Neue Kurztexte von Stefanie Sargnagel

Stefanie Sargnagel kann nicht nur Facebook.
Die österreichische Autorin beobachtet, analysiert und kommentiert Tagesgeschehen, gesellschaftliche Entwicklungen und das Leben zwischen Überdruss und Leistungswahn. Ihre Miniaturen sammelt der Mikrotext Verlag nun im neu aufgelegten Buch „In der Zukunft sind wir alle tot“.

Nicht erst seit dem Bachmannpreis 2016 ist Stefanie Sargnagel in aller Munde. Das VICE Magazine – für das Sargnagel selbst sporadisch schreibt – nennt sie „die wichtigste österreichische Autorin des 21. Jahrhunderts“, in den sozialen Medien wird sie längst gefeiert. Sie ist zu einem Drittel Autorin, zu zwei Dritteln Kultfigur. Die Frau mit der roten Baskenmütze versteht sich selbst nicht als Schriftstellerin. Geschichten schreiben liegt ihr nicht. Mag sie auch nicht. Zumindest behauptet sie das im Vorwort zur Neuauflage ihres Buches „In der Zukunft sind wir alle tot“, das jetzt im Mikrotext Verlag erschienen ist. Die Frage, warum sie dann doch immer wieder mit neuen Texten um die Ecke kommt, beantwortet Stefanie Sargnagel gewohnt provokant gleich selbst: sie freue sich über das Geld, von dem sie sich „ganz viele Zigaretten und Biere kaufen kann.“

Wählen fühlt sich so wichtigtuerisch an. Den ganzen Weg zum Wahllokal hat man das Gefühl, sich gegenseitig „Hallo, braver Bürger“ zuzurufen. Ich hab auch das Gefühl die Wahlhelfer checken voll ab, dass ich keine Ahnung hab, was ich da grad tue, ich roch stark nach Alkohol und mein Hosentürdl stand die ganze Zeit offen.

„In der Zukunft sind wir alle tot“ ist eine Sammlung von Kurztexten aus den Jahren 2013 und 2015. Die Lektüre macht klar, was die meisten sowieso schon gewusst haben dürften: Sargnagel hat das Internet verstanden. Was bei anderen Tagebucheinträge wären, sind bei ihr Posts und Tweets im gewohnt schnoddrigen Ton. Gekürzt auf etwa 140 Zeichen.

Ich bin eigentlich schon ein risikobereiter Mensch, aber mehr so diese „unverhüteter Sex mit einem Junkie“- Risikobereitschaft als diese „Downhill mit dem Mountainbike“-Risikobereitschaft. 

Sargnagel, die von sich selbst sagt, „sie habe Facebook groß gemacht“ schildert so pointiert wie lakonisch ein Leben zwischen Tristesse und Gleichmut. Sie idealisiert die anachronistischen Nächte in der Eckkneipe und spottet über das spießbürgerliche Leben all der Menschen, die regelmäßig kochen, Hygiene ernst nehmen und gar den eigenen Alltag strukturieren.

Eine Handlung hat die Aphorismensammlung der etwas anderen Art nicht. Dafür gelingt es Sargnagel, Trostlosigkeit unterhaltsam und gesellschaftsfähig zu machen. Von Anekdoten aus dem Callcenter bis zum Beziehungswirrwarr ist im gerade einmal 100 Seiten langen Buch alles dabei. In österreichischer Mundart siedelt sich Sargnagel damit irgendwo zwischen Comedy, Provokation und Ernsthaftigkeit an. Popkultur und Jugendbewegungen weiß sie prägnant vorzuführen und auch vor sich selbst macht sie nicht Halt. Die wüstesten und derbsten Beschimpfungen hebt sie für ihre Selbstanalyse auf. Selbstmitleid und Fressattacken inkludiert.

Interessant sind vor allem die letzten dreißig Seiten des schmalen Bandes: Sargnagel erzählt in kurzen Episoden von ihren Erfahrungen bei der Versorgung der Flüchtlinge in Wien. Ihr Ansatz ist dabei deutlich gesellschaftskritischer, aber nicht weniger amüsant. Sie gibt zu, mit der Situation überfordert zu sein. Zynisch und selbstkritisch ist sie eine lebendig gewordene Statusmeldung.

Das Radikalste, was man heutzutage machen kann im legalen Bereich, ist einfach mal 15 Kilo zuzunehmen.

 

 

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(c) Mikrotext Verlag

 

Stefanie Sargnagel

In der Zukunft sind wir alle tot

100 Seiten, Taschenbuch (Pocketformat) mit einem Vorwort der Autorin, Texten zur Rufnummernauskunft und zu Refugee McMoments
ISBN 978-3-944543-37-6
8,99 EUR

 

 

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