Deutscher Vormärz, 1848. Die ersten Demokraten bilden – noch bevor es Parteien gab – Fraktionen. Es muss ein Name her und was eint mehr als die Lieblingskneipe, in der man sich mit politisch Gleichgesinnten nachts besinnungslos besoffen hat? Hinter klingenden Namen wie Donnersberg, Westendhall und Augsburger Hof verbarg sich das breite politische Spektrum der ersten deutschen Revolution.
2017. Zur Quelle. Eine Kneipe in Moabit – die Art an der man normalerweise vorbeigeht auf der Suche nach der nächsten Gin Tonic Bar. Hier wird noch allein an der Theke gechillt und ins Bier gestarrt. Die Musik variiert von feuchtfröhlichem Schlager bis zu guten altem Rock ’n‘ Roll. In dieser Hochburg von Zigarettenqualm, kaputten Spielautomaten und grölenden Mittvierzigern am Billardtisch trifft sich regelmäßig die ZurQuelle-Redakion. Nun sitzen hier die Zaubernden hinter dem preisgekrönten Studierendenmagazin: Anne, Robert und Patrick.
Wie seid Ihr auf die Idee gekommen ein Studierendenmagazin zu gründen?
Robert: Die Idee hatte ich, weil ich vorher noch nie veröffentlicht worden war und ich aber wie ein junger Gott schreibe. Ich habe ein paar Freunde gefragt, am Ende waren wir sieben, acht Leute und haben das dann zusammen gestartet.
Anne: zQ ist aber nicht nur Roberts Eitelkeitsprojekt. Man muss dazu auch sagen, dass er davor im AStA war und dort das Gefühl hatte, nur im kleinen Rahmen etwas bewegen zu können. So also die Idee eines universitätsübergreifenden Magazins. zQ richtet sich an Studierende, aber nicht nur. Sondern auch an all diejenigen, die sich gerne mit gesellschaftsrelevanten Themen beschäftigen – hübsch und klug aufbereitet in schönster ZurQuelle-Manier.
Ihr habt vor drei Jahren an der Uni Potsdam angefangen und seid mittlerweile an jeder Uni in Berlin und Brandenburg vertreten. Wie seid ihr die Sache angegangen? Hattet ihr schon irgendwelche Vorkenntnisse?
Robert: Nee, gar nicht. Das war alles Learning-by-doing. Wenn man sich die erste Ausgabe heute anguckt, ist das ein Haufen wunderschöner Müll. Die Texte sind unredigiert, voller Rechtschreibfehler oder einfach nicht gut – außer meine Texte. Im Vergleich zu aktuellen Ausgaben, ist das einfach nicht cool. In der jetzigen Ausgabe haben wir groß angekündigt, dass wir erwachsen geworden sind. Das ist nämlich die erste Ausgabe, für die wir Geld nehmen, für die wir ein richtiges Distributionsnetzwerk aufbauen und eine Rechtsform gegründet haben. Muss man auch mal überlegen: Früher waren wir Müll, heute nehmen wir 3,40 €.
Patrick: Erwachsen werden heißt halt leider auch keine Pimmelwitze mehr. Schade.
Anne: Als ob wir keine Pimmelwitze mehr machen werden. Bleib easy.
Wann habt ihr euch kennengelernt und wie teilt sich euer Team auf?
Robert: zQ war von Anfang an als offenes Projekt gedacht. Jeder, der Lust hatte, sollte mitmachen können. Und auch Verantwortung übernehmen. Und Lust auf ein Bier und ein bisschen Knutschen mit dem Chefredakteur haben. Vor anderthalb Jahren kam erst Anne dazu und hat sofort 1000 Aufgaben übernommen und das super gemacht. Sie macht die Anzeigenakquise. Später kam dann Patrick hinzu. und das ist dann einfach gewachsen.
Anne: Patrick macht jetzt den Vertrieb, Robert ist größtenteils für Online, Print und Inhalt, Redigat und das alles zuständig.
Patrick: Alle machen so ein bisschen alles bei uns. Da wird hier mal ein Onlineshop gemacht – Das ist von der Startphilospophie von der zQ übergeblieben: Es weiß keiner nichts und alle müssen sich was beibringen. Gemeinsam sind wir alle erst dumm und dann tun wir so, als ob wir klug sind.
Wenn ihr sagt, es kann bei euch jeder mitmachen, wie wählt ihr dann eure Themenschwerpunkte aus?
