Die Optimierung des Selbst, wozu auch der Schlaf gehört, scheint mittlerweile zur Pflicht geworden zu sein. Tatsächlich leiden immer mehr Menschen unter Schlaflosigkeit. Das machen auch viele zeitgenössische Autor*innen zum Thema.
Ein Essay von Emma Rotermund
Die Influencerin Diana zur Löwen pult sich in einem Reel ein transparentes Pflaster von den Lippen: Sie klebt sich neuerdings zum Schlafen den Mund zu. Mouthtaping nennt man das. Nur durch die Nase zu atmen habe „viele gesundheitliche Benefits“, sie fühle sich „so viel fitter“, wenn sie morgens aufsteht. Nachdem sich ein ganzer Karrierezweig daraus gebildet hat, Menschen im Internet Tipps zur Optimierung ihrer Gesundheit durch Ernährung oder Sport zu geben, ist nun also der Schlaf dran. Bei Instagram wird man bombardiert mit Werbung für Gewichtdecken und smarte Ringe, mit denen man seinen Schlaf tracken kann. Wo man hinhört, schluckt irgendwer Melatoninkapseln oder sprüht Lavendelspray auf das Kopfkissen, um einer geführten Einschlafmeditation in einer App zu lauschen.
Während diese Gagdets für einige Menschen sicher eine hilfreiche Erinnerung sein können, ihrem Schlaf mehr Beachtung zu schenken, kann eine Gruppe von Menschen nur müde lächeln: die chronisch Schlaflosen. Eine davon ist Paula, zumindest war sie das ein Jahr lang. Während dieser Zeit schlief sie phasenweise ganze Wochen am Stück überhaupt nicht.
Angefangen hatte Paulas Schlaflosigkeit an einem Abend nach einem Konzert, an dem sie spät ins Bett ging und am nächsten Morgen früh aufstehen musste. Es war eine Zeit, in der viel los war, sie hatte ein „Grundstresslevel“ und musste am nächsten Tag arbeiten. Als sie im Bett lag, hatte sie nur einen Gedanken: Sie musste jetzt dringend einschlafen. Dabei wurde der Druck in ihr immer größer, sie malte sich aus, was passieren würde, wenn es ihr nicht gelingen würde zu schlafen. „Man geht ja nicht zur Arbeit und sagt, ich kann nicht arbeiten, weil ich zu schlecht geschlafen habe“, sagt sie. Das fände sie viel zu intim. Paula hatte schon früher von Zeit zu Zeit Schlafprobleme gehabt, sich aber keine weiteren Gedanken darüber gemacht. Das änderte sich in dieser Nacht, in der sie kein Auge zutat. Im Nachhinein beschreibt sie die Nacht als eine „langandauernde Panikattacke“. Am nächsten Tag ging sie zur Arbeit und stand den Tag irgendwie durch. Doch von dem Zeitpunkt an war „der Damm gebrochen“, erzählt sie. Sie hatte das Vertrauen verloren, einschlafen zu können, wenn sie übermüdet war. Den ganzen Tag verfolgte sie der Gedanke: Was, wenn das nochmal passiert?
Die Belastung sich anzupassen
Die Ängste davor, was am nächsten Tag passieren würde, wenn es mit dem Schlafen nicht klappt, beschreibt auch der norwegische Autor Anders Bortne in seinem Memoir Schlaflos – Wie ich nach tausend Nächten endlich Ruhe fand, in dem es um seine Insomnie geht. Insomnie, das ist eine langanhaltende oder in Abständen wiederkehrende Schlafstörung, die sich durch Ein- und Durchschlafprobleme und die Beeinträchtigung des Tages auszeichnet. Betroffene fühlen sich tagsüber häufig erschöpft und in ihrer Leistungsfähigkeit und ihrem Sozialleben eingeschränkt. Von einer chronischen Insomnie spricht man, wenn die Beschwerden mindestens drei Monate andauern. Bortnes Ängste stellen sich etwa ein, wenn am nächsten Tag ein Abendessen mit Freunden geplant ist. Nachts liegt er wach und stellt sich vor, was seine Freunde von ihm denken werden, wenn er nicht schlafen kann und beim Essen träge und verschlossen dasitzt. Als „Angst, sozial nicht mithalten zu können“ beschreibt er diese Gedanken. In den 16 Jahren seiner Schlaflosigkeit muss er sich in fast jeder sozialen Situation zusammenreißen. „Die Belastung, sich an andere anpassen zu müssen“ empfindet er als einen der schlimmsten Aspekte der Insomnie.
