Wie arbeiten wir? Welche Probleme erschweren unsere Arbeit und welche Probleme bereitet uns die Arbeit selbst? Wer arbeitet unter welchen Bedingungen? Und was ist überhaupt unsere Arbeit? Das Künstlerinnenkollektiv Spring hat sich in seinem aktuellen Magazin dem Thema der Arbeit gewidmet und nähert sich darin diesen und vielen weiteren Fragen.
Von Spring habe ich erst vor Kurzem erfahren, dabei gibt es dieses fantastische Projekt bereits seit vierzehn Jahren! Spring – das ist ein hauptsächlich in Hamburg ansässiges Kollektiv von mittlerweile an die 40 Texterinnen, Comic-Zeichnerinnen und Graphikerinnen; Spring – das ist auch der Name ihres Magazins für Illustration, das ein Mal jährlich erscheint und in dem sich stets eine Hand voll Künstlerinnen einem wechselnden Thema widmet. In den Ausgaben zeichnen, designen und schreiben die Frauen in einer Vielzahl an Beiträgen zu Themen wie Wandlungen, Alter Ego, Wunder oder wie in der aktuellen fünfzehnten Ausgabe: Arbeit.
Sechzehn mal kürzere, mal längere Beiträge nähern sich dem Thema Arbeit auf sehr unterschiedliche Weise. Deren Ton ist oft humorvoll, manchmal eher sinnierend, manchmal auch sehr scharf – davon unabhängig begleitet sie fast immer ein kritischer Unterton. Das verlangt ein Thema, das so stark in politische und gesellschaftliche Zusammenhänge verwoben ist auch. Überraschend ist die große Bandbreite an Ideen, Arbeit zu thematisieren.
Nina Pagalies begleitet in Aus dem Leben einer Arbeitsbiene fleißige Bienen (bzw. kantige Menschen in Bienenkostümen) in ihrem sehr kurzen und äußerst arbeitsamen Leben. Strukturell bleibt Pagalies nahe an der natürlichen Realität einer Biene. In den Details rückt sie das Erzählte jedoch sehr nahe an menschliche Lebensrealitäten und erzeugt so utopische (oder dystopische?) Züge. Die Bienen, so könnte man gewissermaßen sagen, sind ein weiblich dominiertes Völkchen, in dem die Care Arbeit, die Volkswirtschaft und… einfach alles von den weiblichen Bienen abhängt, während die männlichen Wesen ein abgeschottetes Dasein fristen, in dem sie zwar nicht arbeiten müssen, dafür aber auch für nichts anders als zu Fortpflanzungszwecken zu gebrauchen sind. Die Frage nach den Zusammenhängen von Geschlecht und Arbeit ist dadurch präsent, bekommt durch den summend-brummenden Kontext jedoch eine ganz neue Perspektive.
Birgit Weyhe greift ebenfalls einen Gender-Aspekt auf, indem sie sich in Ein eigenes Arbeitszimmer auf Virginia Woolfs feministisches Essay A Room of One’s Own bezieht, in dem die britische Schriftstellerin der klassischen Moderne den eigenen Raum als Metapher für die geforderte Unabhängigkeit der Frau nutzte. Weyhe nähert sich Woolfs Essay auf eine sehr freie Weise und baut eine selbstreflexive Schleife ein, indem sie ihre eigene Person als Protagonistin einführt und unter anderem das Problem aufgreift, dass Künstlerinnern um die Anerkennung ihrer Arbeit als ebensolche kämpfen müssen. In ihrem zweiten Beitrag (Meine Arbeit) in diesem Band ist diese Perspektive erneut Programm, doch wird die Autorin-Protagonistin hier zur Arbeitgeberin ihrer eigenen Figuren – ein innovativer und gelungener Ansatz!
In Der Lohn der Arbeit greift Carolin Löbbert das Thema der Arbeitsausbeutung auf und zieht numerische Vergleiche zwischen ausgebeuteten Arbeiter*innen und jenen, die davon profitieren. Löbbert begegnet dem Thema in einer kindlichen Ästhetik, aber ohne Humor – das Lachen bliebe einem angesichts der aufgerufenen Ungerechtigkeit auch im Halse stecken.
Die Problematik von neoliberaler Selbstausbeutung und Zeitmanagement, verbunden mit der Frage nach der Wertigkeit von Zeit, erhält ebenso Raum (Zeit für mich für Dich von Paula Partzsch) wie der erzwungene Spagat arbeitender Mutter zwischen dem Herzensprojekt Kind und dem – oft auch Herzensprojekt – Beruf (Doris Freigofas Teilzeitmutter). Und, und, und… viele weitere Beiträge, Themen und Autorinnen sind in diesem Band versammelt.
Ebenso spannend ist die ästhetische Machart des Bandes. Denn trotz der äußerst verschiedenen zeichnerischen Stile der Künstler*innen wirkt das Gesamtwerk keinesfalls wie ein Patchwork. Ein gemeinsamer Farbcode von schwarz, weiß, grau und… rot (wie sollte es bei diesem Thema auch anders sein!) hält alle Beiträge erstaunlich gut zusammen.
Spring (Hg.): Spring No. 15 – Arbeit Mairisch Verlag, 2018 farbig u. mit englischer Übersetzungen 228 Seiten, 20,-€
- Mit dem Schlaghammer gegen die Erzählkonvention - 24. April 2019
- Vielfalt durch Lesen - 15. November 2018
- From Panels with Love #13: Hundert Jahre – Drei Wege - 11. November 2018