Die Grundidee: Aufmerksamkeit schaffen. Für unabhängige Verlage, unbekanntere Autor*innen, lokale Buchläden. Dafür, dass es mehr gibt als mit Bestseller-Stickern versehene Titel auf der SPIEGEL-Bestsellerliste oder jene, die gerade verfilmt werden. Zum Indiebookday wurde auch auf Twitter empfohlen, diskutiert und verlinkt. Wir haben uns das Ganze mal näher angeschaut.
Der Hamburger mairisch Verlag hat die deutsche Variante des Indiebookdays ins Leben gerufen. Einen Tag also, an dem nicht bei Thalia der nächste Vampir-Bestseller von Random House eingetütet oder bei Amazon der nächste Büchner-Preis-Kandidat von Suhrkamp gekauft wird. Die Idee kommt an: Binnen kurzer Zeit finden sich bei Facebook über 2.000 Fans, die am 23. März in ihre Buchhandlung des Vertrauens gehen, ein Indiebook kaufen und ihre Errungenschaft als Foto twittern, bloggen, facebooken oder instagramen wollten.
Insbesondere Twitter dient als wichtiger Multiplikator: durch seine Offenheit, „Trending Topics“, die Möglichkeit via Hashtags mit einem breiten Publikum in Kontakt zu treten und User direkt anzusprechen. Grund genug also, sich den Twitter-Diskurs zum Indiebookday etwas genauer anzuschauen.
Wie schaut’s aus, Indiebookday?
Vom 16. bis zum 25. März wurden bis 17:47 Uhr 1.375 Tweets von 468 Usern abgesetzt. Wenig verwunderlich: Die größte Tweetdichte war am Indiebookday selbst zu verzeichnen. In den 24 Stunden des Indiebookdays haben wir 939 Tweets von 356 Usern gesammelt. 431-mal wurden Tweets für so interessant gehalten, dass sie geretweetet wurden. 628-mal waren 140 Zeichen offenbar nicht genug und es wurde zusätzlich fleißig verlinkt. 1.100-mal nutzten die User Hashtags. Das größte Gezwitscher fand zur Mittagszeit gegen 12.30 Uhr statt.
Wer zwitschert da?
Die Initiatoren des Indiebookdays twitterten gemäß ihrer Rolle am aktivsten: 149 Tweets, davon 58 % Retweets. Der mairisch Verlag selbst wurde 97-mal via @-Replys, Mentions oder Retweets erwähnt. Auf dem zweiten Platz rangiert dann, deutlich weniger aktiv, binooki mit 28 Tweets. Spannend ist hier das Verhältnis von Mentions (38) zu Tweets (28). Ein Grund für die verhältnismäßig hohe Zahl der Mentions dürfte das eigens zum Indiebookday initiierte Gewinnspiel gewesen sein.
Was zwitschern die denn?
Die Akteure sind bekannt, nun geht’s an den Inhalt. Wir beschränken uns hier auf vier Aspekte: Zuerst blicken wir auf die Häufigkeit verwendeter Worte, anschließend widmen wir uns den meistgenutzten Hashtags, um dann die wichtigsten Tweets und schließlich die getwitterten Links zu präsentieren.
Häufigkeiten: Wenig verwunderlich rangierte in den Tweets „Indiebookday“ mit ca. 939 Erwähnungen auf Platz 1. Die Schlagworte „Buch“ oder „Bücher“ waren mit 161 Erwähnungen ebenfalls sehr beliebt. „Verlag“ tauchte 115-mal in den Tweets auf, „Ebooks“ 35-mal. „Autor*in“ schaffte es noch auf 25 und „Thriller“ auf 23 Erwähnungen. Meist genanntes Buch – so wir das erkennen können– ist Schlaraffenland von Stevan Paul, erschienen beim mairisch Verlag (10-mal).
Hashtags: Prominentester Hashtag ist *trommelwirbel* natürlich #indiebookday. Ganze 790-mal wurde dieser in der einen oder anderen Schreibvariante (KAPITALIEN) in einen Tweet integriert. Von den insgesamt 1.100 Hashtags machte dies ca. 71,8 % aus. Vielleicht etwas überraschend landete #aawibd (art&words indiebookday) mit 15 Erwähnungen auf Platz 2. Ein Phänomen, das sich freilich durch das Gewinnspiel des art&words Verlags erklären lässt. Platz 3 und 4 gehen hier an: #ebook (13) und #krimi (12). Eine Kombination (auch mit #thriller), die sich durch das Aufkommen eines kleinen Netzwerks von Selfpublishing-Autor*innen und deren Ebooks auf Amazon erklären lässt. Die Initiatoren, #mairisch, wurden 5-mal mit einem Hashtag bedacht.
