Leif Randt machte dieses Jahr mit seinem Debütroman „Leuchtspielhaus“ sowie als Gewinner des MDR-Literaturpreises auf sich aufmerksam. Litaffin sprach mit dem 26-jährigen über exzessive Jugendliche, Generationentexte und die Romantik von Schreibschulen.
Litaffin: Auffällig in deinen Texten ist die Sehnsucht der Figuren nach Regelhaftigkeit. Du schreibst über avantgardistische, aber trotzdem schematisierte Lebensstile. Ist das die „neue Jugend“?
Randt: Meine Figuren sind meistens merkwürdige Ästheten und eher Stoffel als harte Partyköpfe. Interessant ist, dass scheinbar viele gerne lesen, wie extrem wild und exzessiv Jugendliche sind. Und das sind sie teils ja auch. Aber vieles, was erzählt und ausgelebt wird, bedient auch nur die leicht kitschigen Projektionen von älteren Leuten. Aber wer weiß? Vielleicht gibt es in der echten Welt tatsächlich mehr harte Partyköpfe als so nachdenkliche Oberflächenjungs, wie ich sie beschreibe.
Litaffin: DIE ZEIT hat über Leuchtspielhaus geschrieben, es sei ein „Generationenbuch“…
Randt: Ich glaube, wenn jemand ansatzweise über Gegenwart schreibt, ist die erste Assoziation zu sagen: Das ist ein Generationentext. Das ist halt eine griffige Aufladung. Von dem Essay in der ZEIT fühlte ich mich aber ganz gut verstanden, weil es ein guter Umgang mit dieser Frage war. Die Autorin schrieb ja, Leuchtspielhaus zeige auf, dass es gar kein richtiges Generationengefühl mehr gibt, dass gewissermaßen Mikromilieus existieren, die alle verschieden mit den Umständen der Gegenwart umgehen, und indem Leuchtspielhaus eine solche Mikrowelt abbildet, sagt es etwas über die Generation aus.
Litaffin: Und wie würdest du selbst den Roman einordnen?
Randt: Wahrscheinlich schon als eine Art Milieustudie. Obwohl das ein blödes Wort ist. Vor allem ist es ein stilistisches Buch. Wie erfasst Eric sprachlich die Welt? Rund um diesen Wahrnehmungsapparat stecken viele verschiedene Themen drin und deswegen könnte man wahrscheinlich viele Schubladen aufmachen oder Überschriften finden. Aber ich würde mich für keine entscheiden wollen, weil ich das auch beim Schreiben nicht gemacht habe. Das kann man als Problem sehen, weil sich das Buch schwer zusammenfassen lässt, aber ich finde eigentlich gut, dass es so ist.
Litaffin: Du hast in London angefangen, Leuchtspielhaus zu schreiben. Wie sehr hat die Stadt das Buch beeinflusst und vielleicht auch deine jetzige „Ästhetik“ geprägt?
Randt: Ich hatte mir für die Zeit in London vorgenommen, einen längeren Prosatext anzufangen und mich dabei auch von der Umgebung beeinflussen zu lassen. Und dann war’s die Atmosphäre auf meiner Straße in Hackney-Homerton, mit merkwürdigen Barber-Salons und Hähnchenläden und so weiter. Inhaltlich und atmosphärisch war London ein starker Einfluss, aber stilistisch eigentlich nicht. Also die englischen Wörter und leicht überdrehten Comicsettings kommen nicht von dort. Meine erste Veröffentlichung hieß Terry Indanger und das war ein sehr konzeptueller Text mit einer extrem ausgestellten, albernen Sprache, der ganz visuell von Comic-Bild nach Comic-Bild erzählt hat. Der Text hat vor allem beim Vorlesen mit verteilten Rollen funktioniert. Leuchtspielhaus ist im Vergleich dazu schon sehr zurückgenommen. Und derzeit zieht sich das Formale noch weiter zurück. Es wird simpler und irgendwie wärmer.
Litaffin: Ist es deinem Studium in Hildesheim geschuldet, dass du dich von so einem expressiven Anfängerstadium entfernt hast?
Randt: Terry Indanger war ja eigentlich gar nicht expressiv, sondern total kontrolliert, der Text folgte selbst aufgestellten Regeln. Zu dem Zeitpunkt war ich ja auch schon zwei Semester in Hildesheim. Der formale Anspruch ist sicherlich eine Folge von der Auseinandersetzung mit den formalen Seiten von Texten und damit vielleicht auch schreibschulspezifisch. Aber das widerspricht eigentlich dem Klischee, Schreibschulen würden ihre Absolventen marktkonform schleifen. Unter Umständen passiert eher das Gegenteil: die völlige Vernerdung.
Litaffin: Und mit welchen Auswirkungen?
Randt: Man begeistert sich plötzlich total für Formalismen, für die sich die allermeisten Leser gar nicht interessieren. Den Buchmarkt an sich hatte ich in Hildesheim überhaupt nicht im Auge. Erst im Nachhinein ist mir aufgefallen, dass Leuchtspielhaus ja vergleichsweise total merkwürdig ist und sich Verlage auch überlegen müssen, wie und ob sie so ein Buch verkaufen wollen. Ich dachte immer, ein Text muss nur gut sein, formal und ästhetisch gesehen interessant. Oder innovativ. Das waren die Kategorien, an denen man sich auch unter den Studenten orientiert hat. Völlig verblendet. So gesehen haben Schreibschulen was Romantisches. Da sitzen Leute, die plötzlich einen Kunstanspruch entwickeln, anstatt kommerzielle Tagebücher rauszuhauen. Aber es sitzen auch viele kalkulierende Langweiler darunter. Oder so Mischfiguren wie ich.
Litaffin: Deine Videos auf leuchtspielhaus.com bewegen sich ja recht zielsicher in eine marketingbewusste Richtung. Sie erinnern an das Format der Buchtrailer, die gerade im Kommen sind.
Randt: Mir war gar nicht so bewusst, dass viele solche Trailer machen. Klar gibt es die vage Hoffnung, dass man einen lustigen Clip macht und daraus irgendetwas entsteht. Aber mir ging es bei der Seite eher darum, dass ich Videos gerne mag, und dass ich gerne eine Seite mit kryptischen Videos betreuen würde. Unter dem Titel „Leuchtspielhaus“, zunächst über das Buch, aber irgendwann vielleicht ganz losgelöst von dem Buch. Auch glaube ich, dass diese neuen Internet-Marketingmomente noch nicht die große Wirkung erzielen. Bei meinem Text konnte ich beobachten: Da erscheint ein langer Artikel in der ZEIT und plötzlich kriegt alles eine neue Aura. Große Zeitungen haben eben doch weiterhin eine irgendwie gruselige und irgendwie schöne Autorität für viele Leute. Meine Großtante fände es zum Beispiel auch viel beeindruckender und toller, wenn ich versuchen würde, Journalist zu sein und einen Job bei der Frankfurter Rundschau hätte. Und dann freut es einen am Ende doch, wenn von diesen völlig etablierten Medien Zuspruch kommt. Dann wird es zum Beispiel einfacher, den Eltern und Großeltern zu vermitteln, was man da eigentlich macht…
Das Interview führte Sina Flubacher.
Foto: © Leif Randt
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