Auch Paula erzählt von sozialen Ängsten, die sie während ihres schlaflosen Jahres entwickelte. Sie habe ständig das Gefühl gehabt, sich erklären zu müssen, weil sie neben der Spur war. „Man redet zum Teil echt Blödsinn, weil man super übermüdet ist“, sagt sie. Sie wurde allem gegenüber misstrauisch, am meisten sich selbst gegenüber: Sie verlor ihr Selbstvertrauen.
Über dieses Misstrauen schreibt auch Samantha Harvey in ihrem Memoir Das Jahr ohne Schlaf. Wie Paula hatte sie ein Jahr lang mit starken Schlafstörungen zu kämpfen. „Ich betrachte die Welt voller Misstrauen, alles in ihr scheint feindselig und hasserfüllt vor mir zurückzuweichen“, schreibt sie. Da sei „eine Macht am Werk, die nicht möchte, dass es mir gut geht; das alles fühlt sich persönlich an“. In dem Buch fasst Harvey das Jahr in einer einzigen Nacht zusammen, unterbrochen von der fortschreitenden Uhrzeit und Unendlichkeitszeichen. „Jede Nacht ist ein Kampf, den ich meistens verliere“, schreibt sie.
Schlaflosigkeit ist ein einsamer Zustand. Selbst wenn jemand neben einem im Bett liegt, ist man doch alleine gefangen darin, nicht schlafen zu können. Vielleicht ist das auch ein Grund, weshalb so viele Autor*innen sich entschieden haben, ihre eigene Schlaflosigkeit zu dokumentieren. In den letzten Jahren sind einige Memoirs, also Autobiografien, die sich auf einen bestimmten Lebensabschnitt beschränken, von schlaflosen Schriftsteller*innen erschienen: Neben Anders Bortne und Samantha Harvey haben beispielsweise Marie Darrieussecq mit Sleepless oder Theresia Enzensberger mit Schlafen über ihre Schlaflosigkeit geschrieben. Die Bücher nehmen teilweise Bezug aufeinander, als würden sich die Autor*innen in ihrer Schlaflosigkeit aneinander festklammern.
Erwartungsgemäß gibt es zum Thema Schlaf Selbsthilfebücher en masse: Zum Beispiel Arianna Huffingtons Die Schlaf-Revolution oder Shawn Stevensons Ratgeber mit dem optimistischen Titel Jeder Mensch kann schlafen lernen. Diese Bücher folgen laut Enzensberger häufig einer ähnlichen Dramaturgie: Eine Heldin stößt auf Widrigkeiten und macht eine innere Entwicklung durch, die schließlich zur Überwindung ihrer Schlaflosigkeit führt. So zum Beispiel bei Arianna Huffington, die sich als erfolgreiche Geschäftsfrau jahrelang den Schlaf versagt hat und nach einer Krise, ausgelöst durch den Schlafmangel, beschließt, ihren Schlaf zu priorisieren. Nun will sie auch anderen Menschen helfen, ihren Schlaf zu verbessern. Bortne kritisiert an diesen Erzählungen, dass sie sich nicht an Menschen mit ernsthaften Schlafstörungen richten, sondern nur an Menschen, deren Schlaflosigkeit selbst gewählt ist. Er ärgert sich über Ratgeber, die betonen, wie wichtig der Schlaf sei, ihn muss man davon nicht überzeugen: „Es tut regelrecht weh, über die Gesundheitsrisiken von Schlafmangel zu lesen, und das in einem Buch, das sich an Leute richtet, deren Schlaf lediglich davon abhängt, ob sie schlafen wollen oder nicht.“ Die wohlmeinenden Ratschläge zur Überwindung der Insomnie sind seiner Ansicht nach nicht als Behandlung eines ernsthaften Gesundheitsproblems geeignet.
