Es ist Sonntag und das Prosanova klingt langsam aus. Zeit, ein Resümee zu ziehen. Ist das Literaturfestival jetzt eher mit einer Blase zu vergleichen, mit einem Planeten oder doch eher einer Seegurke? Genau darum geht es in der Diskussion zwischen Florian Kessler, Ina Hartwig und Georg Diez.
+++ Etwas formiert sich +++
Johannes: „Jede Familie hat ja ihren Idioten“, sagt Florian Kessler zur Begrüßung. „Und wir werden diesen Part jetzt für euch übernehmen.“ Offensichtlich fühlt er sich nicht ganz wohl in seiner Haut. Auch ein Literaturfestival kann zur Schlangengrube werden und tatsächlich ist der Name Kessler in den letzten Tagen häufig gefallen. Meistens mit einem spöttischen Unterton.
Trotzdem ist seine Rolle wichtig. „Beides sollte möglich sein: Sagen was toll ist und gleichzeitig kritisieren zu können, was nicht funktioniert.“ In dieser Rolle sieht Kessler sich, denn um gute Literatur zu schreiben, braucht man die Kritik von außen. Aber genau das fehlt. Laut Kessler stehen die Nachwuchsautoren unter ständigem Anpassungsdruck, sie sind gezwungen wirtschaftlicher zu denken und orientieren sich deshalb am Markt. Und sind deshalb langweilig. Muss man sich Feinde machen, um aufzufallen?
Spon-Kritiker Georg Diez sieht das so. Er vermisst deutliche Meinungen, die polarisieren und gerade dadurch Aufmerksamkeit generieren. Dass die junge Literatur zu brav ist, liegt demnach an dem ökonomischen Druck, der auf den Autoren lastet. „In Zeiten des Wohlstands exponieren die Leute sich mehr“, behauptet Diez. Er selbst ist da härter im Nehmen: „Ich suche mir Wände und wenn ich keine finde, dann baue ich mir Wände“, sagt er. Mit dem Kopf durch die Wand. Lässt sich nur hoffen, dass sein Schädel auch dick genug ist. Seltsam ist, wie sehr sich Diez in der Rolle des Untergangspropheten gefällt. Überall sieht er Anzeichen des drohenden Untergangs: der Verlage, der Literatur, des Buches. Aber es muss nicht alles so kommen, wie er behauptet. Vor allem ist es nicht so schwarz und weiß.
Zum Glück bietet ihm die freie Journalistin Ina Hartwig Paroli. Und räumt endlich mal mit dem längst überfälligen Klischee von der überforderten Generation auf. Na klar: Digitale Revolution, Unsicherheiten und Brüche überall. So sieht Kessler unsere Generation und meint damit vor allem, dass wir besonders, weil permanent gefährdet sind. Aber geht das wirklich nur uns so? Hartwig lässt das nicht gelten. Auch ihre Generation habe mit Brüchen zu kämpfen gehabt, einer ungewissen Zukunft, auch wenn das aus heutiger Perspektive nicht so aussehen mag.
Man muss halt auch um seinen Platz kämpfen, das war schon immer so. Sind wir also bloß feinfühlige Literatur-Mimosen, subventioniert und feige? Fest steht, dass es zu einfach ist, die Schuld bloß auf das Umfeld zu schieben. Hartwigs Beispiel jedenfalls macht Mut – genau die richtige Portion Bodenhaftung, die dem Prosanova zum Schluss gefehlt hat. Ansonsten wäre doch alles ein bisschen Seegurke.
+++ Prosanova-Literaturwettbewerb +++
Marc: Das Prosanova 2014 geht dem Ende entgegen. Doch vor dem Abschied kommt die Kür. Der Literaturpreis des Festivals muss schließlich noch vergeben werden. Sechs ausgewählte Autoren lesen, wie beim Bachmann-Preis die Texte nacheinander vor. Danach darf die dreiköpfige Jury (Moritz Baßler, Felix Grisebach und Antje Rávic Strubel) diskutieren und kritisieren.
Die Texte konnten unterschiedlicher nicht sein: Faschistische Dichter in Afrika, Sektenessen bei McDonalds, ein simuliertes Afghanistan, kaltes Alltagsleben, fantastische Doppelgänger – oder eine südamerikanische Agentenromanze. Gewonnen hat Am Ende der Schlacht von Cathrin Dietzel aus Leipzig. Darin geht es um zwei Auftragsmörder, die einen alten General auf seiner Poolparty umbringen. Die Preisrichter waren von Dietzels farbenfrohen Text so überzeugt, dass sie sogar den Vergleich mit Gabriel García Márquez nicht scheuten.
Neben dem Jurypreis, durfte auch das Publikum seinen Liebling bestimmen. Und es wählte Isabelle Lehn mit ihrem abgefahrenen Afgahnistan-Text Aladdin, COB. Litaffin gratuliert den beiden Preisträgerinnen.
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