Marie Franz gründete 2016 den Goldblatt Verlag. Warum sie ihre Arbeit liebt, was sie antreibt und worin ihrer Meinung nach das Geheimnis von Erfolg liegt, erzählt sie im Interview.
Interview von Clara Bentje Schröder
Wie bist du auf die Idee gekommen, deinen eigenen Verlag zu gründen?
Als meine Tochter ins Kleinkindalter kam und immer selbstständiger wurde, kam für mich die Frage auf, was als Nächstes für mich in beruflicher Hinsicht dran ist. Die Idee war plötzlich einfach da: Ich wollte einen Buchverlag gründen, als erstes einen Lyrikband von mir veröffentlichen und dann nach und nach mein Sortiment erweitern. Es sollte so etwas wie eine „Ideenfabrik“ werden, in der meine eigenen Ideen und die anderer Autor*innen Realität werden können. Als ich eine Woche später in einer Bücherkiste, die jemand zum Verschenken auf die Straße gestellt hatte, ein Buch über Verlagsgründung fand, schien mein Schicksal besiegelt. Wenige Wochen und einen Besuch auf dem Gewerbeamt später, war der Goldblatt Verlag geboren.
Gab es einen Moment, in dem du an deinem Vorhaben gezweifelt hast?
Nein, für mich hat es sich so richtig angefühlt, dass ich keine Angst davor hatte. Als ich damit anfing, wurde mir relativ schnell klar, dass ich mich nicht nur mit Verlagswesen beschäftigen muss, sondern, was eigentlich der absolute Knackpunkt ist: Wie funktioniert der erfolgreiche Aufbau eines Unternehmens? Mein Ziel war es nicht nur, mit großer Freude ein paar Bücher zu veröffentlichen, sondern ich wollte mit ebenso großer Freude ein funktionierendes Unternehmen aufbauen. Das Besondere bei mir war, dass ich kein großes Startkapital hatte und mit 500 € angefangen habe. Rückblickend würde ich das vielleicht anders machen, anderen vielleicht auch anders raten. Mein erster Gedichtband hatte eine Auflage von 150 Büchern. Das war zu dem Zeitpunkt das, was ich vorfinanzieren konnte. Die habe ich abverkauft und das Geld dann wieder reinvestiert in neue Auflagen, neue Buchprojekte etc. Zu weiten Teilen ist das jetzt immer noch so, nur sind die Auflagen inzwischen natürlich sehr viel höher.
Was zeichnet den Goldblatt Verlag aus?
Meine erste Positionierung waren Lyrik und Kinderbuch mit schönen Illustrationen. Bei den Illustrationen lege ich sehr viel Wert darauf, dass sie künstlerisch sind. Sie sollen genauso Kindern wie Erwachsenen gefallen – das Vorlesen soll allen Spaß machen. Die Positionierung war ein Entwicklungsprozess. Wenn man sich ernsthaft damit auseinandersetzt, sich ein Business aufzubauen, kommt man nicht daran vorbei, dass es dabei auch ganz viel um Persönlichkeitsentwicklung geht. Das Mindset überträgt sich auf das Business und das führt dazu, dass es stagniert oder fließt. Damit es fließt und groß werden kann, muss ganz viel in der Selbstwahrnehmung passieren. In diesem Prozess habe ich gemerkt, dass das woran ich glaube, sowieso schon in meinen Büchern steckt. Was auch
mittlerweile meine Positionierung ist: ich möchte Bücher verlegen, die die Menschen, die sie lesen, ermutigen und bestärken, das Leben zu leben, das sie sich wünschen und das ihnen entspricht. Die Bücher sollen ihnen Mut geben und das Vertrauen in die Gewissheit, dass wenn sie sich das trauen, es auch klappt – ganz egal, was es ist!
Wer steckt hinter dem Goldblatt Verlag?
