It’s Indiebookday 2018, baby! Also ziehet raus in die unabhängigen Buchhandlungen dieser Welt und kaufet dort ein Buch eines Indie-Verlags, eines kleinen, unabhängigen Verlags, im Kampf gegen die großen Player der Buchbranche. Und dann macht Ihr am besten noch ein Foto von dem Buch und postet es in den Social-Media-Gemeinden Eurer Wahl, auf dass der Indiebookday und die Indie-Buchhandlungen und Indie-Verlage zu mehr Bekanntheit gelangen mögen. Wir von Litaffin beteiligen uns natürlich wie jedes Jahr und zeigen Euch hier unsere Indiebook-Empfehlungen. Let’s support Indie!
Der Indiebookday findet seit 2013 statt und ist eine Initiative des mairisch Verlags. Falls Ihr Euch nun fragt, wo in Eurer Nähe denn gerade eine unabhängige Buchhandlung wäre, findet Ihr bei indiebook oder bei der Initiative Woche unabhängiger Buchhandlungen (welche dann übrigens im November stattfinden wird) eine zahlreiche Listung. Der Hotlistblog wiederum hat eine Liste unabhängiger Verlage zusammengestellt. Und hier kommt sie nun, unsere diesjährige Indiebookday-Ausbeute!
Hakan Tezkan – Den Kern schluckt man nicht (Elif, 2018)
Wer den Elif Verlag bisher noch nicht auf dem Schirm hatte, sollte jetzt gut aufpassen, denn neben Hakan Tezkans Debütroman Den Kern schluckt man nicht, veröffentlicht der Indie-Verlag auch andere Autor*innen wie etwa Özlem Özgül Dündar oder Jonis Hartmann, die man unbedingt lesen sollte.
Hakan Tezkan machte bereits 2015 mit einem Auszug aus seinem Roman auf sich aufmerksam. Der Kern schluckt man nicht erzählt vom Jungen M., und seinen Eltern, die er sehr detailliert und mit feiner Beobachtungsgabe beschreibt. Irgendetwas im Leben der Eltern scheint sich zu ändern. Sei es der herannahende Tod des Großvaters oder die Beziehung der beiden Elternteile, es wird nicht ausgesprochen und schwebt dennoch die ganze Zeit über der Familie und in M.s Beschreibungen. Irgendwann macht sich M. aus den Staub, zu Wolf, den er in einer Hütte trifft.
Die Geschichte ist fragmentarisch erzählt und in verschiedenen Zeitebenen. „Den Kern schluckt man nicht“ ist ein sehr stiller, geheimnisvoller Text, dessen Lektüre vor allem jenen gefallen dürfte, die direkte und bildhafte Sprache schätzen.
Anna Kim – Fingerpflanzen (Topalian & Milani, August 2017)
Falls euch Oberelchingen bei Ulm als cooler Literaturort noch nichts sagt, wird es höchste Zeit. Seit 2015 gibt es dort zumindest einen noch sehr jungen Indie-Verlag, der mit seinen liebevoll gestalteten Büchern unsere Literaturlandschaft bereichert: Topalian & Milani. Die Verleger Rasmus Schöll und Florian L. Arnold wollen in ihrem Verlag Bücher „machen“ und nicht „verlegen“, so das Credo auf der Verlagshomepage gleich unter der Selbstbetitelung „Verlag für schöne Bücher“. Da kann ich nur zustimmen. Natürlich bin ich ein Fan von Kurzgeschichten, und wenn sie von der Unmöglichkeit der Liebe berichten, umso mehr. Aber Anna Kims Erzählungsband Fingerpflanzen ist mir beim Buchbummel durch das Berliner ocelot zuallererst durch seine Gestaltung aufgefallen. Hochwertige Materialien, ein hübscher Vorsatz, bezaubernde Abbildungen und ein ästhetischer sowie kreativer Satzspiegel. Die Bilder stammen allesamt vom Künstler Kristian Evju und sind weitestgehend Ausgangspunkte für die Texte der Autorin. Hier wurde also nicht bebildert, sondern ein interdisziplinäres Gesamtkunstwerk geschaffen. Ich bin schon jetzt hin und weg und nun ganz gespannt auf die sechs Erzählungen, die der Band umfasst. Im Verlag Topalian & Milani sind bisher neun Titel erschienen und wir können gespannt sein, was da noch auf uns zukommt.
