Seit Januar 2013 veranstaltet Alexander Graeff jeden dritten Sonntag im Monat eine Lesung zeitgenössischer Literatur in der Brotfabrik in Weißensee. Zum Auftakt der dreiteiligen Sommerreihe besuchten wir ihn beim literarischen Zwiegespräch mit der Autorin Caca Savic, die sich ganz der Lyrik verschrieben hat. Alexander ist selbst Autor und verbindet seine Literatur auf immer unterschiedliche Weise mit der des Gastes. Im Juli wird Asmus Trautsch und im August Dato Barbakadse zu Wort kommen.
Wie kommt es dazu, dass du ausgerechnet in Weißensee eine Lesereihe organisierst?
Alexander Graeff: Ich bin letztes Jahr im Oktober nach Weißensee gezogen – ich bin sozusagen ein Prenzlauer Berg-Flüchtling. Ich kannte die Brotfabrik mit ihrem großen Kulturangebot an Kino, Theater und Bildender Kunst. Doch was mir fehlte war die Literatur, denn diesbezüglich gab es gar nichts. Da die Brotfabrik so schöne Veranstaltungsräume hat und ich dort bereits vor sieben Jahren eine Lesung organisiert hatte, schrieb ich Iris Bauer von der Brotfabrik einfach eine Mail und schlug ihr eine monatliche Lesereihe vor. Damit rannte ich offene Türen ein. Das Brotfabrik-Team war total begeistert. Ich hatte den Eindruck, dass sie selbst schon planten, die Literatur wieder in Weißensee zu etablieren. Anfang der 90er war die Brotfabrik für Literatur bekannt gewesen. Schon große Autoren und Autorinnen haben hier gelesen.
Ist die Brotfabrik der einzige Ort in Weißensee, der literarische Lesungen veranstaltet?
Alexander Graeff: Es ist ein bisschen böse, wenn ich sage „ja“. Es gibt zwar noch die Wolf-Dietrich-Schnurre Bibliothek, in der Lesungen angeboten werden, jedoch machen die viel zu Erinnerungskultur oder Sachliteratur. Mir geht es bei meinen Lesungen ausschließlich um zeitgenössische, lebendige Literatur.
Die Lesereihe ist angekündigt als „Literatur in, aus und für Weißensee“. Wie meinst du das?
Alexander Graeff: Es ging mir schon darum, die Literatur lokal zu verorten. Ich sehe mich sozusagen als Repräsentant für Weißensee: Ich lese meine Literatur, die größtenteils hier entsteht, da ich hier lebe. Mit dem literarischen Gast kommt der Blick von außen hinzu, wobei es sich da weitestgehend um Berlin handelt. Nurunser letzter Gast der Sommerreihe, Dato Barbakadse, wird aus Georgien zu uns kommen.
Wie wählst du deine literarischen Gäste und Themen aus?
Alexander Graeff: Die Themen stehen am Anfang nie fest, denn ich möchte, dass wir in der gemeinsamen Arbeit und Vorbereitung das Thema entstehen und sich entwickeln lassen. Natürlich bringen die Autoren oft auch schon Veröffentlichungen mit und geben dem Ganzen damit einen thematischen Rahmen, an dem wir uns abarbeiten können.Einige Autoren fand ich in meinem eigenen Kollegenkreis des Verlagshauses J. Frank, bei dem meine Bücher erscheinen. Auf andere Autoren kam ich durch Empfehlungen oder Bewerbungen. Mit dem heutigen Gast Caca Savic kam ich durch eine Empfehlung von Anton Schwarzbach zusammen, dem Herausgeber des Magazins Prolog. Es entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit zwischen Caca und mir. Was sie und mich verbindet sind vor allem Sprache und Form. Ich schreibe zwar Prosa, doch gleite manchmal in die Lyrik ab. Caca schreibt Lyrik, doch lässt sich manchmal zu einer prosaischen Kurzform verleiten.
Eine Lyrik-Lesung hat natürlich immer eine andere Wirkung als eine Lesung mit reiner Prosa…
Caca Savic: Für viele Zuhörer hat es den Anschein, eine Lyrik-Lesung sei nicht so unterhaltsam, vielleicht verschreckend, verfremdend oder verwirrend. Es entstehen weniger konkrete Bilder, doch die Assoziationen können einen eigenen Rhythmus entwickeln.
Was interessiert dich denn an Sprache?
Caca Savic: Dynamik. Geschwindigkeit. Was mich nicht interessiert sind Romane. Im Moment interessiert mich weder das Lesen noch das Scheiben davon. Ich stehe der Verknappung und Verdichtung nahe. Ich mag Novellen, Erzählungen und Kurzgeschichten. Alles was schnell zu einem Punkt kommt oder auch nicht; das ist meins.
Wie bist du zur Lyrik gekommen? Gab es etwas, was dich besonders geprägt hat?
Caca Savic: Schon mit 13 Jahren habe ich den Ingeborg-Bachmann-Preis verfolgt. Der lief damals immer im Sommer auf 3sat – das füllte mein Sommerloch. Es entstand ein eigener Kosmos für mich. Das hat mich damals sehr inspiriert. Doch nicht nur die Live-Übertragung im Fernsehen, auch Ingeborg Bachmann selbst. Die Sprache und Stimme der Frau, diese extreme Emotionalität, die hinter den Texten steht, das Zerbrechliche. Eine Frau, die sich ganz der Sprache verschrieben hat – und mit ihrer Sprache vereinsamt endet und verbrennt. Das hat mich umgehauen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führten Claudia Katzmarski und Judith Felizita Säger.
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