Schlaflose Schreibende
Aber Insomnie ist kein neues Thema in der Literatur: Marie Darrieussecq bemerkt, dass es in jedem Buch, das sie öffnet, um Schlaflosigkeit geht. Proust, Dostojewski, Kafka, Plath – sie alle konnten nicht schlafen, was sich auch in den Charakteren ihrer Bücher widerspiegelt. Als wäre Schlaflosigkeit die Berufskrankheit der Schriftsteller*innen. Anders Bortne schreibt, dass sein Verhältnis zum Schlaf seinem Verhältnis zum Schreiben ähnele: „Je intensiver ich mich bemühe, desto schwieriger wird es.“
Auch in der zeitgenössischen Literatur gibt es schlaflose Protagonist*innen, wie etwa in Timon Karl Karleytas Roman Heilung, der auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2024 steht – ob der Autor ebenfalls unter Insomnie leidet, ist nicht bekannt. Ein Mann wird aufgrund einer merkwürdigen Form der Schlaflosigkeit in ein Sanatorium in der Schweiz geschickt: Er findet keinen Tiefschlaf mehr. Und dann gibt es noch Ottessa Moshfeghs Mein Jahr der Ruhe und Entspannung, in dem eher das Gegenteil der Fall ist: Eine Frau entscheidet sich, mithilfe von Tabletten ein Jahr lang durchzuschlafen. Sie erhofft sich dadurch eine Katharsis zu erreichen.
Lange Zeit galt: Wer produktiv und erfolgreich sein will, schläft so wenig wie möglich. Nur eine geringe Menge Schlaf zu benötigen, war ein Zeichen dafür, dass man sein Leben im Griff hat, dass der Körper allen Anforderungen an ihn trotzt. Immer wieder wurde ehrfürchtig betont, dass Angela Merkel angeblich nur vier Stunden pro Nacht schlafe. Auch der „5 AM Club“ wurde nicht zufällig zum Trend – das gleichnamige Selbsthilfebuch von Robin Sharma inspirierte Prominente wie Jennifer Aniston sowie unzählige junge Menschen auf TikTok dazu, jeden Morgen um 5 Uhr aufzustehen. In den Tag wird mit einer durchgetakteten Routine gestartet, zu der Tagebuchschreiben, Meditieren, Sport oder die ausgiebige Gesichtspflege gehören. Dass es schwierig ist, die optimale Schlafdauer von sieben bis neun Stunden zu erreichen, wenn man nicht extrem früh ins Bett geht, gerät dabei zugunsten der Produktivität ins Hintertreffen.
Normierung des Schlafs
Mittlerweile ist die Wichtigkeit des Schlafes jedoch in der Allgemeinheit angekommen, ja, sie wird geradezu zelebriert. Schlafmangel sei heute ähnlich verpönt wie das Rauchen, schreibt das Handelsblatt. Kein Wunder also, dass folgendes Zitat von der Schauspielerin Dakota Johnson unzählige Male in den sozialen Medien geteilt wurde: „Sleep is my number one priority in life.“ Wenn sie unter 10 Stunden schlafe, funktioniere sie nicht. Sie könne problemlos 14 Stunden schlafen. Dieser Hedonismus scheint bei vielen Menschen Anklang zu finden.
Die gehässigen Kommentare unter diesen Zitatkacheln – abnormal, verwöhnt, kinderlos, psychisch krank – sind allerdings auch ein Beweis für das, was Theresia Enzensberger über die Normierung des Schlafs schreibt: „Alle Abweichungen werden pathologisiert oder zumindest verurteilt. Wer zu lang oder am Nachmittag schläft, gilt als faul und dekadent; auszuschlafen ist ein unerhörter Luxus, den man sich erarbeiten muss“. Denn der Schlaf stellt laut Enzensberger ein Problem für den Kapitalismus dar: Einerseits ist er nötig, um die Menschen arbeitsfähig und produktiv zu machen. Denn nur wer ausgeschlafen ist, kann die maximale Leistung bei der Arbeit vollbringen. Andererseits ist er als Zeit, in der Menschen weder arbeiten noch konsumieren können, eine Zeitverschwendung. Langschläfer*innen entziehen sich der Leistungsgesellschaft.