Janosch – Leben & Kunst (Merlin, Neuauflage 2005)
Ich hatte immer ein naiv-verklärtes Bild von Janosch, abgeleitet aus seinen Kinderbüchern. Diese erschienen mir als eines der letzen Refugien einer poetischen und kunstvollen Kinderliteratur, die sich in ihrem kindlich-anarchistischen Zugang zur Welt dem moralischen Zeigefinger, der in so vielen Kinderbüchern jede Pointe begleitet, verweigert. Dass Janosch auch Romane und Dramen geschrieben hat, die der Erwachsenenliteratur zugerechnet werden, wissen nur wenige – ebenso wie den Umstand, dass er, zumindest der eigenen Wahrnehmung nach, von der Verlagswelt ausgenutzt und seiner Rechte beraubt wurde. Ein Gros der heute produzierten Bilder, Bücher und Artikel trägt zwar den Namen Janosch, stammt aber längst nicht mehr von ihm, der sich angesichts der Ohnmacht gegenüber der Ausbeutung nach Teneriffa in die Abgeschiedenheit begeben hat und seit jeher ein soziales und mediales Interesse an seiner Person zu umgehen versucht. Interviews mit ihm sind eher Raritäten. Leben & Kunst nun ist ein einziges langes Selbstinterview, inszeniert als Gespräch zwischen Janosch und dem fiktiven Jan Skral, der einige biografische Parallelen zu Janosch aufweist. Das fiktive Gespräch blickt zurück auf die Kindheit im Schlesien der 1930er und die Migration nach Deutschland, auf das Werden und Scheitern, auf das Suchen und Finden und Wieder-Verlieren eines Künstlers und Lebenskünstlers. Erzählt wird hier mit dem erbosten und zugleich genügsamen Ton eines Menschen, der sich einerseits betrogen fühlt, andererseits aber auch durch frühe prekäre Lebenssituationen gelernt hat, das Glück im Einfachsten zu finden. Begleitet wird der Text von Fotografien, Malerei, Zeichnungen und Drucken. Die Lektüre sei all jenen ans Herz gelegt, die einen Blick hinter die Janosch-Figur werfen wollen und nicht davor zurückschrecken, dass damit ein ganz neues und sicherlich weniger idealisiertes Bild des Janosch entsteht.
Nachdem Janoschs Kinderbücher ab den 1970ern vor allem von der großen Verlagsgruppe BELTZ vertrieben wurden, hat der kleine unabhängige Merlin Verlag ab den 1990ern angefangen, besonders Janoschs Erwachsenenbücher herauszugeben, darunter auch Leben & Kunst (ergänzte Neuauflage mit Vorwort 2005, 160 Seiten). Der 1957 gegründete Merlin Verlag erhielt 1984 den ersten ZEIT-Preis für kleinere Verlage.
Liv Strömquist – Der Ursprung der Welt (avant-verlag, 2017)
Übersetzung aus dem Schwedischen von Katharina Erben.
Liv Strömquist ist Politikwissenschaftlerin, Feministin, Comic-Zeichnerin und Autorin. All das kann sie in ihrem Comic Der Ursprung der Welt ausleben, in dem sie informativ und witzig eine Kulturgeschichte der Vulva erzählt. Von der Antike über die Bibel bis zur zeitgenössischen Tampon-Werbung beschreibt sie die Epochen, in denen das weibliche Geschlechtsorgan völlig unterschiedliche Deutungen erfahren hat.
Text und Bild ergänzen sich fabelhaft zu einer sehr klaren Sprache bzw. Bildsprache, nachdrücklich und kokett werden Ungereimtheiten und Ungerechtigkeiten zugleich angeprangert und lässig auf die Schippe genommen. Die Autorin arbeitet mit Original-Bildquellen und einer Fülle an Nachweisen und Zitaten, sodass in dem schmalen Buch von knapp 140 Seiten eine unglaubliche Masse von faszinierenden Informationen steckt, die spritzig und auf den Punkt gebracht jedoch sehr zugänglich sind. Zugleich ist es eine sehr persönliche Erzählung, ihre Meinung und Kritik fließen immer wieder auf leidenschaftliche Art ein. Ich habe mich beim Lesen gewundert, geärgert, kaputt gelacht und wollte am Ende gleich wieder von vorne anfangen, da es in diesem wichtigen Buch so viel zu entdecken gibt.
Der avant-verlag verlegt seit 2008 in Berlin nach eigener Aussage „politische, aber auch persönliche Geschichten, entwickelt innovative Bildsprachen und zeigt, was der Comic heute ist: ein aufregendes Medium mit literarischer Qualität.“ Nach der Lektüre des ersten Comics aus dem Programm kann ich aus vollem Herzen zustimmen und freue mich auf weitere Entdeckungen.
Und jetzt: Let’s support indie… nicht nur am Indiebookday.
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