Lange Zeit habe ich quasi als Einzelkämpferin gearbeitet und nur die Grafik ausgelagert. Mittlerweile habe ich Buchhaltung, Lager und Vertrieb abgegeben und zwei virtuelle Assistentinnen. Für meinen ersten Lyrikband habe ich eine Illustratorin gesucht, mit der ich mittlerweile schon drei Bücher gemacht habe und weitere sind in Planung. Sehr früh für mich entdeckt habe ich Business-Supports. Das sind zum einen unfassbar gute Online-Kurse, die dir genau das Wissen an die Hand geben, das du wirklich brauchst und dir die Möglichkeit geben, dich stets weiter zu bilden. Zum anderen sind das Mastermind-Gruppen, wovon eine aus verschiedenen Businessbereichen und die andere aus dem Verlagswesen kommt. Zu jedem Treffen bringt jeder eine Herausforderung mit und die anderen geben Input dazu. Das ist ein richtig tolles Netzwerk an likeminded people, das dir unglaublich viel Selbstvertrauen schenkt.
Wirst du von den Büchern gefunden, die du verlegst oder planst du die Projekte selbst?
Ich bekomme immer mehr Anfragen und prinzipiell bin ich für alles offen, wenn es etwas Ermutigendes ist. Es sind jedoch die Allerwenigsten, bei denen ich denke, dass es passt. Das ist das Schöne daran, Verlegerin zu sein: Das ist deine ganz eigene „Ideenfabrik“, bei der du egal was für eine Idee oben rein gibst und am Ende hast du ein Produkt, das du anfassen kannst und für das du auch noch Geld bekommst. Ich kann arbeiten, mit wem ich möchte und ich kann mir selbst Projekte ausdenken. Die Anzahl der Bücher, die jedes Jahr erscheinen, wird auch immer mehr.
Glaubst du, dass es ein Geheimnis von Erfolg gibt?
Im Zuge dieser Persönlichkeitsentwicklung bin ich auf etwas gestoßen, das nennt sich Erfolgsgesetze. Die Theorie besagt, dass wenn man bestimmte Dinge macht, sie dann unausweichlich dazu führen, dass man früher oder später das erreicht, was man sich vorgenommen hat. Eine andere Philosophie, die ich für mich entdeckt habe, ist das Manifestieren. Da geht es darum, dass man das Ziel, was man erreichen möchte, visualisiert. Ich war anfangs sehr kritisch, was diese Theorie betrifft, aber dann habe ich länger darüber nachgedacht, beobachtet, und herausgefunden, wie das läuft: Wenn du dir das, was du Erreichen möchtest, ganz genau vorstellst und du glaubst fest daran, dass es möglich ist, siehst du plötzlich Wege und Möglichkeiten, die dich dorthin bringen, die du vorher, gar nicht wahrgenommen hättest.
Wie schwierig ist das für dich, als selbstständige Verlegerin, deine Bücher in den Buchhandel zu bringen?
Ich mache ganz viel Online-Marketing und möchte den Endkund*innen möglichst viel Anreiz dazu geben, direkt in meinem Online Shop zu bestellen, deshalb bezahlt man bei mir auch keine Versandkosten. Trotzdem ist die Präsenz im Buchhandel ein größerer Multiplikator, weil die Bücher einfach viel öfter gesehen werden. Den Buchhandel kann man sich ein bisschen so vorstellen wie die Berghain-Türsteher – nur strenger. Wenn da jemand neues kommt und sie auch noch nie von dir gehört haben, dann ist es schwierig einen Fuß in die Tür zu bekommen. Aber schwierig heißt nicht unmöglich und ich habe da auch schon sehr viele positive Erfahrungen gemacht. Ich habe das große Glück, dass die Bücher, die ich mache, illustratorisch und poetisch so ansprechend sind, dass sie dem Buchhändler-Schlag gefallen. Da gibt es einen Spruch, den ich sehr mag: „The world makes room for passion“. Wenn die Menschen spüren, dass du etwas wirklich willst und ein Nein nicht als finale Antwort akzeptierst, bekommen sie oft Lust, dich und dein Vorhaben zu unterstützen.
Kannst du von deinem Verlag leben?
Mittlerweile schon, aber es hat ein paar Jahre gedauert. Wann fängt man an, sich welche Summe auszuzahlen ist eine Frage, die ich mir regelmäßig gestellt habe und auch immer noch stelle. Im Moment habe ich immer noch im Kopf, dass mein Verlag so schnell wie möglich wachsen soll. Bei Büchern ist auch immer die Sache, je höher die Auflage, desto günstiger der Stückpreis pro Buch. Das ist vielleicht eine der größten Schwierigkeiten im Verlagswesen, realistisch zu kalkulieren, wie viele Bücher man abverkaufen kann.