Wer keinen handfesten Grund für eine durchwachte Nacht hat – eine Party, ein schreiendes Baby –, wird geradezu dazu gedrängt, seinen Schlaf zu optimieren. Für Paula war es „das Schlimmste“, wenn Menschen in ihrem Umfeld sagten, wie wichtig Schlaf doch sei. Nach einiger Zeit sei bei ihr eine Endzeitstimmung eingekehrt: „Ich dachte, ich werde daran sterben“.
Ein langfristiger Schlafmangel kann tatsächlich krank machen: Er schwächt nicht nur das Immunsystem, wodurch Infektionskrankheiten begünstigt werden. Dazu kommt ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselerkrankungen sowie für psychische Erkrankungen. Insbesondere Depressionen und Schlafstörungen bedingen einander: Menschen, die unter Insomnie leiden, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, an einer Depression zu erkranken. Gleichzeitig steigt für depressive Menschen das Risiko, eine Schlafstörung zu entwickeln.
Immer mehr Menschen leiden unter Schlafproblemen. Laut einer Studie der Barmer Krankenkasse erhöhte sich die Zahl der Menschen mit Schlafstörungen von 2012 bis 2022 um mehr als ein Drittel. 43 Prozent der Deutschen gibt an, im letzten Jahr unter Schlafproblemen gelitten zu haben, sieben Prozent der Bevölkerung wurde eine Insomnie diagnostiziert.
Eine Schlafstörung beschäftigt die Betroffenen nicht nur nachts, auch tagsüber ist sie ständig präsent. Paula erzählt, wie sie sich an den Tagen, die auf die durchwachten Nächte folgten, gefühlt hat: „Man hat superschwere Beine, jede Bewegung ist brutal anstrengend“. Dazu ein aufgeheizter Kopf und brennende Augen. Samantha Harvey schreibt, eine Nacht ohne Schlaf fühle sich an, als hätte sie jemand die ganze Nacht verprügelt.
Wenn man mit Schlafproblemen zum Arzt geht, sind Schlaftabletten häufig das erste Mittel der Wahl. Laut einer Schweizer Studie aus dem Jahr 2018 wurde weniger als ein Prozent der Patient*innen, die an einer chronischen Insomnie litten, mit einer kognitiven Verhaltenstherapie behandelt. 70 Prozent bekamen aber Medikamente verschrieben. Und das, obwohl eine speziell auf Schlafstörungen abgestimmte Verhaltenstherapie laut deutscher, europäischer und US-amerikanischer Leitlinie zur Behandlung von Schlafstörungen die erste Behandlungsoption ist. Medikamente werden erst empfohlen, wenn die Therapie nicht anschlägt, und das auch nur für eine begrenzte Zeit.
Paula ging bereits nach wenigen schlaflosen Nächten zu ihrer Hausärztin, die ihr Problem sehr ernst nahm. Sie wies sie an, ihre Schlafstörung zu beobachten und in ein paar Wochen wiederzukommen. Eine Therapie stellte sie eher als letzten Ausweg dar, den sie im Hinterkopf behalten solle, sollte es nicht von alleine besser werden. Sie reichte ihr eine Schlaftablette mit der Bemerkung: „Bitte bringen Sie sich nicht um“. Die Ärztin schrieb sie außerdem für zwei Wochen krank, was Paula aber ignorierte. Wegen der Schlaflosigkeit nicht zur Arbeit zu gehen, erschien ihr wie ein zu großes Zugeständnis an die Krankheit.
Weil sie nach der Warnung ihrer Ärztin verunsichert war, nahm sie erstmal nur die halbe Tablette, die allerdings keine Wirkung zeigte. Nachdem sie sich nochmal bei der Ärztin versichert hatte, dass sie an einer ganzen Tablette nicht sterben würde, probierte sie es nochmal. Sie beließ es allerdings bei dem einen Mal. Die Wirkung empfand sie als sehr unangenehm: „Man merkt, wie körperlich alles schwer wird, der Kopf bleibt aber wach.“ Sie schlief zwar ein, aber der Schlaf war wenig erholsam, und am nächsten Tag fühlte sie sich „matschig“.
