Pünktlich zum 200-jährigen Jubiläum der ersten Ausgabe der Hausmärchen der Gebrüder Grimm hat sich Karen Duve an eine literarische Neuinterpretation von fünf grimmschen Klassikern gewagt. In Berlin stellte die Autorin das Ergebnis vor…
„Es war mal wieder stockfinster, als wir nach Hause kamen“, beginnt das erste Märchen von Karen Duves Neuerscheinung „Grrrimm“. Stockfinster war es auch am Donnerstag, als ich vor dem Roten Salon der Volksbühne ankam. Nur ein diffuses rotes Licht schimmerte aus dem roten Treppenhaus auf die nass-dunkle Straße. Entlang rot gestrichener Wände ging es hinauf in den Saal. Darin angekommen, waren die ersten der roten Stuhlreihen bereits gefüllt. Auch die roten Couchen im hinteren Teil des Raumes waren schon gut besetzt. Ein Grüppchen junger Frauen prostete einander mit einem Glas orangeroten Aperol Spritz‘ zu. Daneben schwenkte ein einzelner Herr seinen Kelch Rotwein. Vorn auf der Bühne waren die beiden Stühle und der rot betuchte Tisch noch leer.
Als um 20:00 Uhr alle Plätze belegt waren betrat Karen Duve den Raum. So gar nicht in rot, sondern in blauer Jeans und schwarzer Bluse. Hinter ihr der Moderator des Abends. Wer es war, blieb über das Veranstaltungsende hinaus ein Geheimnis. Das vertraute Miteinander der beiden Akteure auf der Bühne, ihr gegenseitiges Duzen und seine Fragen an „Karen“ ließen auf eine enge Bekanntschaft schließen. Ergebnis: Ein recht lapidares Gespräch zweier miteinander Vertrauter, dem es an kritischer, wissensdurstiger Tiefgründigkeit mangelte. Es schien, als wollte man im roten Dämmerschein angenehm unterhalten.
Unterhaltsam waren sie dann aber auch ,die drei Textstellen, die die Autoren vorlas. Märchen habe sie schon immer geliebt. Und liest sie bis heute, gesteht Duve. Besonders die der Gebrüder Grimm. Märchenhafte Motive gab es auch schon im „Regenroman“, in „Taxi“ und ihren anderen Werken. Auffallend viele Kleinwüchsige etwa bevölkern ihre literarischen Welten, meint die Autorin. Und führt dies in ihrem neuen Werk konsequent fort.
„Zwergenidyll“, Duves Neuinterpretation von Schneewittchen, ist denn auch ausschließlich aus der Sicht eines der sieben Zwerge geschrieben. Mit 1,42m ist er nicht nur der größte, sondern auch der lüsternste der Zwerge. Mit ihren schwarzen Haaren, roten Lippen und den weißen Händen findet er Schneewittchen so schön, „dass man echt auf Ideen kommen könnte“. Die hat der Ich-Zwerg dann auch reichlich. Jedoch ist es keine dahinschmelzende Ohnmacht, die Schneewittchen zwei Mal vor seinen Füßen zu Boden gehen lässt.
Vor Begeisterung dahin schmelzen musste man auch durch die Lesung nicht. Am Ende standen 80 Minuten durchaus kurzweiliger Unterhaltung, eine gut gelaunte Autorin, die im Anschluss an die Veranstaltung geduldig Bücher signierte und ein größtenteils zufriedenes Publikum. Ich blieb mit gemischten Gefühlen zurück. Etwas kritischer, tiefschürfender, im Ton gar professioneller hätte es für meinen Geschmack schon sein können. Aber ab welchem Grad professioneller Ernsthaftigkeit wäre es schon wieder steif und langweilig gewesen?
Nicht ganz zufrieden verließ ich das rote Märchenzimmer und trat nach draußen, wo es „mal wieder stockfinster“ war.
© Text und Bilder: Ariane Bellgardt
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