Enhanced ebooks gleichen derzeit noch großen multimedialen Wundertüten: Es summt und tüdelt, blinkt und glitzert. Die Verlage packen erst mal alles rein, was geht: Da gibt es Audiokommentare und Gewinnspiele, Rätselspaß und Videomaterial, Skizzen und Karten, Lexika und Stichwortverzeichnisse. Doch die Zukunft des enhanced ebooks liegt sicherlich im Weniger statt im Mehr.
Ken Folletts „Sturz der Titanen“ und „Cagot“ von Tom Knox waren sicherlich die aufregendsten enhanced ebooks der letzten Monate. Für die Verlage waren diese Projekte auch große Spielwiesen, auf denen ausprobiert wurde, was überhaupt technisch machbar ist. Gleichzeitig kam es auch darauf an, den Agenturen und Autoren zu zeigen: Wir können’s! Die Devise lautet: Zusätzliches Material ist das Sahnehäubchen auf dem Buch.
Erinnert ihr euch noch, als ihr den ersten Hidden Track eures Lebens auf einer CD entdeckt habt? Oder zum ersten Mal auf einer DVD die Deleted Scenes gesehen habt? Das gewisse Extra macht Spaß, für den Bonus gibt man gerne Geld aus. Das weiß die Bravo, die früher immer diese todschicken Tattoos beiliegen hatte, das weiß die Neon, die gerne mal „Unnützes Wissen“ aufs Cover klebt, das weiß die Firma Kellogs, die kaum eine Frühstücksflocke ohne Plastikfigur verpackt. Und wir Konsumenten haben uns längst daran gewöhnt. Gut vorstellbar also, dass ebooks in naher Zukunft völlig selbstverständlich Zusatzmaterial beinhalten. Hier ein Quiz oder ein Sudoku, dort ein Video mit exklusiven Fragen an den Autor…
Das scheinen auch die Verlage zu ahnen, die gerne von „Mehrwert“ sprechen, wenn es um angereicherte ebooks geht. Denn letztlich ist die Frage ja auch, was das ebook von einem gedruckten Buch mit beigelegter CD-Rom unterscheidet. Und da sind die Antworten oft ganz einfach: textbegleitende Abbildungen zum Beispiel. Im gedruckten Buch sind farbige Fotos zumeist in einem Mittelteil zu finden, der auf festerem und andersfarbigem Papier gedruckt wird – eine gängige Lösung, um kostensparend zu drucken. Bei einem ebook ist es kein Problem mehr, sämtliche Abbildungen im Text zu verstreuen oder am Rand mitlaufen zu lassen. Überhaupt stehen layouttechnisch alle Türen offen (von eReadern mit Schwarz-weiß-Ansicht mal abgesehen). Aber ist das jetzt schon „enhanced“? Muss es nicht auf jeden Fall auch multimedial und interaktiv zugehen?
Bei all den technischen Möglichkeiten wird es in Zukunft (hoffentlich!) darum gehen, den Inhalten gerecht zu werden. Erkennbar ist dies bereits bei einigen Titeln aus der Rowohlt-Reihe „Digital Plus“. Die Biografie über Albert Einstein beispielsweise enthält Faksimiles und Originalfilmaufnahmen aus für die Öffentlichkeit unzugänglichen Archiven – was das Herz eines geschichtsinteressierten Lesers zum Pochen bringen könnte.
Überhaupt sind die Möglichkeiten der Anreicherung im Sachbuch-Bereich enorm. Das Kochbuch, das die Zutatenmengen eines Rezepts für zwei statt für fünf Personen per Mausklick berechnet? Die kritische Abhandlung über die Rüstungsindustrie in Deutschland, die mir auf Wunsch anzeigt, wann in meiner Stadt gegen Waffenexporte demonstriert wird? Der Ratgeber, dem ich meine Fahrtzeit in der S-Bahn angebe und der mir das jeweilige Kapitel entsprechend in einer längeren oder kürzeren Textversion anbietet? In meinem Kopf jedenfalls explodieren die Ideen, welchen praktischen Nutzen ein digitaler Text haben könnte. Mal sehen, was davon in ein bis zwei Jahren bereits umgesetzt sein wird – oder vielleicht auch schon auf der kommenden Frankfurter Buchmesse präsentiert werden wird. Bis dahin vergnügen wir uns mit all den Bonus-Extras und Plus-Zusatz-Obendraufs.
Foto: cc flickr.com / The Infatuated
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The sky is the limited… meiner Meinung nach wird aber aufgrund der (horrenden) Entwicklungskosten das enhanced ebook der Kategorie Libroid oder Al Gores App „Our choice“ auch in den nächsten fünf Jahren nur eine Ausnahme sein…
Gut möglich, dass es in Zukunft vermehrt ebooks geben wird, die Zusatzmaterial in Form von Interviews, Interpretationshilfen, etc. bereitstellen, aber ob man diese dann auch als enhanced ebook bezeichnen darf, bezweifle ich… schließlich werden hier „nur“ Zusatzinformationen gebündelt, die man sonst anderweitig im Netz finden könnte.
Gut möglich auch, dass der Begriff „enhanced“ so schnell wieder verschwinden wird, wie er gekommen ist, da sowieso niemand genau definieren kann, was das sein soll. Allerdings scheint er als Marketingbegriff durchaus nützlich zu sein, er schafft Aufmerksamkeit…
Danke für den Trackback. Ich habe diesen jedoch wegen fehlender Verlinkung hier im Artikel wieder entfernt.
Viele Grüße aus Essen,
Gerhard Schröder
Hmm? Aber deine ebook-Review zu Cagot ist doch im Text verlinkt. Oder funktioniert der Link nicht?
Es ist ja auch ein wenig unbeholfen, wie nun versucht wird, „Zusatzmaterial“ als einen neuen Gedanken zu verkaufen. Jedes Nachwort oder meinetwegen auch der Auszug aus dem Kindler (Paratexte, wir erinnern uns) brachte solch einen Mehrwert. Wikipediaverweise und Szenen aus der Verfilmung, da muss ich gähnen. Bleibt zu hoffen, dass die Lektoren sich ihre Arbeitsplätze sichern, indem sie, die Textwissenschaftler, Ideen verwirklichen. Sonst tun es die Herren aus der Technikabteilung… Schon zu spät? Vielleicht schnell noch Franzi einstellen!
Es ist ja auch die Frage, wie sich durch das ganze Zusatz-Klimbims das Lesen selbst verändern wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man konzentriert an einem Text lesen -- oder gar in ihm versinken -- kann, wenn ständig an allen Ecken und Enden irgendetwas aufploppt…Da sollte man vielleicht dann doch eher dem Buch etwas hinzufügen, das das Lesen unterstützt. Ich finde ja den Soundtrack zum Buch immer noch eine reizvolle Idee.
Allzu bunt sollte es meines Erachtens nach allerdings auch nicht damit getrieben werden, denn sonst kommt es tatsächlich noch irgendwann so, wie es heute schon in dem schönen kinderbuch „It’s a book“ gezeigt wird: Wenn das Buch nichts „kann“ ist es erst mal suspekt und schwer einzuschätzen. Nochmal der Link, weil’s so schön ist ;): http://www.youtube.com/watch?v=x4BK_2VULCU
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