Passen zwei Künste in ein Magazin? „Na klar!“ sagt Nike Marquardt. Zusammen mit Marc Holzenbecher hat sie das Magazin S T I L L für junge Literatur & Fotografie herausgegeben. Das Projekt wurde auf der Crowdfunding-Plattform ‚Startnext‚ mithilfe von 131 Unterstützern finanziert. Im Herbst erscheint die zweite Ausgabe. Ein Gespräch über das Magazinmachen, die erste Ausgabe von S T I L L und das Bezahlmodell ‚Crowdfunding‘.
Wer seid ihr und was habt ihr im letzten Monat am häufigsten gemacht?
NIKE: Wir haben beide Politik studiert, zur Literatur und zu Magazinen kamen wir über Umwege. Ich glaube, das Magazinmachen entspringt bei uns aus dem Willen, etwas zu erschaffen, zu kreieren, bei gleichzeitiger Einsicht, leider schriftstellerisch und künstlerisch unbegabt zu sein. Aber wir machen das schon etwas länger und haben bereits das um[laut]-Magazin mit aufgebaut. Beim Magazin S T I L L dreht sich nun alles um junge Literatur und Fotografie. Der Dilettant muss übrigens kein schlechter Magazinmacher sein!
MARC: Am meisten: Magazine eingetütet. Als die Belegexemplare an die Autoren rausgeschickt wurden, setzte ich mich kurzerhand aufs Fahrrad und konnte fast die Hälfte der Hefte in Berlin selbst ausliefern und zwar in Neukölln!
S T I L L ist ein Magazin für internationale Fotokunst und junge deutsche Literatur. Passen zwei Künste in ein Magazin?
NIKE: Na klar!
MARC: Natürlich erfinden wir mit S T I L L das Rad nicht neu. Ziel ist es, trotz der Vielfalt der Texte und Fotos einen unverwechselbaren Ton, eine eigene Ästhetik auszuprägen. Wenn einmal jemand eine Kurzgeschichte liest und sagt: „Das wäre doch ein Text für S T I L L!“, das wäre wunderbar.
Über Monate mussten die Leser auf das erste Heft warten. Was ist drin?
MARC: Pro Ausgabe sind die Arbeiten von etwa fünf Fotografen und 20 Autoren zu sehen. Bei der Fotografie liegt der Schwerpunkt auf künstlerischer Fotografie. Literarisch gibt es ein breites Spektrum: Wir haben echte Debütanten dabei, wie die in Berlin lebende Britin Chloe Zeegen, aber auch ein neues Gedicht von Friederike Mayröcker. Zudem mit Fiona Wright eine in Deutschland noch weitgehend unbekannte junge australische Lyrikerin, übersetzt von Jan Wagner, dazu Flarf-Gedichte von Alexander Gumz, eine Kurzgeschichte von Stefanie de Velasco oder ein Auszug aus Petra Maria Kraxners wunderbarem Drama „Zur gesetzlichen Verordnung zur Veredelung des Diesseits“, das gerade im Vestibül der Wiener Burg uraufgeführt wurde.
NIKE: Das Heft ist so aufgebaut, das es sowohl Literaturfreaks und Kennern viel zu bieten hat, aber auch Lesern Spaß macht, die mit dem Format „Literaturzeitschrift“ bisher nicht viel anfangen konnten. Wir möchten auch jene Leser erreichen, die statt zur NEON zufällig zu S T I L L greifen.
Was erwartet die Leser in der neuen Ausgabe? Wann erscheint das Heft?
MARC: Das kommende Heft erscheint im Herbst. Wir befinden uns daher bereits wieder auf der Suche nach spannenden Texten und aufregenden Fotoarbeiten. Noch bis zum 1 Juli freuen wir uns über Einsendungen an post@stillonline.de. Die genauen Einsendevoraussetzungen stehen auf unserer Homepage.
Ihr habt S T I L L auf der Crowdfunding-Plattform ‚Startnext‘ mit der Unterstützung eurer zukünftigen Leser finanziert. Wie seid ihr auf diese Idee gekommen?
NIKE: Auf Crowdfunding an sich sind wir zufällig aufmerksam geworden. Und – wie wir gesehen haben – ist es eine Möglichkeit, ein solches Projekt zu finanzieren. Das Schöne daran ist, dass man bereits vor dem Erscheinen mit den zukünftigen Lesern in Verbindung tritt und Bekanntheit erlangt. Wir hatten schon vor unserem erstmaligen Erscheinen 100 Abonnenten und Besteller, das spornt an!
Der Erfolg des Crowdfunding-Projekts war nicht garantiert. Was war eurer Meinung nach entscheidend für das Gelingen?
NIKE: Wir haben das im Winter als großes Experiment begonnen und waren am Ende selbst ein wenig überrascht, wie gut es funktioniert hat. Der Trick – wenn es einen solchen überhaupt gibt – war sehr viel persönlicher Einsatz. Wir mussten ständig am Ball bleiben und die Kampagne mit Leben füllen und dabei Sympathie und Neugier wecken.
Glaubt ihr, dass sich auch andere Fotografie- oder Literatur-Projekte über ‚Crowdfunding‘ erfolgreich finanzieren lassen?
NIKE: Ich denke, dass Crowdfunding für jeden eine funktionierende Finanzierungsquelle sein kann, wenn man den nötigen Einsatz zeigt und überzeugend auftritt. Crowdfunding ist im Literatur- und Fotografiebereich aber sicher kein Selbstläufer.
Mittlerweile ist das Projekt sogar überfinanziert. Was passiert eigentlich mit diesem überschüssigen Geld?
MARC: Wir haben Wert auf eine hochwertige Produktion gelegt. Die hat natürlich ihren Preis! Die Produktionskosten lagen deutlich über dem bei Startnext angepeilten Betrag. Was wir mit dem Verkauf der ersten Ausgabe an Überschuss erwirtschaftet haben, fließt in die nächste Ausgabe. Das Team arbeitet ehrenamtlich, trotzdem halte ich es für eine der größten Herausforderungen, das Magazin wirtschaftlich zu halten.
NIKE: Wir können also nach wie vor jede Unterstützung gut gebrauchen!
Vielen Dank für das Interview!
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