„Heute schon die Welt gerettet?“
Mit dieser Überschrift versieht die taz-Chefredakteurin und Herausgeberin von „50 einfache Dinge“ ihr Vorwort. Zwar meint Ines Pohl den Titel durchaus ein wenig ironisch, dennoch ist sie der festen Überzeugung, „dass wir Verantwortung tragen, die nicht nur uns selbst anbelangt, sondern die ganze Weltgemeinschaft“. Und das ist in einer globalisierten Welt nicht weit hergeholt. Litaffin hat das Buch gelesen und sich mit der Herausgeberin unterhalten.
„50 einfache Dinge, die Sie tun können, um die Gesellschaft zu verändern“ ist – nennen wir es so – ein Ratgeber. Die mitwirkenden AutorInnen stellen darin in 50 Artikeln Modelle vor, wie wir zu aktiven Teilnehmern dieser Veränderung werden können. Manchmal laden uns die AutorInnen zu gedanklichen Spielen ein: „Keine Revolution ist auch keine Lösung! Wir müssen vielleicht nur einen neuen Begriff dafür finden, denn »Reform« hat einen strengen Geruch angenommen“. Meist sind es aber ganz konkrete Hinweise darauf, wo wir selber anpacken können. Diese werden in drei Bereiche gegliedert: solidarische Ökonomie, Ökologie und soziale Kreativität.
Der Beitrag „Fernweh ohne Reue“ berichtet beispielsweise von Fair-Trade-Reisen. Das Hin- und Herfliegen ist billig geworden, schadet aber der Umwelt. Seltener und dafür länger verreisen liegt nahe. Und es gibt sogar Reisegesellschaften mit Fair-Trade-Label. Vielen Artikeln sind Links zu Webseiten nachgestellt, auf denen wir uns schlau machen können. In diesem Fall beispielsweise atmosfair.de, fairtourismsa.org.za oder respect.at.
Der Finanzmarkt und alternative Zahlungsmittel, das Bildungssystem oder Datenverkehr im Netz werden thematisiert. Wie wäre es mit (teil-)autarker Versorgung in Großstädten? „Hierzulande könnten 30 Prozent des Bedarfs einer Stadt durch eigens gezogenes Obst und Gemüse gedeckt werden, glauben Experten“, schreibt Kathrin Burger. Und zudem „fungieren Stadtgärten als CO2-Senken“.
Zwar zeigt das Buch noch einmal anschaulich auf, was alles im Argen liegt („Millionen von Toten in den aktuellen Kriegen in Irak, Afghanistan und Kongo, Milliarden von Steuergeldern als Rettungspakete für Banken und Spekulanten, extreme Temperaturveränderung an den Polen…“), dennoch zückt weder jemand den moralischen Vorschlaghammer, noch steht hier ein revolutionäres Manifest geschrieben. Viel eher ist es ein Appell. Es empfiehlt und regt an, wie sich jeder Einzelne im Alltag nachhaltig verhalten, einbringen und engagieren kann.
Das Buch erschien im Februar 2011, kurz vor dem „Unglück“ in Fukushima. Wie sehr wirft dieses Ereignis die Ansätze engagierter Einzelkämpfer zurück? „Ich glaube, Fukushima ist ein gutes Beispiel, dass man sich nicht nur frustrieren lassen sollte von Katastrophen oder dem Status Quo. Gerade in Deutschland sehen wir: Ohne Fukushima – da brauchen wir uns nichts vormachen und ich will wirklich nicht zynisch klingen – wäre Deutschland nicht so weit, die Energiewende wirklich einleiten zu wollen. Katastrophen sollten uns nicht nur verharren lassen, sondern man sollte die Energie dahingehend wenden, dass man Dinge verändert“, so Ines Pohl. Die Schließung der AKWs wurde durchgesetzt.
Was die Finanzkrise anbelangt, so erkennt Ines Pohl, welche Angst bei der Pleiteerfahrung geschürt wird. Deshalb sei es wichtig, des Pudels Kern zu ergründen. Die Kurzschlussreaktion, daraufhin alle Grenzen dicht zu machen, kennen wir aus manchen Ländern. Das eigentliche Problem verberge sich aber in dem unglaublichen Wohlstandsgefälle, und darauf müsse nun hingewiesen werden.
„Die Schere zwischen Arm und Reich, zwischen Gemeinwohl und Eigennutz, die immer weiter auseinanderklafft“, greift Ines Pohl in ihrem Vorwort auf. Nach dem Scheitern der großen Ideologien des 20. Jahrhunderts – ungezügelter Kapitalismus und staatszentrierter Sozialismus – müsse diese nun eine am Gemeinwohl orientierte ökologische Gesellschaft ablösen, wenn wir das kommende Jahrhundert überleben wollen. Also: Wirtschaftswachstum durch Gemeinwohl-Bilanzen ersetzen; anstelle von Machthierarchien lieber Selbstorganisation und freiwillige Kooperation gleichberechtigter Partner kräftigen.
Pohl lehnt die Vermutung ab, „die Welt sei überkomplex und wir darin machtlos“, denn das paralysiere. Dieses Buch will nicht die Revolution ausrufen oder die Rettung der Welt „irgendwann“. Es betrachtet das Naheliegende, Machbare, das Kleine – und vor allen Dingen den Beginn von all dem vor Ort und bei sich selbst.
Ines Pohl (Hg.):
50 einfache Dinge, die Sie tun können, um die Gesellschaft zu verändern
Westend Verlag, Frankfurt am Main 2011
192 Seiten, 12,95 Euro
- Und? Heute schon die Welt gerettet? - 16. November 2011