Robert: Wir haben vor einem Jahr innerhalb der Gruppe abgestimmt, welche Themen wir in den nächsten anderthalb Jahren bearbeiten wollen. Wir sitzen dann hier [in der Kneipe Zur Quelle] in der Redaktionssitzung und konzipieren gemeinsam das nächste Magazin. Jeder schlägt dann noch Themen vor und wir schauen, was passt.
Was unterscheidet zQ von anderen Studierdendenmagazinen?
Patrick: Der große Unterschied ist die Art und Weise wie das Magazin konzipiert ist. Viele Studierendenmagazine sind als der Uniatlas für die jeweilige Uni gedacht – was ist in der Uni, im AStA los, pipapo. Wir stellen nicht die Uni, sondern die Leute, die gerade studieren, in den Vordergrund. Und das Andere ist die Art und Weise wie wir mit den Leuten umgehen wollen. Es soll nicht so sein, als ob dir von oben jemand Weisheiten auftischt, sondern eher so wie ein guter Kumpel, der etwas erzählt was schlau, lustig und im besten Fall halt beides sein kann.
Robert: Außerdem versuchen wir diese Selbstironie und den Humor als Möglichkeit zu nutzen, einen Anknüpfungspunkt zu den Leuten zu finden. Die Wenigsten haben Lust auf Genderdiskurse und AfD-Bashing. Weil wir das alles aber fröhlich und albern verpacken, kommen sie trotzdem – sie merken praktisch gar nicht, dass wir ihnen Klugheit in den Kopf pflanzen.
Patrick: Wenn du mit den Leuten nicht lachen kannst, kannst du mit ihnen auch nicht denken.
Anne: Unsere Gestaltung ist zudem auch noch unglaublich schön. Das Format ist ungewöhnlich, es ist nicht das gewohnte A4, sondern ein handliches A5-Heft. Wir spielen damit, kleine kurze Texte dazwischenzusetzen, die auf den Punkt gebracht einen Aspekt beleuchten. Außerdem versuchen wir, das Oberthema der Ausgabe durchzuziehen: In unserer Fake-Ausgabe haben wir falsche Anzeigen ins Heft gesetzt.
Robert: Außerdem wollen wir die Studierenden aus der Zwickmühle herausholen, als Bindeglied dieses neoliberalistischen Systems zu funktionieren. Wir geben jetzt keine Berufseinstiegstipps. Wir sagen, wenn du dein Studium abbrechen willst – mach das. Wenn du lieber trinken willst – mach das. Es ist eigentlich alles cooler, als sich in das feste Korsett einfügen zu müssen, wo am Ende nur noch die Arbeit im Mittelpunkt steht und die Freude einfach komplett hinten runter fällt.
Anne: Wir haben mit Berlin außerdem auch noch eine Sonderstellung. Hier gibt es viele Unis und aus jeder haben wir Leute in der Redaktion. Es ist ein großes Team, das sich sonst nie getroffen hätte.
Wer sind eure Vorbilder?
Anne: Ich lese gerade viele alte Ausgaben vom Dummy Magazin und die Artikel könnten dennoch von heute sein. Es sind wichtige Themen und sie sind unterhaltend. Wir versuchen auch jede Ausgabe so zu schreiben, dass es länger gültig ist, als die drei Monate, die das Heft dann erschienen ist.
Robert: Es ist auch nicht lokal – es geht ja um gesellschaftspolitische Themen, die alle angehen. Auch wenn wir um eine gewisse Urbanität natürlich gar nicht herumkommen. In großen Städten gibt es nun mal die schmutzigsten Eckkneipen.
Anne: Wir wollen eine Mischung aus Dummy, ZeitCampus und Vice sein.
Robert: Und der Wendy.
Was war denn bisher eure größte Herausforderung?
Anne: Ich weiß gar nicht, ob es nur eine gibt. Auf jeden Fall Zeit und Geld. Wir müssen erfinderisch sein und das funktioniert auch gut. Aber da geht auf jeden Fall noch was.
Robert: Unsere größte Herausforderung war 2014. Wir hatten uns innerhalb der Redaktion zerstritten über der Frage, wie wir mit Werbung umgehen. Die Redaktion hat sich geteilt, die Hälfte ist abgesprungen. Das war hart, weil das zum größten Teil die Leute waren, die von Anfang an dabei gewesen waren. Dafür konnten wir dann etwas Neues ausprobieren. Mit der ersten Ausgabe ohne all die alten Leute haben wir dann den Award als bestes deutsches Studierendenmagazin gewonnen. Das wäre so vorher nicht möglich gewesen.
