Schreiben war schon immer voll ihr Ding. Bereits als Kind träumte Marie Krutmann davon, Bielefeld mit ihren Regionalkrimis so richtig aufzumischen. Ein paar Jährchen später widmete sie sich aber dann doch lieber Literatur-, Film-, oder Theaterkritiken und probierte sich als freie Journalistin für verschiedene Magazine und Blogs aus. Mittlerweile kümmert sich Marie um den Ullstein Verlagsblog resonanzboden und genießt dort, neben dem Blick durch bodentiefe Fenster, vor allem die Freiheit, eigene Ideen zu realisieren.
Was wolltest du als Kind werden?
Apothekerin. Aber nur, weil ich die langen Schränke mit den vielen Schubladen bei uns in der Apotheke so toll fand. Mit elf wollte ich Regisseurin werden und fing an, Drehbücher für Bielefelder Regionalkrimis zu schreiben, die ich dann mit einer VHS-Kamera und meinen Freund*innen in den Hauptrollen verfilmt habe.
Was genau hast du studiert und warum hast du dich dafür entschieden?
Während meines Bachelor-Studiums in Göttingen habe ich Germanistik und Skandinavistik studiert. Skandinavistik, weil ich mich gern als Schwedin ausgebe (und damals noch die nötigen Background-Infos brauchte). Germanistik, weil meine Eltern wollten, dass ich „was Vernünftiges“ studiere.
Für meinen Master bin ich nach Berlin gegangen und habe Angewandte Literaturwissenschaft studiert. Ich mochte den Praxisbezug des Studienangebots und hatte Lust auf`s Großstadtgewusel.
Wusstest du schon während deines Studiums, in welchen Beruf du möchtest?
Nein, das wusste ich anfangs nicht. Leider bekommt man die Frage aber ziemlich oft gestellt, wenn man Skandinavistik studiert. Ich kenne jetzt sämtliche Taxifahrer- und Wikingerwitze… und nein, Lehrerin kann man damit auch nicht werden – das hatte ich auch nicht vor.
Irgendwann habe ich mich aber selbst total damit gestresst, zu wissen, was ich werden will oder überhaupt werden kann. Dabei war mir eigentlich immer klar, dass ich gerne mit Sprache und Texten arbeite. Schließlich wurde ich von einer Bekannten gefragt, ob ich eine Theater-Rezension für das Onlinemagazin LitLog schreiben will. Von da an habe ich regelmäßig (auch für andere Magazine) Literatur-, Film-, oder Theaterkritiken verfasst, Essays über Generationsthemen und Feminismus geschrieben oder Interviews mit Menschen im Kulturbetrieb geführt und gemerkt, dass das voll mein Ding ist.
Wo hast du während des Studiums Berufserfahrungen gesammelt?
Neben meiner Arbeit als freie Journalistin für verschiedene Magazine und Blogs habe ich einige Praktika im Kulturbetrieb gemacht. Trotz des knappen Gehalts habe ich diese, so gut es ging, mit Auslandsaufenthalten in Skandinavien verbunden. Ich war zum Beispiel ein paar Monate am Goethe-Institut in Kopenhagen und beim NORR Magazin in Stockholm. Das war eine schöne Zeit, weil die Menschen – auch während der Arbeit – alle wahnsinnig freundlich und gelassen waren (Hygge und so).
In Berlin habe ich dann noch ein Praktikum beim Onlinemagazin Edition F gemacht, was nützlich war, um journalistische Arbeitsproben zu sammeln, da ich pro Tag mindestens einen Artikel veröffentlichte und bei Interviews und Events fleißig netzwerken konnte.
Wo arbeitest du jetzt und was genau sind deine Aufgaben?
Jetzt arbeite ich seit über einem halben Jahr im Ullstein Verlag und kümmere mich dort um die Pflege des Verlagblogs resonanzboden. Die redaktionelle Arbeit ist also geblieben, nur das Umfeld und meine Arbeitsabläufe haben sich etwas verändert. Anstatt über eigene Themen zu schreiben, redigiere ich nun in erster Linie die Essays und Berichte unserer Autor*innen oder helfe ihnen, Material für den Blog zu erstellen. Das können zum Beispiel Text- oder Videointerviews sein, in denen ich Autor*innen, Übersetzer*innen oder Kolleg*innen zu ihren Projekten befrage. Anschließend veröffentliche ich die Beiträge (in Abstimmung mit dem jeweiligen Erscheinungstermin des Buches) in einem geeigneten Layout und teile sie auf unseren Social-Kanälen. Hin und wieder darf ich auch selbst losziehen und von Literaturfestivals und Lesungen berichten oder Veranstaltungen wie den resonanzraum mitorganisieren.
Wie sieht dein Arbeitsplatz aus?
Der Ullstein Verlag befindet sich im Haus einer ehemaligen Schule in Berlin-Mitte. Von meinem Büro im vierten Stock, welches ich mir mit meiner Kollegin Juliane teile, schaue ich durch bodentiefe Fenster auf die Charité, deren Gebäude in einiger Entfernung zwischen ein paar Bäumen emporschießt.
Vor mir auf meinem Schreibtisch stehen, wie es sich für einen Arbeitsplatz im Verlag gehört, viele Bücher und daneben, wie es sich für eine Bloggerin gehört, ein Computer – wobei es auch mal vorkommt, dass ich vor mehreren Bildschirmen gleichzeitig hocke, um parallel zu bloggen, Mails zu beantworten und Videos zu schneiden.
