„Wie gut, dass wir darüber geredet haben“, das Comic-Debüt der Illustratorin Julia Bernhard, ist eine amüsante Sammlung von kurzen Momentaufnehmen – lakonisch erzählte, bissige Dialoge mit der überbesorgten Oma, individualistischen Dates, elitären Kunststudenten oder einem kackenden Mops.
„Gesellschaft ist toll, wenn nur all die Leute nicht wären.“ – Peter Licht, Das Ende der Beschwerde
Das vorangestellte Motto fasst gut zusammen, worum es in Julia Bernhards Debüt geht: „all die Leute“ setzen der namenlosen Protagonistin und Illustrationsstudentin („Frollein“ genannt) ganz schön zu…
Der Comic liefert eine lose Sammlung von kurzen Moment- und Bestandsaufnahmen. Lakonisch erzählte Episoden, alltägliche und aberwitzige Anekdoten aus einem chaotischen Leben und am Ende sitzt das Frollein immer allein auf ihrem Sofa, bis sie schließlich hineinkriecht und eins wird mit diesem besten Begleiter unter den Einrichtungsgegenständen. – Eine Hymne des Schlendrians und der gescheiterten Kommunikation, über die gnadenlosen Kommentator*innen eines Lebens und einen noch gnadenloseren diarrhöischen Mops.
Eigentlich sucht man doch nur jemanden, der nicht aus Mitleid weint, wenn man sich vor ihm auszieht.
Vom ganz alltäglichen Wahnsinn
Julia Bernhard erzählt aus einem Leben, in dem es Allerlei gibt, womit sich eine (Single-) Frau, eine Almostthirty so herumschlagen muss: Mit einer Oma, die wissen will, wann es mit der Familiengründung endlich losgeht („Die Eier werden ja auch nicht frischer.“) und wann das „unsägliche Rumstudieren“ ein Ende hat, mit einer Liebhaberin, die auf keinen Fall Gefühle oder Monogamie will („Emotionale Bindung behindert mich total in meiner Entwicklung. So als Individuum, verstehste?“) oder mit der besten Freundin mit Beziehungsproblemen („Der ist eher wie so ein Tamagotchi, das ich dreimal täglich füttern muss, weil es sonst stirbt. Ohne mich würde er nackt und frierend in die Fetzen seiner ungebügelten Hemden eingerollt wie ein elender Burrito auf dem Badezimmerboden verenden.“). Und nicht zuletzt berichtet sie von mehr oder weniger liebevollen (Selbst-) Gesprächen mit ihrem Hund oder der siechenden Zimmerpflanze („Was kannst du eigentlich? Willst du mich nicht gießen? Oder lüften? Riecht wie im Pumakäfig hier drin. Fühlst du dich so wohl?“) oder dem fiesen, unberechenbaren Toaster („Ja, Schnecki. Heul noch ein bisschen und bemitleide dich selbst.“).
Erzählt wird mitten aus dem Leben von Gesprächen, die man lieber vermeiden würde. Von elitären Entgleisungen und Prokrastination in der Kreativbranche („Ich dachte an Senf. Große Mengen Senf auf nackten Körpern als Versinnbildlichung des archaischen Schmerzes, der den Menschen ereilt, sobald er nach der Geburt die Erkenntnis erlangt, in was für eine grausame Welt er geworfen wurde.“) oder der Abfuhr bei einem Date („Ja. Sag ich doch. Keine Beziehung. Und deswegen mache ich jetzt auch nicht mit dir Schluss, sondern informiere dich nur darüber, dass es eben final nicht für eine Beziehung reicht.“).
Daten ist wie Wahlkampf. Da erzählt man halt, was der andere hören will.
Sei ich!
Die Besonderheit: Die Lesenden nehmen tatsächlich exakt die Perspektive der Protagonistin ein, so sieht man vom Frollein nur ihre Hände vor sich und manchmal eine Zigarette aus dem Augenwinkel.
Die Autorin kleidet ihre schrillen Szenerien in comichafte Einfachheit und lachsfarbene Pastelltöne. Gnadenlos ehrliche Figuren treffen in spritzigen bis skurril-zynischen Dialogen aufeinander, wobei sich der Text vollkommen auf die Gespräche beschränkt. Es werden keinerlei Kommentare oder erklärende Textboxen geliefert, sondern die Leser*innen werden einfach hineingeworfen in diese puren Momentaufnahmen.
Deutlich wird, dass auch eine super moderne, hippe, aufgeklärte Gesellschaft sich noch größtenteils mit denselben Problemen konfrontiert sieht wie seit jeher. Dem Scheitern von Kommunikation und Konvention, den Enttäuschungen des wahren Lebens und dennoch ganz viel Hoffnung. Gezeigt wird eine Protagonistin, die noch mit sich ringt im Spiel des Gefallenwollens und es anderen Rechtmachens – eine moderne Frau, single, bi, poly, die entlarvt, wie viel Spießertum doch noch in dieser zeitgemäßen, urbanen Community stecken kann.
Fast 30 und Single zu sein ist wie der Dino zu sein, der nicht auf die Arche gelassen wird, weil er der letzte seiner Art ist und er außerdem stinkt, ein bisschen schielt und alle ihn verachten!
Am Ende bleibt über das Leben nur noch zu sagen: „Eat. Shit. Die.“
Großartig. Saukomisch. Schonungslos.
Text & Zeichnung von Julia Bernhard, geboren 1992, freischaffende Comiczeichnerin und Illustratorin in Mainz. „Wie gut, dass wir darüber geredet haben“ ist ihr Debüt, 96 Seiten, Avant Verlag August 2019.
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