Die beiden Autoren Christine Berger und Felix Mennen haben 2005 das Projekt „Hörbar Berlin“ ins Leben gerufen. An über 30 Hörstationen kann man sich heute kostenlos MP3-Player ausleihen und Literatur von Berliner Schriftstellern anhören.
Ich sitze in einem gemütlichen Café auf der Schönhauser Allee Ecke Danziger Straße. Durch die große Fensterfront beobachte ich die vielen Menschen, die aus dem U-Bahnhof Eberswalder Straße herausströmen und sich in alle Richtungen verteilen. Eine angenehme Männerstimme ertönt aus den Kopfhörern des CD-Players und erzählt die Kurzgeschichte Der Rempler von Michael André Werner. Wie passend, denke ich, während ich einen Schluck von meiner Heißen Schokolade trinke, diese Typen begegnen einem in Berlin doch fast jeden Tag: Gehetzte Großstädter, die sich während der Rushhour rücksichtslos an den anderen Fahrgästen vorbeidrängeln und zum Zug eilen, als wäre es der letzte, der sie an ihr Ziel bringen kann.
Der Rempler ist nur eine von vielen Kurzgeschichten und Romanauszügen, die ich zur Auswahl habe, auf jedem MP3- oder CD-Player sind bis zu zehn solcher Hörstücke. Die Geschichten sind mal witzig, mal tiefsinnig und sie spielen alle in Berlin. In einem begleitenden Booklet findet man alle Informationen über den Autor, seinen Text und den Verlag. Viele der Namen habe ich zuvor noch nie gehört, aber die Geschichten machen große Lust auf mehr. Die Textpassagen sind zwischen 5 und 20 Minuten lang. Sie werden meist von den Autoren selbst eingesprochen, aufgenommen und auf CD- oder MP3-Player gespielt. Diese kann man sich dann an den Hörstationen kostenlos ausleihen. Das Programm wechselt alle drei Monate.
Die Hörstationen sind in der ganzen Stadt installiert, vor allem in Bibliotheken, aber auch in Cafés, Frisörsalons und Arztpraxen. So werden nicht nur die Litaffinen unter uns angesprochen, sondern auch diejenigen, die im Alltag zu wenig Zeit zum Lesen haben. Und vielleicht ja sogar mal der ein oder andere Rempler, der im Wartezimmer lieber zum MP3-Player greift als zur abgegriffenen Illu.
Im Grunde dreht es sich doch um Folgendes: Wie kann man heute die Aufmerksamkeit der Leser gewinnen, unbekannte Autoren auf dem Buchmarkt etablieren und gute Literatur verkaufen? Das Projekt Hörbar Berlin geht einen Schritt in die richtige Richtung, es bietet Autoren eine neue Plattform, ihre Arbeiten einem breiteren Publikum vorzustellen. Trotzdem wird es für die vielen kleinen Berliner Verlage auch weiterhin schwierig sein, sich an den auf Kommerz ausgerichteten Buch-Kaufhäusern vorbei zu drängeln.
Wer die Hörbar ausprobieren möchte, findet auf der Homepage des Projekts alle Orte, an denen Hörstationen installiert sind. Dort sind auch alle Audiodateien aus den Programmen archiviert und die Informationen über die Autoren noch einmal aufbereitet.
Foto: Susanne Klatt
- Learning by doing: Der Berliner Elfenbein Verlag - 29. März 2011
- Literatur hörbar erleben - 31. Januar 2011
Wie toll! Das Konzept finde ich super, aber ich frage mich, wie mann es nutzen könnte, um kleinere Berliner Verlage auch mehr Aufmerksamkeit zu gewinnen und dabei ein echtes „Berlin Thing“daraus zu machen. Und das würde auch eine gute Sache für die regionale Wirtschaft, oder? Ich will jetzt in so ein Café und zuhören!
Wie wunderbar, danke für den Artikel! Das möchte ich gleich selbst ausprobieren!