Dekorativ, farbenfroh, leicht eingestaubt, muss ich zugeben – wie ein schönes Gemälde – stand „Ein Mann der Kunst“ in meinem Bücherregal. Wer wie ich ein Buchnerd ist, kennt dieses Phänomen, dass man immer mehr Bücher in den Buchhandlungen kauft, als man eigentlich Zeit zum Lesen hat. In einem Interview sagt der Autor Kristof Magnusson: „Die Kunst funktioniert nicht, wenn sie nicht wahrgenommen wird.“ Also habe ich dieses herrlich satirische Buch entstaubt, aufgeschlagen und endlich wahrgenommen!
KD Pratz ist einer der größten Künstler in der deutschen Kunstszene. Seine Person und Werke wurden im Feuilleton, Boulevard, Fernsehen usw. viel besprochen. Er ist der Inbegriff der modernen Kunst. Jedoch lebt er seit über 20 Jahren zurückgezogen auf seiner Burg in Rheingau und empfängt eigentlich niemanden.
Als sich die Pläne für einen Neubau des Kunstmuseums Wendevogel in Frankfurt am Main deutlich abzeichnen, plädiert Ingeborg, die Vorsitzende des Fördervereins, dafür, dass das neue Gebäude ihrem absoluten Lieblingskünstlers KD Pratz gewidmet werden solle. Doch als die potentiellen Geldgeber*innen endlich alle an einem Tisch versammelt sind, schickt sie ihren Sohn, den Architekten Constantin Marx, zur Sitzung. Aus seiner Perspektive erzählt Magnusson diese humorvolle Geschichte und macht den Protagonisten dadurch zum scharfsinnigen Beobachter aller Figuren.
Ich konnte es immer noch nicht glauben. Die Aussicht auf ein eigenes Museum, nur für seine Werke, hatte offenbar selbst einen so radikalen Einsiedler wie KD Pratz dazu bewegt, seine Isolation für zwei Tage aufzugeben.
Skurrile Kunstfans treffen auf nörgelndes Künstleridol
Bevor die finanzielle Lage des Neubaus endgültig geklärt werden kann, sollen die Mitglieder des Fördervereins dem Künstler auf der Burg Ernsteck begegnen. Mit einem Reisebus und einer Handvoll Goethe-Zitate machen sich diese Kunstfans zusammen mit dem Museumsdirektor auf den Weg. Vom Kleidungsstil bis zu ihrem Verhalten wirken diese Personen durch die Augen des Protagonisten skurril und zaubern ein Schmunzeln auf die Lippen der Leser*innen. Besonders wenn man in der Kunst-und Kulturszene häufig unterwegs ist, kennt man den ein oder anderen Typ.
Die Menschen von heute sind doch nur noch Fragemente. Halbe Fußnoten.
Der Einsiedler KD Pratz nörgelt hingegen ständig und hat eine Früher-war-alles-besser-Einstellung. Seine kulturpessimistischen Äußerungen sorgen für Spannungen mit den Mitgliedern des Fördervereins und führen zu Problemen.
Ein scharfzüngiges Lese-und Hörvergnügen
Kristof Magnusson schafft es hervorragend die genauen Beschreibungen und Beobachtungen mit den rasanten Dialogen zu verknüpfen, sodass ein gesellschaftskritisches Kunstwerk entsteht. Beeindruckend ist der Schlagabtausch zwischen dem Künstleridol KD Pratz und Ingeborg, der Verehrerin seiner Kunst.
Wer nicht nur den satirischen Erzählton des Autors lesen will, kann ihn auch hören. Der Schauspieler Devid Stresenow liest besonders scharfzüngig und transportiert geschickt die einzigartige Atmosphäre des Romans mit seiner sonoren Stimme.
Kristof Magnusson: Ein Mann der Kunst, Verlag Antje Kunstmann 2020.
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