftie-Sein und ihre Musik zu hören mit Scham behaftet ist, war eine wichtige Erkenntnis für mich. Zu dem dritten Punkt, den du ansprichst, stelle ich auch im Buch fest: Ja, diese Person bricht mit meinen Prinzipien. Aber würde ich mich von einer Freundin abwenden, die einen Typen datet, wo bei mir alle Red Flags angehen?

Gehen denn in Bezug auf ihre jetzige Beziehung mit dem Footballer Travis Kelce und der extremen Medienaufmerksamkeit auf die beiden (vor allem im Herbst 2023, als Taylor Swift die Footballspiele ihres Freundes besuchte) Red Flags bei dir an?

Was ich wichtig daran finde, ist zu sehen, dass sie einen anderen Umgang mit dieser Aufmerksamkeit zu haben scheint. Das ist auch ein entscheidender Aspekt: Bildpolitik. Wie sie sich zeigt, mit wem sie sich zeigt. Und diese Verliebtheit, die sie da jetzt mit Travis Kelce hat und ihn beispielsweise sogar mit auf die Bühne ihrer Eras Tour holt, ist ein krasser Meilenstein. Das hätte man sich mit einem ihrer vorherigen Partner kaum vorstellen können. Und das macht sie für sich und für uns Swifties. 

Zum Abschluss noch die Frage aller Fragen: In welcher Era befindest du dich gerade?

Ich glaube, gerade in meiner The Tortured Poets Department Era. Dort endet es ja auch im Song The Manuscript mit „But the story isn’t mine anymore“ – das Geschriebene ist jetzt draußen, ich bekomme Feedback und trotzdem beschreibt es ein abgeschlossenes Kapitel. Vielleicht nur weniger tortured und mehr healed.

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