Gibt es irgendwelche Schattenseiten an deiner Arbeit?
Dadurch, dass es mir so einen großen Spaß macht, es so herausfordernd und zeitintensiv ist, bin ich leider ein richtiger Workaholic geworden. Ich arbeite nachts immer sehr lange und schlafe dadurch viel zu wenig. Es fühlt sich mehr wie ein Hobby an, aber dadurch gebe ich anderen Dingen, die auch sehr wichtig sind, viel zu wenig Raum. Daran möchte ich unbedingt arbeiten und versuchen wieder ein besseres Gleichgewicht rein zu bringen. Man muss immer Prioritäten setzen: Letztes Jahr lag mein Fokus darauf, dass mein Business schnell skalierend wächst, dieses Jahr möchte ich aber unbedingt wieder mehr selbst in die Kreativität gehen und auch wieder mehr Gedichte schreiben.
Kurz vor Weihnachten hast du das Bilderbuch des berühmten Gedichtes Und die Menschen blieben zu Hause herausgegeben, das nun auch in Deutschland sehr erfolgreich ist. Wie ist es dazu gekommen?
Als das Gedicht 2020 im ersten Lockdown viral ging, habe ich es selbst geteilt, weil ich die Botschaft so hoffnungsvoll fand und es genau die Art von Lyrik ist, die ich liebe. Einige Zeit später habe ich gesehen, dass es in Amerika als Buch erscheinen wird und nachgeschaut, welcher Verlag das macht. Ich kannte ihn nicht, er wirkte auf mich super sympathisch und in seiner künstlerischen Art meinem sehr ähnlich. Ich habe den Verlag spontan kontaktiert. Die Verlegerin hat mir sofort geantwortet und mich mit der Mitarbeiterin für Lizenzen zusammengebracht. Im Gespräch hat sie erstmal aufgezählt, was das Buch in Amerika schon alles erreicht hat. Als Partnerverlag muss man ja beweisen, dass man die richtige Vertriebsstärke hat, um ein großes Ding daraus zu machen und ich als kleiner, relativ junger, unabhängiger Verlag bin natürlich lange nicht so etabliert in der Branche, wie andere. Nach dem Gespräch dachte ich mir, dass es eine unglaublich tolle Erfahrung war, aber dass das nie im Leben klappen wird. Erst als sie mir den Vertrag zugeschickt hat, war mir wirklich klar, dass es geklappt hat. Mittlerweile wurde auch schon die 2. Auflage gedruckt. Die Geschichte hat mir gezeigt, dass ein Geheimnis des Erfolgs ist, groß zu denken, dir selbst etwas zuzutrauen und sogar Quantensprünge für möglich zu halten. Und, dass ich auch als kleiner Verlag mit einem guten Profil mit den größeren Playern mithalten kann.
Wie groß möchtest du mit deinem Verlag werden und was möchtest du in Zukunft noch erreichen?
Das soll wirklich ganz, ganz groß werden. Ich will ganz viele Bücher verkaufen und dass der Name Goldblatt Verlag genauso bekannt wird wie z.B. Carlsen. Welche Komponente das erfolgreich sein für mich aber auch hat ist, dass ich davon überzeugt bin, dass jeder einen Beitrag dazu leisten kann, diese Welt besser zu verlassen, als wir sie vorgefunden haben. Von Anfang an gab es immer einen gewissen Spendenanteil von Büchern an Organisationen, die ich unterstützenswert finde. Die Bereiche Umwelt und Tierschutz liegen mir besonders am Herzen. Wenn man diesen Cash-Flow hat, kann man selber delegieren, wohin das Geld geht. Natürlich muss der eigene Topf dazu erstmal voll sein, um eine Leichtigkeit im Leben zu haben, aber darüber hinaus hat man dann tolle Möglichkeiten, etwas Gutes damit zu tun und die Welt positiv zu verändern.
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