Ein Brief aus der Vergangenheit, eine aufgerissene Straße, ein Anruf, ungehörtes Glockenläuten, ein Zirkus und das stimmungsvolle Antwerpen – alles spielt eine Rolle in dieser packenden Geschichte. Und stets ist da die offene Frage: Was hat es mit Stiller auf sich, der den klugen, ironiefähigen und bodenständigen Schriftsteller Freek Groenevelt so aus der Bahn bringt. Auf alle Fälle scheint Stiller sehr gut über Groenevelt Bescheid zu wissen. Über seine Vergangenheit ebenso wie über seine Zukunft.
Antwerpen. Eineinhalb Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Der Schriftsteller und Journalist Freek Groenevelt, Ende 30, scheint mit sich und der Welt zufrieden. Er wird geliebt und bewundert, von jüngeren Emporkömmlingen beneidet und angefeindet, doch das ficht ihn nicht an. Nur ein wenig vielleicht. Simone jedenfalls, die er kennenlernt, als er sich über einen kritischen Artikel über seine Person persönlich beschweren will, Simone ist die netteste und hübscheste Frau der Welt für ihn. Und das Beste daran: Sie erwidert seine Zuneigung schon bald. Alles läuft perfekt für den Groenevelt der Gegenwart. Bis sich unvermittelt ein gewisser Joachim Stiller in sein Leben schleicht. Ist er ein deutscher Geistlicher aus dem 17. Jahrhundert? Das ist doch gar nicht möglich?
„Die Ankunft des Joachim Stiller“ ist ein wirklich wundervoller Roman. Wundervoll, weil voll wunderlicher Wunder und wunderbar erzählt zugleich. Bei so vielen Wundern könnte einem ganz schwindelig werden. Wird es aber nicht, höchstens vor Lesevergnügen.
Dieses Lesevergnügen verdanken wir dem in Deutschland nahezu unbekannten, in Belgien viel gelesenen Autor Hubert Lampo, einem der beiden Hauptvertreter des Magischen Realismus im Flämischen, der im Jahr 2000 in Essen verstorben ist, und den es nun zu entdecken gilt.
Wir verdanken es aber nicht zuletzt dem Mitteldeutschen Verlag, der dieses bislang noch nicht in deutscher Sprache erschienene Werk in seiner bibliophilen Reihe „Bibliothek der Entdeckungen“ (s. Interview auf Litaffin) nun endlich herausgebracht hat. Im Gegensatz zum Suhrkamp Verlag übrigens, der das vor einigen Jahren schon angekündigt hatte.
Es ist ein schönes Buch geworden auch äußerlich. Der wahre Zauber aber umfängt den Leser, wenn er bereit ist, sich auf Lampos Welt einzulassen; jene, in die er Freek Groenevelt entsendet. Es ist eine Welt, die der unseren, der ganz normalen Welt zu entsprechen scheint. Und doch geschehen Dinge, die nicht rational erklärbar sind. Lampo zeigt, wie seine Protagonisten solchen Erklärungen hinterher jagen und kurz bevor sie am Ziel angekommen scheinen, bricht sie wieder ein: die Welt des Magischen, des Unerklärbaren.
Schön, dass auch außerhalb des Fantasy-Genres nicht immer alles mit rechten Dingen zugeht.
Lampo, Hubert: „Die Ankunft des Joachim Stiller“
Mitteldeutscher Verlag
244 S., geb. | 19,00 €
ISBN 978-3-89812-537-6
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