Das Buch als Film im Kopf. Falladas „Kleiner Mann – was nun?“ als Hörspiel

Nicht jeder kann Filme zweimal sehen. Ich langweile mich dabei. Ähnlich, aber doch anders, geht es mir da bei Büchern. Viel zu viel wird geschrieben, als dass ich Anna Karenina zweimal lesen würde. Die neue Übersetzung ist bestimmt kunstvoll und ich hatte eine wunderbare Zeit, als ich den Roman das erste Mal las, aber nochmal? Äh-Äh.

Ausgenommen sind natürlich Balladen, Gedichte und Lieblingsstellen aus Lieblingsromanen und wenn ich über einen Text etwas schreiben möchte, lese ich immer und immer wieder… Aber das ist etwas anderes.

Als ich das Hörspiel  „Kleiner Mann – was nun?“ von Irene Schuck hörte, das soeben beim DAV erschienen ist, bin ich um eine Möglichkeit, Romane noch einmal zu genießen, ohne sie erneut zu lesen, bereichert worden. Das Hörspiel erscheint sinnvoll auf etwas mehr als eine Stunde gekürzt, irgendwann taucht die Stimme von einem Sprecher der Drei Fragezeichen auf und es spult sich ein Film im Kopf des Hörenden ab.
Hörprobe | Hans Fallada: „Kleiner Mann – was nun?“

„Kleiner Mann – was nun?“ von Hans Fallada las ich als Schülerin eines Geschichtsleistungskurses kurz vorm Abitur. Ich las Fallada, um das Ausmaß einer Weltwirtschaftskrise zu verstehen, um ein Bild von der Zeit zu bekommen und entdeckte beim Lesen einen für mich zu dieser Zeit viel interessanteren Aspekt: eine realistische Liebesgeschichte. Pinneberg liebt seine Frau und schafft es anfangs doch nicht, zu ihr zu stehen. Männlich will er sich Möglichkeiten in alle Richtungen offen halten, menschlich drängen ihn durchaus begründete Existenzängste. Emma Mörschel, sein Lämmchen, argumentiert gegen seine Feigheit an und bringt ihn in die missliche Lage, zu erkennen, dass sie Recht hat, er ihr dieses Recht aber nicht zugestehen möchte. Denn Pinneberg ist stolz und dies wird ihm, da er wohl nur ein mittelmäßiger Arbeiter ist, auch beruflich zum Verhängnis. Unterbewusst schuf Fallada bei mir als Teil der Dritten Generation natürlich auch einen Anflug von Ahnung, wie es zum Dritten Reich kommen konnte, doch für meinen Geschmack haben Erich Kästner und Sebastian Haffner das überzeugender hinbekommen.

Über Falladas Roman ist viel geschrieben worden. Häufig wurden Parallelen zu seinem Leben gezogen. Dieses hätte aber viel, viel mehr Stoff geboten. Er wurde sehr jung wegen Totschlags verhaftet; verbrachte einen großen Teil seines Lebens in psychiatrischen Kliniken, Gefängnissen und Entzugsanstalten. Als Junge schikanierte ihn der Vater, auch die Nationalsozialisten mochten ihn nicht und er lebte mit seiner fast 30 Jahre jüngeren Frau in ärmlichen Verhältnissen. Fallada starb an zu viel Morphium und Alkohol.

Ach ja, und aktuell, wegen Wirtschaftskrise und so… ist der Stoff auch.

Hans Fallada, Kleiner Mann – was nun?, Hörspiel, 1 CD, 74 Min, Der Audio Verlag, 14,99 Euro

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