Bücher lesen? Bücher reden! »ocelot²«

Maria-Christina Piwowarski und Ludwig Lohmann aus der Buch-handlung ocelot, in Berlin Mitte denken Literaturkritik neu und  gründen ihre eigene Veranstaltungsreihe: »ocelot2«. Hier ist weniger Wettbewerb, weniger Selbstdarstellung und weniger Hektik angesagt, dafür sollen die Bücher selbst im Mittelpunkt stehen!

Das Veranstaltungsplakat © Typografie/im/Kontext

»Das gute, oft auch sehr kontroverse Gespräch über Gelesenes ist unser täglich Brot.«

Die Buchhändler*innen Maria-Christina Piwowarski und Ludwig Lohmann im ocelot, © Ludwig Lohmann

Sie haben ihre Literaturbegeisterung zum Beruf gemacht: Maria-Christina Piwowarski, gelernte Buchhändlerin, leitet seit 2015 das ocelot, und Ludwig Lohmann steht ihr als Buchhändler und Literaturveranstalter zur Seite. Die gut geführte Debatte über Bücher ist sowohl ihr Tagewerk als auch ihre Herzensangelegenheit. Deswegen gründen sie nun ein eigenes Literaturkritikformat, das sich deutlich von etablierten Vorbildern unterscheiden soll: »ocelot² – Die Diskussion«. An der Konzeption und Durchführung der Veranstaltungsreihe sind auch die Litaffin-Autorinnen Lena Stöneberg und Katharina Korbach, außerdem eine weitere Komillitonin der Angewandten Literaturwissenschaft, Anja Riedel, beteiligt.

 

»Vor allem wollen wir zeigen, wie Literaturkritik auch anders funktionieren kann.«

Den beiden Buchhändler*innen sind die etablierten Literaturkritik-Formate in Zeitungs-Feuilletons oder Fernsehshows sauer aufgestoßen. Diese kränkeln ihrer Meinung nach in erster Linie an einer gehetzten Sprinter-Mentalität aufgrund von passgenauen Sendezeiten, am Aalen in der eigenen Belesenheit, an einem bornierten, voraussetzungsreichen Vortragsstil und theaterreif inszenierten Insider-Rangeleien mit klarer Rollenverteilung. Das heißt für Lohmann und Piwowarski nicht, dass diese Formate nichts taugen, aber vielleicht geht es ja auch anders, und vielleicht sogar ein wenig besser.

Im Buchhandel wird weder akademisch noch klassisch feuilletonistisch über Bücher gesprochen, warum muss das in der Literaturkritik sein?

 

»Die aktuellen Diskussionsrunden im Fernsehen leiden unserem Verständnis von Literaturkritik nach am gecastet wirkenden Rollenspielcharakter, am scheinbar allmächtigen Zeitdruck und an der Überzeugung, dass man Lektüre mit einer schlichten Bewertung in richtig und falsch unterteilen kann.«

»ocelot²« zum Wettbewerbs-Charakter von Literaturkritik © Ludwig Lohmann

 

Den beiden ist klar: Sie wollen Literaturkritik anders denken, selber machen.

Und zwar nicht als Verkaufsveranstaltung und erst recht nicht als Wettbewerb.

 

Literatur ist kein Sport!

Statt Rankings, Skalen, Sternen oder Daumen wollen sie Diskussionen auf Augenhöhe, lieber überzeugende Argumente und gute Gründe für Geschmacksurteile. Den weit verbreiteten Wettstreit-Charakter in der Literaturkritik sehen sie als kontraproduktiv. In einer Diskussion über Bücher gibt es keine Sieger oder Verlierer, niemand muss übertrumpft werden, wenn ein Miteinander im Zentrum steht. Denn die Diskussion soll allen Beteiligten Freude bereiten und sie mitreißen.

 

»Dabei ist gerade die anspruchsvolle Diskussion unter verschiedenen LeserInnen ein vielversprechendes Medium, um den Text im Wortsinn in den Fokus zu rücken, Bücher über die Sendung hinaus ins Gespräch zu bringen, kritisch zu lesen und zu hinterfragen, argumentativ sauber zu arbeiten.«

 

Warum sollte diese literaturkritische Gesprächskontroverse also nicht gleich da öffentlich ausgetragen werden, wo sie täglich stattfindet? Wo Bücher im Fokus stehen und nicht Kritiker?

 

»ocelot2 – Die Diskussion«

Zweimal im Jahr werden die beiden zwei Gäste aus der Buchbranche zu sich in die Buchhandlung einladen, um über vier Neuerscheinungen zu diskutieren. »ocelot2« nennen sie ihre Vision der Literaturkritik. Diese will das Publikum aus seiner ausschließlich auf das Zuschauen reduzierten Rolle herausheben.

 

»Wir möchten den zuhörenden Menschen Alternativen zeigen, kritisch auf belletristische Texte einzugehen: Weniger elaboriert, als es im Feuilleton passiert, weniger narzisstisch, als es teilweise im Fernsehen geschieht. Wir sind überzeugt davon, dass den Texten selbst die Bühne gehört.«

 

Die ersten Gäste, die neben Piwowarski und Lohmann die Premieren-veranstaltung von »ocelot2« bestreiten und all ihr argumentatives Können und ihre literarischen Überzeugungen darbieten werden, sind Alexander Weidel, Lektor beim Secession Verlag für Literatur, und Andrea Schmidt vom Verlagshaus Berlin.

 

»Wenn es nach uns geht, sollen Bücher bitte Stadtgespräch sein«

Sowohl Piwowarski als auch Lohmann sind vom hohen Stellenwert kontroverser Literaturkritik überzeugt. Durch fundierte Textarbeit kann man einem Buch wirklich auf die Spur kommen und das Lesen auf eine neue Ebene heben.

Die Idee, Studierende der Angewandten Literaturwissenschaft von der Freien Universität Berlin in das Projekt mit einzubinden, kam schon sehr früh auf.

 

»Wir sehen das literarische Leben der Gegenwart nicht als kontemplative Isolation an, sondern als ständigen Austausch in einem Netzwerk geistig offener Menschen. Die Zusammenarbeit mit den Studierenden bietet uns die Möglichkeit, viel zu lernen und Wissen weiterzugeben. Das ist für alle ein Gewinn!«

 

Vorbereitungstreffen des Planungsteams von »ocelot²« © Ludwig Lohmann

Auch an der Organisation der Premiere von »ocelot²« haben die drei in das Projekt involvierten Studentinnen mitgewirkt. Die Titel, die in der ersten Veranstaltung diskutiert werden sollen, stehen bereits fest: Natasha Stagg »Erhebungen« (Edition Nautilus), Annie Ernaux »Erinnerung eines Mädchens« (Suhrkamp Verlag), Nino Haratischwili »Die Katze und der General« (Frankfurter Verlagsanstalt) und Paul Beatty »Der Verräter« (Luchterhand Literaturverlag).

 

 

Man darf gespannt sein, ob das Literaturkritik-Konzept der beiden Buchhändler von ocelot, aufgeht und sich ein Gespräch über Literatur entspinnt, das konstruktiv ist anstatt trocken und verstaubt.

 

Von Lena Stöneberg und Katharina Korbach

 

Die Premiere von »ocelot² Die Diskussion« findet am 15. November ab 20 Uhr vor Publikum in der Buchhandlung ocelot, in der Brunnenstraße 181 (Berlin Mitte) statt. 

Der Eintritt ist frei.

Die Veranstaltung wird live auf instagram.com/ocelotberlin übertragen.

Mehr Infos auf facebook!


Lena Stöneberg

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