Pop-Feminismus meets Malbuch-Hype: „Das feministische Mach-Mit-Buch“ von Gemma Correll ist eine Mischung aus Mal-, Bastel- und Rätselbuch auf den Schienen eines jüngeren Feminismus. Das Format mag in Zeiten eines Malbuch-Hypes unter Erwachsenen zunächst befremden, nicht zuletzt auch weil kindliche Mit-Mach-Bücher im Widerspruch zu politischen Kämpfen zu stehen scheinen. Doch liegt genau in dieser Ironie der rhetorische Witz des Heftes. Während die neuen Erwachsenen-Malbücher sich der stillen Versenkung und Achtsamkeitsübung im Einfärben zart-verspielter Muster verschrieben haben, regt „Das feministische Mach-Mit-Buch“ humorvoll zu Partizipation und Austausch an. Das Aktiv-Werden bildet schließlich auch den Kern des Frauen*kampftages, weshalb dieses Buch (neben den Feministischen Tipps) in unser Special zum 8. März gehört. Gewinnen könnt ihr es auch!
Für alle feministischen ‚Spaßbremsen‘
Spaßbremse. Feindlichkeit gegenüber allem Freudvollen. Zum Lachen in den Keller gehen. Mit diesen phrasenhaften Vorwürfen werden Feminist*innen immer wieder deskreditiert, meist um feministische Standpunkte zu delegitimieren, ohne sich mit ihnen auseinandersetzen zu müssen. Argumentativ ist dies sicherlich nicht gerade brillant, weil ‚Spaß haben‘ in unserer Gesellschaft kein Maßstab für die Qualität politischer Inhalte ist – wer die Theorie vertritt, Trump sei vor allem aufgrund seines Witz- und Spaßfaktors gewählt worden, würde hier vermutlich widersprechen. Mich erinnert diese Art der Reaktion auf den Feminismus immer an alte Kindergartenszenerien, in denen das kindliche Totschlagargument „Du bist doof!“ als vermeintlich stärkste Waffe gewähnt wurde, um den Buddeleimer doch an sich selbst reißen zu können. Was aber, wenn wir uns – nur so zum Spaß – trotzdem einmal darauf einlassen, auf das Spiel mit dem ‚Spaß haben‘ und dem Feminismus? Dazu lädt Gemma Corrells Heft „Das feministische Mach-Mit-Buch“ ein, denn selten ist der Blick auf strukturelle Ungleichheit so humorvoll wie hier.
Welch ein Spaß mit Patriarchat und Heteronormativität!
Formal vermischt der Band Elemente aus Rätselblöcken, Gedenk-Alben, Malbüchern
und Bastelbögen. So muss der Figur Sibel ihr Weg zum Arbeitsplatz durch ein Labyrinth hindurch gezeichnet werden: vorbei an Hürden wie dem Gender Pay Gap, männlicher Klüngelschaft oder sexueller Belästigung. Kuriose Rätsel wie das Quiz „Komplett lächerliche Zitate – welcher Frauenfeind hat was gesagt?“ erweitern den eigenen Zitatenschatz unter anderem um Recep Tayyip Erdoğan oder Björn Höcke. Wer Such-Spiele liebt, kann im Finde-die-Fehler-Bild den Macken der zweigeschlechtlich organisierten Spielzeugwelt für ‚starke Jungs‘ und ‚süße Mädchen‘ nachjagen.
Ist man eher von der pragmatischen Sorte und gewinnt dem müßiggängerischen Zeitvertreib mit Rätseln wenig ab, kann man sich den politischen Bastelarbeiten widmen. Die feministischen Valentinskarten zum Ausschneiden und Ausmalen mit Aufdrucken wie „Du bist so schön auf Augenhöhe!“ oder „Lass uns alles teilen. Z.B. Hausarbeit“ lassen gewiss aller Liebenden Herzen höher schlagen – und wenn nicht, muss man da vielleicht nochmal über bestimmte Sachen reden. Auch vorgefertigte wie selbst zu gestaltende Verdienstorden können ausgeschnippelt und sofort angesteckt werden. Der Favorit, schlicht aber klassisch, tragbar zu jedem Anlass: „Vielfalt ist Schönheit“.
