Zwischen den leider oft verborgenen Schätzen der Neuerscheinungen in den kleinen Verlagen, die wir hier gerade in loser Folge vorstellen, zur Abwechslung mal wieder einer der Etablierten: Paul Auster steht auf der deutschen Bestsellerliste. Sein aktuelles Buch ist ganz große Literatur in nahezu jedem Sinne.
Born heißt die Figur in Austers neuem Roman Unsichtbar, und dies ist ein ironisch sprechender Name, denn Born tötet und der angehende Dichter im Studium Adam Walker versucht diesen Mord zu rächen.
Born übt eine Faszination auf seine Umwelt aus und es gestaltet sich schwer, diese davon zu überzeugen, dass Born gefährlich ist. „Hinter Borns freundlichem Geplauder und seiner falschen Jovialität lauert etwas Gereiztes, ein gespannter, angestrengter Ton, der darauf hinzudeuten scheint, dass er auf der Hut ist.“ Dabei ist Walker schlau, sich seiner Sache völlig sicher und hat nur wenige Schwächen. Eine davon ist Borns Freundin und die andere seine eigene Schwester…
Dieses Buch ist ein Experiment, das an Austers frühere Titel Reisen im Skriptorium und Oracle Night erinnert. Auster kennt sich in der Romantik aus: Walkers Manuskript seiner an Born verlorenen Studentenzeit fällt dem Autor zufällig in die Hände. Er veröffentlicht tapfer und spielt dabei erneut mit den Lesern Scharade: „Ich habe Walkers Notizen aufpoliert. Was die Namen betrifft, so sind sie alle … frei erfunden, und der Leser kann sich sicher sein, dass Adam Walker nicht Adam Walker ist … Nicht einmal Born ist Born … Zu guter Letzt muss ich wohl nicht noch eigens darauf hinweisen, dass mein Name nicht Jim ist.“
Auster erzählt die Geschichte aus drei verschiedenen Perspektiven: Wir stoßen auf den Ich-, den Er- und den seltenen, erstaunlich gut lesbaren, Du-Erzähler. Ständig kommt es zum narrativen Bruch, werden Erwartungen ent-, nein eher getäuscht. Austers Experimentierfreude und seine Vorliebe für mehrere Erzählebenen sind zweifelsohne seine größten Stärken und er spielt sie tänzelnd aus. Jedem bleibt es da selbst überlassen, sich kriminalistisch zu unterhalten oder/und sich auf die vielen versteckten Bezüge einzulassen. Das ist manchmal verworren, häufig schamlos grenzwertig im beschriebenen Inzest der Geschwister, aber immer beeindruckend.
Paul Auster: Unsichtbar, Rowohlt, Reinbek 2010, 320 S., 19,95 Euro
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Ich habe das Buch ebenfalls gelesen und meine Rezension auf meinen Blog gestellt, vielleicht als Ergänzung interessant?
http://synaesthetisch.wordpress.com/2010/07/15/how-true-is-reality-paul-austers-neuester-roman-%C2%BBinvisible%C2%AB/