Das Manuskript ist fertig geschrieben und der Autor glücklich, aber nur für einen kurzen Moment. Denn bald stellt sich heraus, dass kein Verlag ihn veröffentlichen will. Was tun? Muss das Manuskript nun auf ewig ein Dasein in der Schublade fristen? Oder kann der Autor es nur gegen viel Geld bei dubiosen Bezahl-Verlagen unterbringen? Nein, Crowdfunding könnte eine echte Alternative darstellen.
Auf der größten deutschsprachigen Plattform startnext lässt sich beobachten, wie vermehrt Autoren (und Kleinverlage) ihre Bücher über die anonyme Masse im Internet finanzieren. Je nach dem wie groß die „Spende“ des Unterstützers ausfällt, bekommt dieser ein „Dankeschön“ – zum Beispiel die Namensnennung im Buch, eine signierte Ausgabe oder eine exklusive Lesung mit dem Autor. Die Autoren kennt, bis auf eine überschaubare Leserschaft, in der Regel niemand. Aber es gibt auch etablierte Autoren, die mittels der Crowd neue Wege beschreiten. SZ-Redakteur Dirk von Gehlen zum Beispiel schickte einzelne Kapitel an seine Unterstützter. Deren kritisches Feedback griff von Gehlen auf und arbeitete sein Buch um. Die Crowd war also nicht nur Geld-, sondern auch Ideengeber.
Eine Handvoll erfolgreiche, wie ungewöhnliche Projekte habe ich hier aufgelistet:
- Eva Jung „Alltagstourist“ (Finanzierung 25.177€)
- Dirk von Gehlen „Eine neue Version ist verfügbar“ (Finanzierung 14.182€ ) – das Buch wird inzwischen vom Metrolit Verlag verlegt
- onomato Verlag: Übersetzung und Druck einer Biographie über Dora Diamant (Finanzierung 7.190€)
- Lulzim Aliji „Albaner Poesie“ (Finanzierung 5.085€)
- Fantasy-Anthologie „Eis und Dampf“ (Finanzierung 3.065€)
Das Angebot solcher Plattformen wächst und professionalisiert sich. Verlagsnahe oder verlagsähnliche Strukturen entstehen. Die Münchner Verlagsgruppe hat vor kurzem 100fans ins Leben gerufen. Das Startup kladde.buchverlag kooperiert mit startnext und will nach eigenen Angaben bald den neuen Markt „Literaturcrowd“ abdecken. Und zukünftig will auch das von Sascha Lobo mitgegründete Sobooks mitmischen. Die Funktionsweise: Sobald die Crowd ein Buch erfolgreich finanziert hat, kümmern sich 100fans & co. um Lektorat, Korrektorat, Herstellung und Vertrieb. Im Gegenzug erhalten sie eine Provision oder werden am Verkaufserlös beteiligt. Dank ihrer Reputation, so das Kalkül, bringen die Plattformen Autoren und Leser zusammen.
Gewiss glaubt jeder Autor insgeheim, einen Bestseller geschrieben zu haben, aber den wenigsten ist das tatsächlich vergönnt. Crowdfunding wird hier zum Gradmesser. Mal lassen sich mehrere Hundert Fans für ein Buch begeistern, mal sind es nur ein Dutzend – beschränkt auf den Familienkreis. Und manchmal interessiert sich niemand dafür. Das ist bitter, aber so funktioniert’s. Die Crowd entscheidet und empfiehlt d.h. wird zur Kontrollinstanz. Deshalb muss der Autor erst einmal viel Aufmerksamkeit generieren, indem er ein Pitch-Video erstellt, Blogbeiträge verfasst und Leseproben anbietet. Der Autor kann sich nicht allein auf die Qualität seines Werkes verlassen, sondern muss dieses auch sehr gut vermarkten können.
Hier wird bereits ein wichtiger Unterschied zwischen 100fans und einem klassischen Verlag deutlich. Verlage, die etwas auf sich halten (und es werden immer weniger), entdecken und fördern Autoren, weil sie von deren Talent überzeugt sind – selbst wenn die Absatzzahlen nicht vielversprechend sein werden. Für 100fans & co. spielt die Qualität der Texte kaum eine Rolle. Sie wollen vor allem kein unternehmerisches Risiko eingehen. Sie treffen lediglich eine Vorauswahl und geben dem Autor Hilfestellung beim Ansprechen des Zielpublikums. Der Rest hängt von der Crowd bzw. der Marketingstrategie des Autors ab. Ob Crowdfunding deshalb den Verlag ersetzen wird, wage ich zu bezweifeln. Eher bleibt sie eine sinnvolle Alternative zu Eigenverlagen und Zuzahlungsmodellen. Aber das ist für viele Schreiberlinge auch schon was!
- Ersetzt die Crowd bald den Verlag? - 17. November 2013
- Eindrücke vom Seminar „E-Publishing“ - 17. Juli 2012
- Welthaltigkeit und Fremdheit – Schlüsselbegriffe für die deutschsprachige Gegenwartsliteratur - 17. April 2012