Es sieht so aus: Immer mehr Menschen leiden unter Schlaflosigkeit. Anstatt den Ursachen auf den Grund zu gehen oder den Betroffenen wenigstens die Therapie zu verschreiben, die ihnen noch am ehesten helfen könnte, werden sie mit Tabletten ruhig gestellt, die höchstens oberflächlich die Symptome lindern können. Das hat wohl zum Teil denselben Grund, aus dem Tausende Menschen in Deutschland, die dringend eine Psychotherapie benötigen, keinen Therapieplatz bekommen: Es gibt zu wenig Kassensitze. Natürlich ist es da einfacher, Patient*innen mit Medikamenten abzufertigen.
Kommerzialisierung der Schlaflosigkeit
Paula brauchte also, wie viele chronisch Schlaflose, eine andere Lösung. Sie probierte alles: Sie hörte auf, Kaffee zu trinken, stellte ihre Ernährung um, aß weniger Zucker, sprühte ihr Kissen mit Lavendelspray ein und lernte Yoga. Die Yogaübungen entspannten sie zwar, aber schlafen konnte sie trotzdem nicht.
Die unter Schlaflosigkeit leidende taz-Kolumnistin Valerie Catil wehrt sich gegen Methoden der Bekämpfung ihrer Schlafstörung, bei denen sie dazu aufgefordert wird, Geld zu bezahlen oder ihre Daten herauszugeben: „Meine Schlafstörung gehört mir, und ich werde sie nicht auch noch kommerzialisieren lassen.“
Was Paula während ihrer Insomnie am meisten belastete, war das Gefühl eines Kontrollverlustes. Schlaf hat sehr viel mit Kontrolle zu tun. Er ist der Kontrollverlust schlechthin: Er tritt erst dadurch ein, dass wir loslassen. Im Schlaf verlieren wir die Kontrolle über unseren Körper, müssen darauf vertrauen, dass uns niemand im Schlaf angreift und wir wieder aufwachen werden. Trotzdem haben wir normalerweise zumindest ungefähr einen Einfluss darauf, wann und wie lange wir schlafen. Menschen mit Insomnie haben das nicht: „Das verselbstständigt sich dann“, sagt Paula. Das Einschlafen wird von einer natürlichen Handlung zu einem „Akt schwarzer Magie“, wie Samantha Harvey es beschreibt. Paulas Schlaflosigkeit hing mit einem generellen Stress und der Überforderung durch Uni und die Arbeit zusammen. Sie war es gewohnt, „alles managen“ zu können. Vielleicht hat das Gefühl, im Alltag alles unter Kontrolle haben zu müssen, dazu geführt, dass sie es auch nachts nicht mehr schaffte, die Kontrolle abzugeben.
Gadgets wie Gewichtsdecken können einem ein Gefühl der Kontrolle geben, das Gefühl, dass man aktiv etwas tut, was einem dabei hilft zu schlafen. Man muss sich allerdings bewusst sein, dass es keine wissenschaftlichen Studien zu ihrem Nutzen bei ernsthaften Schlafstörungen gibt. Und übertreiben sollte man es mit der Optimierung des Schlafes auch nicht. Für die Besessenheit mit dem Erreichen eines optimalen Schlafs gibt es nämlich sogar einen Namen: Orthosomnie, abgeleitet von „Insomnie“ und „Orthorexie“ – der zwanghaften Beschäftigung mit gesunder Ernährung. Dazu gehört beispielsweise das übermäßige Tracken des Schlafs. Ironischerweise führt dieses Überwachen durch ein erhöhtes Maß an Stress zu einer schlechteren Schlafqualität. Der Podcast Über Schlafen vom Deutschlandfunk endet jedes Mal mit der Phrase „Schlaft gut – aber stresst euch nicht“: ein Hinweis darauf, dass es dem Schlaf nicht besonders zuträglich ist, wenn man sich zu ausführlich mit ihm beschäftigt.
Paulas Schlaf stabilisierte sich langsam, als sie eine Verhaltenstherapie begann. Die Therapie gab ihr das Gefühl, dass sie die Ängste, die mit der Schlaflosigkeit zusammenhingen und die dann wieder zur Schlaflosigkeit führten, selbst regulieren konnte. Sie bekam ein Gefühl von Selbstwirksamkeit und die Perspektive, dass es ihr wieder besser gehen könne. Mittlerweile schläft sie wieder gut. Sie weiß, dass es immer mal wieder Zeiten geben wird, in denen sie schlechter schlafen wird. Aber jetzt weiß sie auch, dass diese Phasen wieder enden werden.
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