Wie vielerorts drängen sich auch in meiner Straße Spätverkäufe, Bäckereien, Bars und Restaurants dicht an dicht. Kulturelle Einrichtungen hingegen sind eher Mangelware. Vor zwei Jahren machte ich jedoch eine freudige Entdeckung.
In weißen Lettern auf rotem Untergrund stand geschrieben: Periplaneta – Verlag & Studio, Kreativzentrum (Literaturcafé und Buchhandlung). Neugierig nährte ich mich den Schaufenstern, las in dem gut gefüllten Veranstaltungskalender und betrachtete die ausgestellten Bücher, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Neben einem Krimi stand ein Kinderbuch und daneben eine CD mit Comedy-Aufnahmen. Irritierend war auch, dass eine Küchenschabe das Firmenlogo ziert. Deshalb fragte ich mich skeptisch, ob dieses Projekt gut gehen kann. 2011 gibt es Periplaneta immer noch – Grund genug also, dem Verlag mal einen Besuch abzustatten und mit Thomas Manegold, Autor, Sprecher und Produktionsleiter, ein Gespräch zu führen.
Litaffin: Der Verlagsname Periplaneta ist sicherlich ungewöhnlich. Wie seid Ihr auf diesen gekommen? Und inwiefern spiegelt er euer Verlagsprogramm wieder? Schließlich erwartet man es, bei dem Namen nicht, Kinderbücher oder Hörbuchaufnahmen im Sortiment zu finden.
Manegold: Unser Name spiegelt in keiner Weise unser Programm. Dies wird ausschließlich über die sechs Editionen definiert, wie beispielsweise „Mundwerk“ für Slam- und Lesebühnenliteratur. Es war die Doppeldeutigkeit, die uns verführte, denn „periplaneta“ heißt erst einmal „umdenplaneten“, was ja eine treffende Bezeichnung für einen Verlag ist, der sich auf kein Genre festlegen und seine Werke verbreiten möchte. Das Maskottchen – die Periplaneta Americana – soll sagen, dass wir zäh sind, uns auch über sehr lange Zeit behaupten werden, dass Schönheit relativ ist – und dass der Mensch leider jene Wesen am härtesten bekämpft, die erfolgreicher sind als er selbst. (Lächelt.)
Litaffin: An die letzte Frage anknüpfend: Warum habt Ihr euch bewusst für ein thematisch weit gefächertes Verlagsprogramm entschieden? Gerade Kleinverlage (Wallstein Verlag, Elfenbein Verlag, Matthes & Seitz, Mitteldeutscher Verlag) sind ja dafür bekannt, sich auf Nischen d.h. ausgewählte Genres zu spezialisieren, um so einerseits den Überblick zu behalten und sich andererseits beim Kunden als Marke zu präsentieren.
Manegold: Das liegt am grundsätzlichen Periplaneta Konzept, eine unkommerzielle, aber wirtschaftlich arbeitende Basis für Kreative zu sein. Kein Kommerz bedeutet Inhalt und Vermarktung zu trennen (und nicht etwa, wie viele denken, unwirtschaftlich zu arbeiten oder die Vermarktung ganz sein zu lassen). Wir hatten zudem von Anfang an „Größeres“ vor. Viele Verlage kranken an einer Beliebigkeit, weil sie speziell anfangen und später auch inhaltlich expandieren müssen. Wir sind selbst aktive Künstler und wer will schon sein ganzes Leben lang Krimis schreiben oder Gedichte? Das Konzept ist scheinbar gegen jede Vernunft und gegen den Trend, aber unsere Autoren können sich genrebezogen austoben und der Verlag wird eben nicht sterben, wenn das Genre, worauf man sich einschoss, einmal out sein wird.
Litaffin: Glaubt man an die Gründung und das Bestehen eines Verlages, ist es nicht nur wichtig großartige Bücher zu verlegen. Auch betriebswirtschaftliches Know-how und Marketing-Expertise ist von Nöten. Wie habt Ihr euch das Wissen angeeignet? Alles learning by doing, wobei bittere Erfahrungen unvermeidlich waren?
Manegold: Es gibt keine Alternative für learning by doing. Das Establishment lügt, weil es sich selbst erhalten muss und jedes Know-how beruht auf den individuellen Erfahrungen anderer, die sie dann für Geld zur Wahrheit erheben. Wir sind größtenteils Quereinsteiger und nichts ist wertvoller, als die eigene Erfahrung. Ein Fehler ist nur, wenn man gar nichts tut. Ich glaube, es ist eine Gabe, Erfahrungen aus anderen Gebieten transformieren zu können. Die Periplaneta Chefin (Marion Alexa Müller) ist Diplomrestauratorin und auch ich habe zuvor unter anderem Kulturevents veranstaltet und als Musikjournalist gearbeitet, was aber dem Verlag nachhaltig nützt. Man muss nicht Buchwirtschaft studiert haben, um mit Druckereien zu verhandeln, vielmehr muss man verhandeln lernen. Und das geht nur by doing… Die bitteren Erfahrungen kommen so oder so.
