Polygamie, Vertrauensbrüche, Einsamkeit und Wölfe in Brandenburg – darum geht es in Sophia Hembecks Graphic Novels This Feeling of Emptiness. Like Shopping for Groceries and Forgetting to Bring the Pfandflaschen und Januar.
Das Herz ist (k)ein Pfandflaschenautomat
Könnte ich einen Preis für den besten Buchtitel verleihen, wäre This Feeling of Emptiness. Like Shopping for Groceries and Forgetting to Bring the Pfandflaschen von Sophia Hembeck absolut unter den Favoriten. Was sich erst nach First World Problems eines Millenials anhört, ist aber eine Graphic Novel einer gescheiterten Beziehung. Doch was haben Pfandflaschen mit der Liebe gemeinsam?
In einem Interview erklärt Hembeck ihre Pfandflaschen-Metapher so:
„Man holt sich etwas auf Pfand und dann muss man es zurückgeben. Mit der Liebe ist es ähnlich: Man verliebt sich und wenn Schluss ist, muss man die Liebe, die Beziehung, eben auch zurückgeben.“
Sophia Hembeck beschreibt einfach aber treffsicher, wie eine Beziehung langsam in die Brüche geht und mit ihr der (falsche?) Glaube an die eigenen Grundsätze. Denn natürlich würde man sofort Schluss machen, wenn der Partner fremdgeht, weil so ein Vertrauensbruch nicht wieder gut zu machen ist. Doch was ist, wenn das Vertrauen weg ist, aber die Liebe noch bleiben will? Wie kann man verzeihen, ohne Angst vor erneuter Enttäuschung haben? Und will man nicht sogar auch mit anderen Menschen Sex haben?
„Your dick was great, but your heart is not.“
This feeling of emptiness stellt nicht nur die Beziehung in Frage, sondern auch unser Konzept von monogamer Liebe.
„Wenn du eine offene Beziehung haben willst, wieso hast du es nicht einfach nach dem ersten Betrug gesagt? Wieso hast du gesagt es sei ein Fehler? Wenn du auf einmal poly bist, wieso hast du nichts gesagt, als ich meinte, dass ich jemand anderes auch toll finde?“
In einer polygamen Beziehung geht es aber nicht nur um die eigene Freiheit, sondern genauso um die Bereitschaft, dem anderen dieselbe sexuelle Freiheit einzuräumen. Doch dafür müsste man seinen Egoismus und die eigene Eifersucht kontrollieren.
This Feeling of Emptiness ist eine Graphic Novel, die perfekt beschreibt, wie gefangen unsere Generation ist, die sich irgendwo zwischen dem Ideal einer treuen Beziehung und dem Wunsch sexueller Freizügigkeit bewegt.
Sophie, do you copy?
In ihrer zweiten Graphic Novel Januar geht es zwar nicht um Ex-Beziehungen, sondern um ein anderes wichtiges Thema unserer Zeit: Einsamkeit.
Im Film sieht Einsamkeit interessant aus. Die langen traurigen Momente werden mit kurzen Schnitten zusammen gefügt. Die große Weite, ein verzweifeltes Lachen, ein Kopf auf Gras, Tränen, die über die Wangen laufen, ein Schreien: Ich bin so einsam.
Es gibt ein paar Tage im Jahr, an denen sich Alleine sein besonders unschön anfühlt.
Dazu gehört definitiv Silvester. Die meisten hassen es und verstehen nicht so ganz, warum sie das Ende des Jahres feiern müssen. Trotzdem hält es sie nicht ab, jedes Mal mit engen und nicht ganz so engen Freunden, wieder das Raclette rauszuholen und schreckliche Gesellschaftsspiele zu spielen.
Anders die Protagonistin in Januar. Sie zieht die selbst gewählte Einsamkeit dem lauten und besonders an Silvester anstrengendem Berlin vor und verschwindet ins Dunkelste-Ort-von-Deutschland-Gebiet, dem Havelland. Irgendwo in Brandenburg, wo sich Wölfe mittlerweile wieder heimisch fühlen.
„Wer auf dieser Welt verbringt eigentlich absichtlich Silvester alleine?“
An allen anderen 364 Tagen im Jahr ist es doch auch kein Problem alleine zu sein. Warum muss ich heute alles zur Bilanz stellen?
Doch was so toll nach Selbstfindung und Besinnlichkeit in Hollywood-Filmen wie Wild aussieht, wird in Realität schnell zu Selbstmitleid und dem schlimmsten Silvester aller Zeiten. Denn der Mensch ist ein Rudeltier und braucht leider andere Menschen, egal wie sehr sie ihn abnerven und auch wenn das bedeutet, alleine mit ausschließlich Pärchen Silvester verbringen zu müssen. Lieber für fünf Minuten so tun, als würde einem das Liebesglück der Anderen nicht ankotzen, anstatt irgendwo im Nirgendwo verheult auf das Handydisplay starren und sich die Insta-Stories von verschwommen Feuerwerken geben.
Ist das schon diese Quarterlife Crisis?
Bei beiden Graphic Novels fühlt man sich manchmal selbst so ertappt, dass es ein bisschen unangenehm wird und man trotzdem wieder von vorne anfängt zu lesen. Sophia Hembeck trifft in den kurzen Textabschnitten – immer mit genug Selbstironie – nicht nur den Ton, sondern auch die Sprache vieler Mittzwanziger, die versuchen, ihren Platz im Leben zu finden. Die schönen und sehr unterschiedlichen Illustrationen von Julia Feller und Patricia Tarczynski passen außerdem perfekt zu den einzelnen Geschichten.
Sophia Hembeck (Illustrationen von Julia Feller), This Feeling of Emptiness. Like Shopping for Groceries and Forgetting to Bring the Pfandflaschen. 12 Euro Sophia Hembeck (Illustrationen von Patricia Tarczynski, Januar, 15 Euro
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