Im Rahmen des 3. Lesemarathons „Stadt Land Buch“ des Börsenvereins des deutschen Buchhandels nahm Harry Rowohlt das Berliner Publikum am ersten Advent mit auf eine Reise auf den Spuren Mark Twains.
An Selbstbewusstsein mangelte es Mark Twain ganz offenbar nicht. Nur wer fest davon ausgeht, sein Werk werde auch für die nächsten Generationen noch von Bedeutung sein, lässt testamentarisch veranlassen, dass die eigenen Memoiren erst hundert Jahre nach dem Tod veröffentlicht werden dürfen. Aber Twains Rechnung ist aufgegangen.
Im Oktober erschien „Meine geheime Autobiographie“ im Aufbau Verlag und natürlich kann ein solcher Meilenstein nicht von irgendwem als Hörbuch eingelesen werden. Der Großmeister der tiefen Töne, Harry Rowohlt, hat Mark Twain seine Stimme geliehen. Bei der Abschlussveranstaltung des mittlerweile dritten Lesemarathons „Stadt Land Buch“ des Deutschen Börsenvereins, in dessen Rahmen eine Woche lang Lesungen in Berlin und Brandenburg stattfanden, konnte man dem Text am 02. Dezember im Berliner Maxim Gorki Theater lauschen.
Ich war ein wenig überrascht, dass sich Harry Rowohlt, der allein auf der Bühne ein Publikum über mehrere Stunden unterhält (gewissermaßen auch ein Lesemarathon), auch sehr zurücknehmen kann. An diesem Abend teilte er sich die Bühne mit dem Übersetzer dieses Mammutprojekts, Hans-Christian Oeser, sowie dem Pianospieler Kristian Kowatsch und sie holten Mark Twain alias Samuel Langhorne Clemens für eine Stippvisite nach Berlin.
Das Trio vermochte es, den Leser mitzunehmen auf eine Reise durch die USA, bis hin nach Europa. Mit geschlossenen Augen, der tiefen, tiefen Stimme Harry Rowohlts und der Klaviermusik im Ohr konnte man mit dem jungen Sam die Farm seines Onkels in Florida, Missouri erkunden. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass nicht jeder im Raum überlegte, wo er auf dem Heimweg noch etwas zu essen bekommen könne, als Harry Rowohlt die schier unendliche Schilderung der Genüsse auf der Farm vorlas (gebratener Apfel mit Zucker und viel Sahne!). Und das, obwohl diesen selbst die üppigen Fleischmahlzeiten ziemlich kalt gelassen haben, wie er sagte: „Ich bin kein Vegetarier, ich mag nur kein Fleisch. Das einzige, was ich weniger mag als Fleisch, sind Vegetarier.“
Doch Mark Twains Biographie ist viel mehr als eine Schilderung des eigenen Lebens. Er hat seine Umwelt und das politische Geschehen seiner Zeit sehr bewusst wahrgenommen. Sein tägliches Schreiben war daher auch immer eine Reflexion seiner Epoche. Auch dies war wohl ein Grund dafür, dass er veranlasste, die Biographie hundert Jahre unter Verschluss zu halten. Nur so sah er sich in der Lage, seine Gedanken völlig ungefiltert aufzuschreiben.
Die größte Freude bereiteten dem Publikum wohl aber die Passagen über Berlin und die deutsche Sprache. Zwar möchte ich Twains Aussage, dass man unsere Sprache in die Kiste zu den toten Sprachen packen sollte absolut nicht unterschreiben, doch ein wenig konnte er mich davon überzeugen, dass Deutsch nicht immer elegant ist.
Es war nicht allein der gelesene Text, der diesen Abend so rund gemacht hat. Es war die gelungene Mischung. Hans-Christian Oeser versorgte das Publikum mit Informationen und Anekdoten rund um Mark Twain sowie der Übersetzung. Und die Musik von Kristian Kowatsch untermalte den Text wunderbar. Sie haben Lust gemacht, gleich beides – Biographie und Hörbuch – zu kaufen. Hätte ich noch kein Weihnachtsgeschenk für meinen Vater, wäre dieses Problem jetzt gelöst.
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