Was gefällt dir besonders gut an deiner Arbeit?
Am meisten gefallen mir die abwechslungsreichen Aufgaben und die Freiheit, eigene Ideen für Blogbeiträge umzusetzen. Bis auf eine wöchentliche Runde, in der wir gemeinsam im Team über aktuelle Themen und Neuerscheinungen sprechen, die sich für Blogbeiträge eignen, arbeite ich jeden Tag eigenverantwortlich an den unterschiedlichsten Projekten, spreche mit Autor*innen und schaue meinen Kolleginnen bei der Pressearbeit über die Schulter.
Was zeichnet den Blog resonanzboden aus und wodurch unterscheidet er sich von anderen Verlagblogs?
Der resonanzboden zeichnet sich im Vergleich zu anderen Verlagblogs vor allem durch die enorme Themenvielfalt der Beiträge aus, was wiederum der Vielfalt des Ullstein-Programms zu verdanken ist. Wir haben viele Beiträge von Sachbuch-Autor*innen, die sich mit aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen auseinandersetzen, aber auch Essays oder Reportagen von Belletristik-Autor*innen, in denen sie beispielsweise über ihre Recherche-(reisen) schreiben.
Da es bei uns im Verlag eine eigene Blogredaktion gibt (und sich niemand noch neben dem eigentlichen Job verpflichten muss), können wir sehr regelmäßig (zwei bis dreimal pro Woche) neue Beiträge posten, viel im Voraus planen und Ideen für neue Formate sammeln: vom Soundtrack zum Debütroman, über die Foto(Love)Story beim Bachmannpreis, bis hin zum Fahrstuhlinterview mit dem neuen Verleger.
Vor deinem Volontariat hast du für Litaffin geschrieben und neben dem resonanzboden führst du auch deinen eigenen Blog Little Boredom. Bleibt die Bloggerwelt perspektivisch dein berufliches Zuhause?
Es stimmt, dass ich irgendwie immer mit Blogs zu tun habe. Ich werde wohl auch versuchen, weiterhin im redaktionellen Kontext zu arbeiten, weil mir die Arbeit mit Texten nach wie vor großen Spaß macht. Allerdings haben die Beispiele, die du nennst, für mich eine jeweils andere Bedeutung, auch wenn es sich bei allen dreien um Blogs handelt.
Litaffin war immer eine super Möglichkeit, mich mit der jungen (unabhängigen) Literaturszene zu vernetzen und durch meine Texte auf ihre Projekte aufmerksam zu machen. Der resonanzboden ist dagegen direkt an Ullstein gekoppelt, wodurch ich immer vom Verlag ausgehend denke und dabei natürlich die Ullstein-Autor*innen in den Fokus setze. Hier geht es vor allem darum, Journalist*innen, Blogger*innen oder potentielle Leser*innen anhand der Blogbeiträge für unsere Bücher zu begeistern. Bei meinem eigenen Blog, Little Boredom, handelt es sich wiederum um eine Kombination aus privatem Blog und Portfolio. Hier kann ich einerseits auf Beiträge verweisen, die ich für unterschiedliche Medien geschrieben habe und genieße andererseits die absolute Freiheit, über Themen zu schreiben, die mich persönlich umtreiben, ohne auf die Wünsche und Vorgaben anderer Rücksicht zu nehmen.
Also was ich damit sagen will: Blog ist nicht gleich Blog. Vor ein paar Jahren war Bloggen noch ein süßes Hobby oder die Möglichkeit, mit der Familie zuhause Fotos vom Erasmus-Aufenthalt zu teilen. Heute ist es für viele ein Berufsfeld mit riesigem Potential, weil man mit ein paar Klicks und kreativen Ideen sein eigenes Ding starten und direkt an die Öffentlichkeit treten kann.
Wenn du noch mal studieren könntest, würdest du dich für den gleichen Studiengang entscheiden? Wenn nein, was würdest du stattdessen wählen?
Ich würde das alles noch einmal genauso machen, aber mich mehr auf die Bereiche im Studium konzentrieren, die mich wirklich interessieren und dafür auch mal eine schlechte Note in Fächern wie „Mediävistik“, „Runenkunde“ oder „BWL für Geisteswissenschaftler“ in Kauf nehmen.
Welches Buch liest du gerade? Kannst du es weiterempfehlen? Oder hast du
einen anderen Kulturtipp?
Durch die Arbeit im Verlag bin ich etwas betriebsblind geworden und lese auch in meiner Freizeit gerade vor allem Ullstein-Romane. Wirklich gut ist beispielsweise Sophie Divrys „Als der Teufel aus dem Badezimmer kam“, weil es sowohl sprachlich als auch inhaltlich und gestalterisch intelligent und witzig ist. Das ist für mich die ultimative Kombination.
Außerdem habe ich immer ein Buch mit Kurzgeschichten für Bahnfahrten dabei, das ich auf Englisch lese. Momentan handelt es sich dabei um „Sour Heart“ von Jenny Zhang.
- Und was macht man damit? #22 Lisa Wiedemuth - 24. Februar 2018
- Und was macht man damit? #21 Marie Krutmann - 22. Oktober 2017
- Und was macht man damit? #20 Susann Kretzschmar - 6. Oktober 2017