Tweets: Nachdem wir nun wissen, welche Wörter am meisten verwandt wurden (Indiebookday), welche Hashtags besonders prominent waren (#indiebookday), blicken wir nun auf prominente Retweets.
Links: Doch worauf wurde eigentlich am meisten verlinkt? An dieser Stelle haben wir unterschieden zwischen den spezifisch verlinkten Seiten und deren Portale. (Beispielsweise könnte sehr häufig ein Artikel des Börsenvereins verlinkt werden, was jedoch nicht bedeutet, dass insgesamt häufig auf den Börsenverein selbst verlinkt wird.) Blicken wir auf die spezifischen Seiteninhalte, so ergibt sich folgendes Bild:
Unter den 628 Links fanden sich 278 „unique URLs“. Besonders prominent verlinkt – na klar – ist hier wieder die offizielle Seite des Indiebookdays. Insgesamt wurde sogar auf 191 Seiten verlinkt, die sich vom Titel der URL ausgehend mit dem Event beschäftigten. Nach den Ergebnissen der meisten Retweets ist es auch nicht weiter verblüffend, dass der Artikel von sinnundverstand 28-mal geteilt wurde. Ebenso erklärt sich der Link auf Onekontest durch das bereits erwähnte Gewinnspiel von art&words. Die Ergebnisse von Instagram und Amazon lassen sich vor allem mit Blick auf die verlinkten Portale erklären:
Dürfte man sich zuerst ob der Selbstreferenzialität der Twitter-User wundern, so lässt sich dies leicht aufklären: Hier handelt es sich ausnahmslos um eigene Bilder, die auf Twitter hochgeladen und gepostet wurden. Mit Instagram zusammen wurden also 214 Bilder hochgeladen oder geteilt; bei 109 davon handelte es sich um „unique“ Links. Spannend ist hier auch die Prominenz Amazons’, die sich durch zweierlei erklären lässt: Einerseits durch Kenntlichmachen der gekauften Bücher und andererseits durch die Werbung der Selfpublishing-Autor*innen, die auf die eigenen Bücher aufmerksam machen wollten. (Nein, das war NICHT der Zweck des Indiebookdays!) Ähnlich verhält sich dies bei Facebook: Es gab Links auf die Seite des Indiebookdays und Fotos von gekauften Büchern.
Der Plan des mairisch Verlags ist in dieser Hinsicht aufgegangen: Einige derjenigen, die Bücher kauften, haben auch Bilder davon gemacht und im Netz geteilt (so wie wir ja auch). Zudem ist eine Vernetzung der Social-Web-Angebote erkennbar: von Twitter auf Instagram und Facebook und wieder zurück. Summa summarum wurde also über Folgendes gezwitschert: Über die Rahmenbedingungen des Indiebookdays (also: Was darf ich wann und wo kaufen?), Ankündigungen (Heute ist #Indiebookday!) Handlungsaufforderungen zum Mitmachen und Kaufen, Empfehlungen von Büchern, sowie dem Kundtun des Vollzugs.
Und in welchen Kreisen spielte sich das ab?