Vom Spiegelverhältnis zwischen literarisch-visueller Form und Realität
Den feministischen Themen widmet Gemma Correll sich mit viel Witz und Verve. Es ist ihr Umgang mit diesen, der zum Lachen bringt. Mit seinem formalen Gestus eines Mal-, Rätsel- und Bastelbuches greift „Das feministische Mach-Mit-Buch“ kindlich-naive Bildwelten auf, die im Kontrast zur politischen Relevanz der Inhalte stehen. Gerade aus dieser Spannung zieht das Heft seinen Humor. Die direkte Übertragung gesellschaftlicher Probleme in die Rhetorik alltäglicher, banaler Rätselspielchen mag absurd scheinen, doch spiegelt sich darin die Absurdität der Realität. Es ist absurd, dass die strukturelle Diskriminierung und Ungleichheit immer noch völlig normalisiert und fest institutionalisiert sind.
Geschlechterbezogene Diskriminierung in der Arbeitswelt wird von Correll in der bereits erwähnten Form eines Labyrinth-Spiels präsentiert, wie man es so ganz nebenbei in einem Wartezimmer oder im Zug lösen würde. Geschlechterbezogene Diskriminierung in der Arbeitswelt ist in der Realität ebenso normalisiert und alltäglich, dass ihr jene Form des Nebenbei und des Unbeachteten zukommt. Insofern erzeugt die Spannung zwischen Form und Inhalt hier nicht einfach unbekümmerten Humor, sondern greift zugleich das strukturelle Grundproblem der Normalisierung von Ungleichheiten auf.
Was ist denn hier der Feminismus, bitte?
Es gibt viele Feminismen und zwischen ihnen bestehen mitunter größere Diskrepanzen. Das einleitende „ABC des Feminismus“, welches natürlich ausgemalt werden kann, veranschaulicht Corrells Begriff. Es spiegelt den westlichen Feminismus in seiner Entwicklung wieder, greift sowohl seine Ursprünge (S wie Suffragette, W wie Wahlrecht) als auch seine jüngeren Ansätze (F wie Fett, I wie Intersektionalität, N wie Netzfeminismus oder Q wie Queer) auf. Insgesamt lässt sich ihr Ansatz neueren Bestrebungen zuordnen. Die Reproduktion überholter Stereotype in ‚die Frauen‘ und ‚die Männer‘ wird hier vermieden. So präsentiert das erwähnte Quiz der misogynen Zitate neben männlichen Sprücheklopfern wie Erdoğan, Trump oder Höcke auch die konservative US-amerikanische Publizistin Phyllis Schlafly – denn natürlich können auch Frauen* sich misogyn positionieren. Für einen erweiterten Frauen*-Begriff im Sinne jüngerer feministischer Bewegungen steht auch die Transfrau Laverne Cox, die hier Teil des Sammelkarten-Spiels ‚Feministische Superfrauen‘ ist. Neben großen, bekannten Denker*innen und Aktivist*innen kommt überraschenderweise auch Sookee ein Ehrenplatz in diesem Kartenspiel zu – als Berliner queerfeministische Rapperin und Aktivistin ist sie wohl primär den Szene-Internen ein Name.
Mitmachen dürfen alle Feminist*innen und dies sind laut Einleitung schlicht alle, die glauben, dass alle Menschen gleich sind. Etwas streitbar ist diese Setzung schon, insofern Menschen ja gerade völlig divers statt gleich sind. Menschen haben unterschiedliche Bedürfnisse und sind unterschiedlich gesellschaftlich positioniert. Wir sind nicht alle gleich, aber sollten alle gleichgestellt sein. Inhaltlich reflektiert das Buch die Diversität von Feminist*innen dennoch vielfach, weshalb sich dieser Streitpunkt der ersten Seite durchaus übergehen lässt.
In jedem Fall können alle, die mal wieder den Vorwurf feministischer Freudlosigkeit zu hören bekommen, ihm*ihr lachend diese humorvollen 64 Seiten entgegenstrecken – vielleicht mit einem selbstgestalteten „Feminismus-macht-Spaß!“-Badge am Revers.
Gewinnspiel – Eure literarischen Kämpferinnen*
Du willst auch mehr Spaß mit dem Patriarchat? Der Kunstmann Verlag hat uns anlässlich unseres Specials zum Frauen*kampftag ein Verlosungsexemplar von Gemma Corrells „Das feministische Mach-Mit-Buch“ zur Verfügung gestellt. Für diese Unterstützung danken wir dem Verlag. Um am Gewinnspiel teilzunehmen, hinterlasst ihr uns hier bis zum 18. März 2018 einfach einen Kommentar mit einer tollen literarischen Kämpferin*. Mit der Teilnahme akzeptiert ihr die Teilnahmebedingungen.