Litaffin: Die Öffnungszeiten des Kreativzentrums sind Montag bis Samstag von 11 bis 23 Uhr. Entsprechen diese auch eure Arbeitszeiten? Oder anders gefragt: Ist es ohne Herzblut und dem Verzicht auf eine 40-Stunden Woche als unabhängiger Verlag (und Mitarbeiter) nicht möglich zu überleben?
Manegold: Der Achtstundentag ist eine alberne Erfindung. Ein Tag hat 24 Stunden. Wer viel schläft, muss dennoch 16 Stunden irgendwie rumbringen. Mein Arbeitstag beginnt mit dem Aufstehen und endet, wenn ich einschlafe… meistens bei einem Hörbuch. Wir sind also wirklich ab 10 Uhr unterwegs und hören meist nach Mitternacht auf. Es gibt keine Grenze zwischen Freizeit und Beruf, Privat und Öffentlich. Warum auch? Wenn man tut, was man will, braucht man kein Hobby.
Litaffin: Unabhängige Kleinverlage sehen sich zunehmend einem immer stärkeren Druck auf dem Buchmarkt ausgesetzt und beklagen vor allem, dass die großen Buchhandlungsketten ihre Programme nicht würdigen. Ihr hingegen konntet gerade Thalia als Partner für die Präsentation von V.S. Gerlings neuem Thriller „Pakt des Bösen“ gewinnen. Eine erfreuliche Ausnahme?
Manegold: Das ist ein bisheriger Einzelfall. Thalia hat wahrscheinlich wirklich der Titel überzeugt und die eindrucksvolle Präsentation durch unseren unermüdlichen Autor. Natürlich suchen sie das streng nach den Umsatzzahlen aus, schließlich wollen sie Bücher verkaufen. Aber sie stellen nur in die Regale, was sie los werden. Der Druck auf dem Markt ist allgegenwärtig. Nicht nur jene klagenden Kleinverlage spüren den, sie nehmen ihn nur persönlich. Der Umsatz auf dem Buchmarkt stagniert, gleichzeitig hat sich die Anzahl der Neuveröffentlichungen seit den 90er Jahren mindestens verdreifacht. Die Ketten müssen aber weiter wachsen und somit bieten sie nur das an, was der Konsument ganz sicher auch mitnimmt. Um das zu ändern, müssen die Buchschaffenden die Leser überzeugen, nicht die Handelsketten und auch nicht die Medien.
Litaffin: Wenn man so will, fing 2004 mit der Gründung der Lesebühne „Vision & Wahn“ alles an, die bis heute als monatliche Veranstaltungsreihe fortgeführt wird. 2007 wurde schließlich der Verlag gegründet. 2009 kam das Kreativzentrum hinzu. 2011 könnt Ihr eine Kooperation mit Thalia verzeichnen. Zudem verfügt Ihr über einen eigenen Hörbuchverlag „Silbenstreif“. Das klingt nach einer Erfolgstory. Wie geht es in Zukunft weiter?
Manegold: Es ist schon eine Erfolgsstory. Periplaneta ist kein Startup, sondern ein Sprung ins kalte Wasser, gegen jede Vernunft und ohne Schwimmweste. Wir haben sehr unorthodox und extrem effektiv gearbeitet, jede Investition drei Mal hinterfragt und jede heilige Kuh erst mal geschlachtet, bevor wir sie auf die Weide trieben. Wir veröffentlichen drei neue Titel pro Monat und wir schreiben schwarze Zahlen. Das liegt an der sehr schlanken, leistungsfähigen Struktur von Periplaneta und daran, dass wir ein bisschen verrückt sind. Im Mai eröffnen wir aber erst einmal mit separatem Vertrieb unsere Musiksparte und werden fortan, inmitten des „Niedergangs der Musikindustrie“, als Musiklabel anfangen. Wir werden unsere verschiedenen Editionen besser vermarkten und sowohl das Hardcover-Segment für uns erschließen, als auch die digitale Buchwelt. Dafür suchen wir immer noch Mitstreiter.
Fotos © Periplaneta – Verlag & Mediengruppe
Kreativzentrum Bornholmer Str. 81a – 10439 Berlin – Mo.-Sa. 11-23h
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Ich kann mich als Autor glücklich schätzen, einen so tollen Verlag wie periplaneta gefunden zu haben. Wer in Berlin ist, sollte unbedingt mal im bei einem der vielen Events im Kreativzentrum vorbeischauen. Es lohnt sich ;-)