Nun ist es ja die eine Sache, wer worüber twittert, aber eine ganz andere, in welchen Kreisen sich das Ganze bewegt. Deshalb haben wir uns den Indiebookday netzwerkanalytisch angeschaut. Uns hat hier interessiert, wer mit wem in Kontakt steht und welche Verbindungen ein eigenes kleines Netzwerk bilden. Also haben wir das Netzwerkvisualisierungstool Gephi mit allen Interaktionen (Wer hatte mit wem Kontakt?) gefüttert (interaktive Ansicht hier) und folgende hübsche Übersicht erhalten:
Insgesamt lassen sich 37 Communities benennen. Nahezu klaustrophobisch tummelt es sich um den mairisch Verlag, was natürlich durch dessen große Aktivität in punkto Antworten und Retweets zu erklären ist. Dort findet sich ein Gros anderer Accounts, z.B. binooki, sinnundverstand und auch litaffin. Die Belebtheit zeigt sich vor allem darin, dass nicht nur mairisch mit den Usern, sondern auch die User untereinander interagierten. So handelt es sich bei der blauen Wolke in der Mitte um ein sehr kleines Netzwerk von Usern, die sich untereinander „kennen“ und ein ähnliches thematisches Interesse haben. Besonders spannend ist, dass zwar mairisch den Diskurs bestimmte und als Referenzpunkt wirkte, es aber auch zu Unterdiskursen kam: So formierte sich um den JMB Verlag (links unten in lindgrün) ein kleines Grüppchen, das sich primär über den Indiebookday und den JMB Verlag unterhielt. Etwas größer fiel die Gruppe bei arts&words aus (hellblau unten), bei denen es sich in erster Linie um das eigene Gewinnspiel drehte. Ebenfalls erwähnenswert ist der Amazon Selfpublishing-Diskurs (pastellgrün, rechts), bei dem Eigenwerbung gemacht und Selfpublishing gepusht wurde oder werden sollte. (So wurde @Amazon 7-mal angeschrieben, antwortete jedoch nicht.)
Und was jetzt?
Mit der Einführung des Indiebookdays hat der mairisch Verlag ein Zeichen gesetzt – so viel lässt sich sagen. Es wurden plattformübergreifend fleißig Bilder gepostet und es wurde die Werbetrommel gerührt und orchestriert gezwitschert. Insgesamt ist die Beteiligung via Twitter mit 365 Usern jedoch recht überschaubar und – wie die Netzwerkanalyse vermuten lässt – waren es vor allem User, die im Vorfeld von der Veranstaltung wussten, mit ihr sympathisierten und zueinander in Kontakt standen. Der Begriff der „Filter Bubble“ ist derzeit in Mode und beschreibt – grob formuliert– das Phänomen, dass man durch Algorithmen oder Selbstselektion nur noch Informationen ausgesetzt ist, denen man im Kern zustimmt. Und so ist hier zu vermuten, dass vor allem literaturaffine User, die sowieso schon aus Interesse halber zueinander in Kontakt stehen, durch die Aktion weiter für den Indiebookday sensibilisiert wurden. Die Timeline war voller Empfehlungen und Diskussionen. Doch dies fand (noch) in einem relativ kleinen Kreis statt. Für eine breitere Öffentlichkeit war das zu wenig – zu wenig auch, um „Trending Topic“ zu werden. Hier besteht also noch Ausbaupotenzial. Aber für das erste Mal, mit kurzer Anlaufzeit, begrenzten Ressourcen und ohne Matchplan lief der Indiebookday, unserer Meinung nach, sehr gut ab. Es machte Spaß sich über Twitter, Facebook und Instagram mit anderen auszutauschen, zu schauen, was noch wo gekauft wurde, die Nachberichterstattung (z.B. Indiebook-Storify, mairisch blickt zurück oder Buchreportbilanz) zu lesen. Es kam ein Wir-Gefühl auf. Der Bücherkauf war nicht mehr „nur“ für sich selbst, sondern auch ein Statement. Und darauf lässt sich für das nächste Jahr aufbauen.
**Ein großer Dank gilt Jonas Kaiser, der für litaffin die Daten erhoben und analysiert hat. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Zeppelin Universität am Lehrstuhl für Politische Kommunikation und forscht zu gesellschaftlichen Debatten im Social Web.
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Ihr habt euch aber wirklich Mühe gemacht! Toller und interessanter Artikel, liebe Anne!!
Fein, wenn’s gefällt -- die Analyse war auch sehr spannend! Übrigens hat Katja Splichal eine Landkarte erstellt, auf der sich Indiebookdaybeteiligte markieren können (via Angabe von Vorname, PLZ und Stadt): http://www.zeemaps.com/pub?group=534615&x=9.971709&y=51.547367&z=12&simpleadd=1
Whow Anne, DAS ist ja mal Engagement für’s Indiebook!
Danke -- ich wette, so bringen wir die tolle Idee in eine zweite Runde!
Und danke auch fürs Verlinken der Map, die hat sich ja doch ganz schön gefüllt :)
Danke dir, liebe Katja! Auch schön zu sehen, wie deine Map wächst! Der nächste Indiebookday kann kommen! :)