Ich mache mal den Anfang: Marjane Satrapi – in ihrer autobiografischen Graphic Novel „Persepolis“.
Gemma Correll: „Das feministische Mach-Mit-Buch“ Verlag Antje Kunstmann, München 2017 Aus dem Englisch übersetzt von Ruth Keen Originaltitel: „The Feminist Activity Book“ (Seal Press, 2016)
Das 8.-März-Special auf Litaffin:
Teil I: Feministische Tipps rund um die Lese- und Buchkultur
Teil II: Das feministische Mach-Mit-Buch
- Mit dem Schlaghammer gegen die Erzählkonvention - 24. April 2019
- Vielfalt durch Lesen - 15. November 2018
- From Panels with Love #13: Hundert Jahre – Drei Wege - 11. November 2018
meine kämpferin ist hera, so möcht ich auch sein
Jeanne d’Arc
Echo
Elisabeth I von England
oder auch Michelle Obama !
Prosper Mérimées Carmen! „Unter allen Frauen sah ich nicht eine, die diesem Teufelsmädchen ebenbürtig war.“
Charlotte Perkins Gilman: „Die gelbe Tapete“
Judith Butler!
Virginia Woolf mit ihrem 1929 erschienenen „A Room of One’s Own“
Hermine Granger (aus Harry Potter) ist eine tolle Kämpferin: Sie setzt sich selbstbewusst gegen Männer und Hierarchien durch, auch wenn sie mit ihrem weiblichen Ehrgeiz als ‚Zicke‘ diffamiert wird; sie engagiert sich für andere, organisiert zum Beispiel den Bund für Elfenrechte (B.ELFE.R.) und als sie Malfoy im dritten Band einen Faustschlag verpasst, weil dieser sie beleidigt, wird sie sogar äußerst leiblich zur Kämpferin. Hermine <3
Audre Lorde mit ihrer Mythobiographie Zami
Das stärkste Mädchen der Welt: Pipi Langstrumpf. Also falls mit literarischer Kämpferin* eine Figur gemein ist. Falls es um die Schreibende geht: Anne Frank.
Pippi Langstrumpf
Katniss Everdeen (Tribute-von-Panem-Trilogie). Absolute Kämpferin und Heldin!
Johanna von Orléans
Varis -- Die Kämpferin von Joshua Palmatier
Die Pilgeri
Die Wanderhure
Beim Blick in mein Bücherregal, das durchaus gut und zahlreich bestückt ist, ist mir dann ja schon aufgefallen, dass es echt wenige Bücher gibt, die starke Frauenfiguren haben… am meisten scheint es die ja noch so in der jüngeren Literatur zu geben… aber auch da eher so bei dem, was nicht als hohe und wertvolle Literatur gilt… echt deprimierend…
Am Gewinnspiel möchte ich auch gerne teilnehmen. Schicke Waris Dirie (Autobiografie „Die Wüstenblume“) ins Rennen. Und danke für die Rezension! ;-)
Hallo FeministischeKämpferin,
danke, dass du diese Einsicht, mag sie auch in der Tat super deprimierend sein, hier teilst. Es ist unheimlich wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass weibliche Figuren eben auch in der Literatur über Jahrhunderte marginalisiert wurden und dass insbesondere starke Frauen*figuren scheinbar eine logische Unmöglichkeit bildeten. Dass das kulturell so gewachsen ist und nicht immer so war, zeigen die ebenfalls tollen Kommentare, die auf antiken Mythologien verweisen, die eine große Vielzahl an starken weiblichen Figuren kannte.
Dein Hinweis auf die Diskrepanz zwischen ‚hoher‘ und vermeintlich trivialer Literatur ist auch toll! Vielleicht muss der gute, alte Kanon einfach mal überarbeitet werden – eben weil er nun mal echt alt (und männlich und weiß und bürgerlich und heteronormativ) ist. Beste Grüße, Angie von Litaffin
in den antiken stoffen ist auch antigone ne unerschütterliche kämpferin
Literarische Kämpferinnen: Mariam und Laila von „Tausend strahlende Sonnen“!
Die Wanderhure <3 Wow ? was für ein super tolles Gewinnspiel von dir ??? Der Gewinn ist ja mega klasse..!! ❤ Der Hammer!! Versuche sehr gerne mein Glück ???fest die Däumchen gedrückt ✊? würde mich riesig darüber freuen ?? Danke dir dafür!Du bist Spitze ??
Hallo Victoria! Schön, dass Dir der Beitrag gefällt und hab vielen Dank für Deinen Zuspruch.