Bücher kann man nicht nur in Buchhandlungen, Antiquariaten oder im Internet kaufen, sondern auch im Supermarkt. Was ist vom Bücher-Shopping mit großem Einkaufswagen zu halten? Ist ein Supermarkt wirklich ein Ort, an dem Bücher verkauft werden sollten? Und wenn ja, welche? Eine Überlegung.
Neulich stand ich in der Filiale eines Drogeriemarkts in der Schlange. Sie war ziemlich lang und ich ziemlich genervt, also ließ ich gelangweilt meine Blicke schweifen. In Kassennähe zwischen Fotoecke und Lutschbonbons stach er mir plötzlich ins Auge: der Bücherständer. Nicht, dass ich ihn noch nie zur Kenntnis genommen hätte, aber bisher habe ich ihn einfach ignoriert. Meine Bücher kaufe ich in der Buchhandlung. Aufgrund meiner Langeweile und der nicht kürzer werden wollenden Schlange bleiben meine Blicke und Gedanken an jenem Tage aber an dem Bücherständer hängen. Was wird denn da eigentlich zum Verkauf angeboten? Hera Lindt neben Nora Roberts neben Dan Brown neben… Zum Glück rückt die Schlange jetzt doch weiter vor und ich verliere den Bücherständer aus dem Blickfeld.
Seitdem verfolgt mich aber der Gedanke: Warum verkauft man Bücher in einer Drogerie? Und warum gerade solche Bücher?
Noch schlimmer ist es, als ich die Buchecke in einem großen Supermarkt entdecke. Was liegen da für Bücher? Die üblichen Verdächtigen: die Spannenden (vertreten durch Dan Brown und Jo Nesbø), die Historischen (Tanja Kinkel und Iny Lorentz), die Kitschigen (Nicholas Sparks, Cecilia Ahern), die Promis (Charlotte Roche, Philip Lahm), die Lustigen (Ralf Schmitz, Gaby Köster). Darüber hinaus: diverse Kochbücher, der Geschlechter-Versteher „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“ und ein Buch mit einem Schaf auf dem Cover und dem Titel „Heilige Scheiße“. Das denke ich allerdings auch. Daneben ein Wühltisch mit dem „Großen Rätselblock“, dem „Jumbo Sudoku“ und einem Liebesromane-Sammelband, auf dessen Cover eine Frau mit Achtziger-Jahre-Frisur im Kerzenschein zu sehen ist. Als ich dazwischen den Buchpreis-Gewinner „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ von Eugen Ruge entdecke, bin ich fast schon schockiert. Der passt hier irgendwie nicht hin.
Warum wird denn ansonsten nur so ein Zeugs hier angeboten? Es ist doch eigentlich schön, dass man heute überall Bücher bekommen kann. Ich finde, dass Lesen unbedingt gefördert werden soll, gerade unter Menschen, die sonst nicht so oft in Buchhandlungen gehen. Auch gefällt mir die Botschaft: Bücher gehören zum Leben dazu. Da kann man sie ruhig auch zusammen mit anderen Dingen des alltäglichen Lebens kaufen. Andersrum ist es ja genauso: In vielen Buchhandlungen werden immer mehr Non-Book-Artikel verkauft. (Die Auswahl dort ist übrigens ähnlich bizarr wie die der Supermarkt-Bücher: Kuscheltiere, Brotdosen, Schokolade, Sparschweine, Lippenpflegestifte, Kochlöffel. Was hat sowas in einem Buchladen verloren? Aber das ist ein anderes Thema.)
Wieder zurück in den Supermarkt: Wem macht es schon Spaß, an so einem Ort Bücher zu kaufen? Das Buch, wenn auch Gegenstand des alltäglichen Lebens, ist doch immerhin ein Kulturgut. Und dem wird die neonbeleuchtete, plärrende Supermarkt-Atmosphäre einfach nicht gerecht. Und ist ein Buch wirklich gleichwertig mit Zahnpasta und Cornflakes (oder gehört es dann doch eher zum Wellness-Bereich mit Schaumbad, Kerzen und Wein)? Gibt es künftig auch Books-to-go? (Wenn man Bücher doch inzwischen auch in Automaten kaufen kann.) Mal ganz abgesehen davon, dass der Drogerie-Supermarkt-Buchverkauf das Geschäft der kleinen Buchhandlungen unterläuft.
Vielleicht ist die Bücher-im-Supermarkt-Idee doch keine so gute? Oder sollten dort wenigstens ein paar mehr hochwertige Titel angeboten werden? Ich bin mir da nicht sicher. Goethe im Supermarkt fände ich dann doch irgendwie pietätlos.
Foto: creative commons @ flickr, sairenso
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