Quittenschorle und Menschlichkeit #bookupDE

Wohnungsbesichtigung in der Friedrichstaße. Drei Zimmer, Küche, Bad – typisch Berlin. Mit einer Ausnahme: Hier wohnen Bücher. Deutsche Gegenwartsliteratur, Sachbücher, Klassiker, Graphic Novels und vieles mehr. Doch eines haben sie gemeinsam: Sie entstammen dem Galiani Verlag Berlin, der hier seit 2009 seinen Sitz hat. Marie und ich haben zum gestrigen #bookupDE einen Blick ins Verlagsinnere geworfen.

#bookupDE
Die große Bücherwand trägt alle Titel des Verlagsprogramms.

#bookup kommt von #tweetup: Menschen verabreden sich zum Twittern über dasselbe Event. Beim #bookupDE sind wir zum Glück nicht auf 140 Zeichen begrenzt, sondern dürfen auch bloggen und facebooken.

Als wir ankommen, sind wir sofort live dabei im spontan-chaotischen Verlagsleben. Noch sitzt ein Dutzend russischer VerlegerInnen mit Verlagschef Wolfgang Hörner am Esstisch. Also stehen wir je nach Platz noch ein wenig zwischen verschiedenen Türen und Angeln und plaudern mit Florian Ringwald, einem unserer Hoffnungsträger: ein „Agli“. So betitelt er sich und uns und meint „Angewandte/r Literaturwissenschaftler/in“. Eine schöne Abkürzung, die wir so noch gar nicht kannten. Nach seinem Volontariat bei Galiani wurde Florian in den Verlag übernommen und ist dort nun für Presse und die Website zuständig.

Die Stimmung ist entspannt, wir schlendern zur provisorischen Bar. Dort unterhalten wir uns mit dem Autor Jakob Hein über die verschiedenen Saftsorten. Es gibt Apfel-, Rhabarber- und Quittensaft. Jeder einzelne stehe dabei für eine bestimmte Mode. Er erklärt uns, dass Rhabarber das American Apparel der Säfte sei. War mal total hip, jetzt aber leider fast pleite und somit wieder out. Apfelsaft gleiche der Marke Schiesser, einfach ein Klassiker. Und der heiße Tipp des Sommers sei die Quittenschorle. Er sagt, er müsse es wissen, er sei Kinder- und Jugendpsychologe und kenne sich somit aus in der Mode. Wir freuen uns schon auf seine Lesung.

Los geht’s aber erstmal psychologisch ganz geschickt mit der Buffet-Eröffnung. Bei diesem umwerfend aussehenden Buffet hätte sich auch keiner konzentrieren können. Wir arbeiten uns konsequent bis zum Nachtisch vor, dem Höhepunkt: Erdbeeren auf Quark auf Rhabarber. Vielleicht nicht mehr hip, aber immer noch unglaublich lecker.

#bookupDE
Mmmh…lecker!

Im Anschluss bekommen wir einen Einblick in die Verlagsgeschichte. Neu ist uns, dass der Galiani Verlag vor seiner Liasion mit Kiepenheuer und Witsch und seiner eigentlich Gründung 2009 ein Ableger des Eichborn Verlages war. Die neue Beziehung scheint ein guter Deal zu sein: Vertrieb, Buchhaltung, Lizenzgeschäft und Herstellung liegen in Köln bei KiWi. Das Programm können Wolfgang, seine Stellvertreterin Esther Kormann und die anderen MitarbeiterInnen selbst zusammenstellen. Was dabei entscheidend ist: Es geht immer, wenn manchmal auch versteckt, um das Existenzielle. „Die Idee einer Menschlichkeit“, die Frage, warum Menschen sind, wie sie sind und ein „Grundinteresse am Leben“ reizt das Galiani-Gespann an den rund 15 Büchern, die im Jahr erscheinen.

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Verleger Wolfgang Hörner erzählt.

Damit ist die Überleitung zu Jakob Hein geschaffen. Wolfgang stellt ihn kurz vor. Er stockt, als er den russischen Gästen erklären will, was eine „Lesebühne“ ist. Multitalent Jakob Hein springt kurzerhand ein und liefert die Erklärung in fließendem Russisch. Dafür erntet er Szenenapplaus. Auch seine Lesung aus dem neuen Roman „Kaltes Wasser“ ist äußerst unterhaltsam. Darin berichtet er von der abenteuerlichen Entstehung der Bus-Bar am Kollwitzplatz. Den umfunktionierten Bus hat es wirklich gegeben. Wahrscheinlich kam er aber nicht, wie im Buch sehr witzig beschrieben, dank eines besoffenen DDR-Sportlehrers dorthin, erzählt uns der Autor danach. Der offizielle Teil des #bookupDE ist nun beendet.

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Jakob Hein liest aus „Kaltes Wasser“.

Wir bekommen noch eine kleine Verlagsführung, bei der uns Florian das 50-Liter-Weinfass im Bad zeigt, das Sven Regener gewonnen und dort vergessen hat. Außerdem bekommen wir die organisch wachsende Manuskript- und Unterlagenmasse zu sehen. Die Verlagsräume sind eben doch eigentlich nur eine Wohnung. Räumlich kommt ein Verlag da mit wachsender Titelanzahl an seine Grenzen.

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Akten wuchern aus dem Schrank.

Zuletzt gibt es für uns noch eine hübsche Goodie-Bag mit dem Roman von Jakob Hein („Kaltes Wasser“) und dem Debüt von Nele Pollatschek („Das Unglück anderer Leute“), über dessen Cover wir gleich angeregt diskutieren. Wir dürfen uns sogar noch ein weiteres Buch aus dem Programm aussuchen: Ich freue mich auf die Sommerferien und „Aus den Fugen“ von Alain Claude Sulzer und Marie begeistern die Illustrationen von Kat Menschik in dem beeindruckenden Buch „Kalevala – Eine Sage aus dem Norden“, nacherzählt von Tilman Spreckelsen.

Beschwingt treten wir hinaus in den lauen Sommerabend und sind uns einig: Hier scheint es sich wirklich schön zu wohnen und auch zu verlegen.

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Auch eine Tür muss mit hübsch illustrierten Buchstaben bekleidet sein.

Dieser Beitrag entstammt den virtuellen Federn von Marie Markert und Juliane Noßack.

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