Angekündigt hatte das Berliner Ensemble für den Freitag-Abend eine „einmalige Veranstaltung“ mit dem italienischen Literaturnobelpreisträger Dario Fo und seiner Ehefrau, der Theaterautorin und Politikerin Franca Rame. Die soeben im Rotbuch-Verlag erschienene Autobiographie Rames „Ein Leben aus dem Stegreif“ sowie die bereits 2008 erschienene Biographie Dario Fos („Die Welt, wie ich sie sehe“) sollten Anlass geben zum Gespräch mit Claus Peymann. So weit, so vielversprechend. Doch es kam alles anders.
Im Vorfeld der Veranstaltung herrscht nervöse Unruhe, viele Italiener sind gekommen. Um die Hegemann-Debatte schert sich an diesem Abend keiner, Dario Fo ist mit seinen 83 Jahren längst etabliert im internationalen Literatur- und Theaterbetrieb. Seit den Fünfzigern hat er sich als Theaterautor, Schauspieler und Regisseur ebenso einen Namen gemacht wie als Berlusconi-Kritiker, nicht selten sind seine provokanten Stücke der Zensur zum Opfer gefallen. Fos Erfolg ist nicht zuletzt der sehr engen Zusammenarbeit mit Franca Rame geschuldet, die an all seinen Texten mitwirkte.
Als deutsche Stimmen des italienischen Ehepaares lässt man im BE zunächst zwei Schauspieler auf die ansonsten leere Bühne treten. Sie liest aus Rames Buch, er aus Fos – und schnell wird das Spannungsfeld des Abends deutlich: Beide Textauszüge beziehen sich auf die gleiche Situation, den Heiratsantrag Fos an Rame, unterscheiden sich jedoch wesentlich voneinander. Das Publikum lacht und erkennt: Auch Autobiographien sind Fiktion, zwangsläufig.
Moment mal, da fehlt doch jemand!
Als die eigentlichen Protagonisten des Abends auf die Bühne treten, trübt sich die Stimmung trotz großem Jubel um Dario Fo schnell. Franca Rame sei kurzfristig erkrankt, kündigt Claus Peymann an, und er stellt eine rote Rose auf ihren Stuhl, der den ganzen Abend über leer bleiben wird. Das kann man durchaus makaber finden. Peymann gesteht seine Nervosität ein, alles Weitere scheint improvisiert, das geplante Programm mit der Absage der Theaterautorin über den Haufen geworfen.
Doch Dario Fo wäre nicht Dario Fo, wenn es ihm nicht gelänge, die folgenden zwei Stunden aus dem Stegreif zu füllen. Aus dem angekündigten Gespräch mit Peymann wird eine One-Man-Show: Der 83-Jährige (!) könnte temperamentvoller nicht sein, er gestikuliert wie wild, singt, tanzt und berichtet von den Ursprüngen seines Theaters, das auf der italienschen Commedia dell’arte basiert, bei der Improvisation eine wesentliche Rolle spielt. Peymann versucht mehrmals, Fo zu bremsen und die Schauspieler wieder auf die Bühne zu holen, denn schließlich war das Ganze ja auch als Buchpremiere gedacht. Doch das Publikum buht, Fo soll weitererzählen, Peymann sitzenbleiben.
Einziger Wermutstropfen: Sicherlich nicht jeder im Saal ist des Italienischen mächtig und im Fall des Energiebündels Fo ist die Rolle des Simultanübersetzers eine sehr, sehr undankbare. Der Übersetzer wirkt fast schüchtern, kommt kaum hinterher und kann nur schwer Klangeffekte oder Witz des Italieners ins Deutsche retten.
Franca Rame – eine Frau im Schatten ihres Mannes?
Zwei kurze Stücke dürfen die Schauspieler dann doch noch lesen, darunter ein beeindruckender Brief Franca Rames, in dem sie wegen katastrophaler Zustände im italienischen Parlament ihren Rücktritt ankündigt. Auch von Seiten Fos fehlt es nicht an Spitzen gegen die Zustände in Italien und gegen Berlusconi – zum großen Amüsement des Publikums.
Für den Rotbuch-Verlag mag man dennoch hoffen, dass die beiden Bücher angesichts der Bühnenpräsenz Dario Fos nicht allzu sehr in den Hintergrund gerückt sind. Und dass nun auch Franca Rames eigenständiger Biographie – trotz ihrer Abwesenheit – die Aufmerksamkeit zuteil wird, die sie verdient.
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Klingt nach einem fulminanten Abend -- da wär ich gern dabei gewesen!