Vier Tage lang sind wir auf dem Prosanova Festival in Hildesheim und feiern die deutschsprachige Literatur. Heute: Erinnerungen an Clemens Meyer, Inselhopping und ein Bericht vom literarischen Fußballspiel.
+++ Stallgespräche mit Clemens Meyer +++
Johannes: Die letzte Nacht ist lang geworden. Trotzdem erinnere ich mich noch gut an die Stallgespräche mit Clemens Meyer, dem vielleicht besten Auftritt des gestrigen Tages. Gut zwei Stunden lang plaudert Meyer grandiosen Quatsch zusammen, holt so weit aus wie möglich, schlängelt sich um die Fragen von Moderator Johannes Kirsten herum und ignoriert konsequent jeden Punkt. Von Rambo 4 leitet er die Notwendigkeit moralischer Grauzonen im Film ab, schildert begeistert die Schlusszene mit dem wohl größten Maschinengewehr der Filmgeschichte und leitet nahtlos zu Chuck Norris in Forest Warrior über. Hat Meyer etwa ein Faible für Trashfilme?
Je mehr er erzählt, umso absurder werden seine Anekdoten. Woran erkennt man eine gute Briefmarkensammlung, was ist der Fotzi Bär und warum bekommt er keine Votzi mehr? Zwischendurch kommt Meyer dann wieder auf die Literatur zurück, er ließt aus Meine Roulette Bibel von Christian Kaisan aka „Der Sachse“ und erklärt, wie man sich – rein psychologisch – auf das Roulettespielen vorbereiten muss. Während der Arbeit an Im Stein habe er beim Online-Roulette beinahe sein gesamten Ersparnisse verloren. Schulterzucken, Lachen. Rechts von ihm steht ein Spielautomat, der stumm zuhört. Wahrscheinlich ein alter Bekannter. Dann trinkt Meyer sein Bier aus und zu Rusty Nails von Moderat verlässt er die Bühne. „Mach den Kopp zu!“, sagt er zum Abschied. Ob das noch jemand überbieten kann?
+++ Auf Inseln +++
Johannes: So richtig weitläufig ist das Prosanova leider nicht. Immer und immer wieder läuft man dieselben Gänge entlang, um von einer Lesung zur anderen zu kommen. Zum Glück ist Auf Inseln anders. Verteilt auf acht gemütliche Sofaecken, die im sonnigen Innehof stehen, lesen Carolin Callies, Verena Güntner, Fabian Hischmann, Martin Kordić, Matthias Nawrat, Jan Skudarek, Stefanie de Velasco und Anna Weidenholzer. Endlich kann man sich in die Sonne fletzen, einfach nur zuhören und für eine Viertelstunde in ein Buch hineinlauschen.
Dann kommt der Gong. Wer will hat noch kurz Zeit, mit den Autoren zu plaudern oder sitzenzubleiben, um einfach noch ein bisschen mehr zu hören. Oder man schweift weiter, zu einer anderen Insel, einem anderen Buch und einer anderen Stimme. Vielleicht ergattert man einen Platz im Schatten. Wir faulenzen.
+++ Das literarische Fußballspiel+++
Marc: In wenigen Tagen ist endlich die Fussball-WM. Doch während sich die Nationalelf auf Brasilien vorbereiten, findet das interessanteste Spiel des Jahres im Stadion des VfV Hildesheim statt. Die Autorennationalmannschaft gegen das Schreibschulennachwuchsteam; das heißt 4-4-2 gegen 4-2-3-1 System, Mann- gegen Raumdeckung oder einfach die Etablierten gegen die Nachfolger.
Den besseren Start erwischten die Autoren, obwohl Thomas Klupp noch kurz vor dem Spiel erklärte: „Wir werden uns sehr elegant bewegen. Dafür sehr wenig.“ Doch die Autoren gingen früh durch ein unglückliches Eigentor von Stefan Vidovic in Führung. Routiniert verteidigte das Autorenteam in Weiß seine Führung gegen die aggressiv drückende Heimmanschaft. Immer wieder scheiterten die Vorjahressieger an der konzentrierten Abwehr der Autoren, oder wie Thomas Klupp es formulierte: „Die benutzen zu viele Adjektive vor dem Strafraum.“ Nach gelungenem Konter erhöhten die Autoren kurz vor dem Pausenpfiff noch auf 2:0.
Davon ließ sich der Nachwuchs allerdings nicht beeindrucken. Gestärkt kamen die Hildesheimer aus der Kabine und bewiesen Courage. Aggresiv aber keineswegs unfair (Fritz:“ Blutgrätsche, Allegorie; alles ist erlaubt.“) gelang ihnen früh in der 2. Halbzeit der Anschlusstreffer. Kurz nach dem 2:1 zappelte der Ball wieder im Tor der Autoren, allerdings ohne Wertung. Abseits. Doch auch dadurch ließen sich die Schreibschüler nicht entmutigen und schnürten die Autoren in ihrer Hälfte ein. Logische Folge war der Ausgleich nach Ballgewinn im Mittelfeld. Zwar bemühte sich die Autorennationalmannschaft um Struktur im Spielaufbau, scheiterte aber meistens am hohen Pressing der Gastgeber. Als gerechten Lohn für diese Aufholjagd netze der Nachwuchs zehn Minuten vor Schluss verdient zum 3:2 Endstand ein. Damit verbleibt der Josef-Ploch-Pokal für weitere drei Jahre in Hildesheim.
Stimmen:
(Simon Roloff, Autorennationalmannschaft)
„Die hatten hier ein Heimspiel. In so einem Hexenkessel zu bestehen ist da schwer für uns. Schlussendlich war aber die Physis entscheidend. Mit diesem Ergebnis können wir trotz Niederlage zufrieden sein.“
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