Patrick: Es gibt kein abgeschlossenes Stadium, in dem man sagen kann, jetzt haben wir es geschafft. Sondern es entwickelt sich ständig weiter. Während man auf die eine Sache noch mit Sekt anstößt, kommen gleich zwei neue. Das ist aber auch das Geile dabei.
Wie kriegt ihr das zeitlich hin?
Robert: Wir arbeiten und studieren alle. Aber weder in der Arbeit noch im Studium erfährt man so viel Genugtuung, bekommt so viel zurück. Es ist zwar sehr viel Arbeit und man will auch mal alles hinschmeißen, aber am Ende ist das so ein geiles Projekt, dass es sich nicht wirklich wie Arbeit anfühlt.
Anne: Es gibt Sachen, die sich auszahlen. Man hat etwas Eigenes gemacht, was man auf der Arbeit nicht hat – man arbeitet halt immer für jemanden. Und im Studium hast du eigentlich nie was Praktisches. Wir reden über ganz viele Sachen, aber wer liest letztendlich meine Hausarbeit? Mein Dozent und dann passiert nichts damit.
Patrick: Gleichzeitig ist auch die Arbeitsart und -weise an sich ein Antrieb. Die Arbeit ist so variantenreich und deswegen bleibt es auch spannend. Nach und nach hast du das Gefühl, du kennst dich in echt vielen Bereichen aus. Wo du dich am Anfang geschämt hast, weil du zu blöd bist, freust du dich am Ende, dass du das geschafft hast. Es fühlt sich wie ein Problem an, das man mit Freunden löst. Du baust ein Palettenbett, hast deine drei besten Freunde da und trinkst dabei ein Bier. Nerviger Sonntag, aber am Ende hast du ein Palettenbett und ein Bier getrunken.
Was ist euer Lieblingsthema?
Robert: Tiere. Loona. David Hasselhoff. Arnold Schwarzenegger. [schweigt] Politik. Gesellschaft. Kultur. In der nächsten Ausgabe geht es um Power, mein Artikel behandelt die Vertreibung der süßen roten Eichhörnchen durch die fetten Grauhörnchen aus Amerika. Das ist hochpolitisch!
Patrick: Ich finds ganz schön, wenn es einen psychologischen Aspekt gibt. Wo man nachdenken muss und sein eigenes Gedankenkonstrukt in Frage stellen muss.
Anne: Ich mag alles was mit Essen, Literatur, Filmen und Serien zu tun hat. Wenn sich das verbinden lässt – umso besser. In dieser Ausgabe habe ich etwas über Hunter S. Thompson geschrieben. Er säuft und schreibt – das passt.
Es sind Semesterferien. Wo bekommt man euch jetzt?
Patrick: Zum Beispiel hier [in der Zur Quelle].
Robert: Am easysten bei uns im Online-Shop. Innerhalb Deutschlands schicken wir das Heft versandkostenfrei zu. In der Vorlesungszeit sind wir auch an den Unis unterwegs.
Anne: Es gibt auch schon Buchläden, in denen unser Magazin gekauft werden kann – vor allem in der Nähe der Unis. In Griebnitzsee sind wir zum Beispiel im Unibuchladen.
Patrick: Sonst gibt es auch Events, die wir häufiger machen – Pubquizzes, Partys.
Und zuletzt: Welches war euer liebstes ZurQuelle-Tier?
Anne: Der Hummer. Das Türkis und Orangerot fand ich eine sehr schöne Farbkombination. Aber der Babyhund war auch super süß. Aber auch die Delfine, die Qualle. [zustimmendes Gemurmel]
Patrick: Ganz klar die Hyäne. Das war die erste zQ, die ich in der Hand hatte, und dann sind meine Augen aufgegangen und Sterne an mir vorbeigeflogen und ich habe so tolle Leute kennengelernt, dass für mich die Hyäne jetzt das Tier des Glücks ist, auch wenn sie sehr hässlich ist. So wie ihr.
Wie liebreizend. Vielen Dank für das Gespräch!
- Im Gespräch mit ZurQuelle - 6. März 2017