Never judge a book by its covers. Nach diesem Sprichwort richten die Veranstalterin Susann Hochgräf und ihr Team die Lesereihe books without covers aus und meinen mit dem Cover vor allem den Autor oder die Autorin.
Im Gegensatz zu so manch anderem Lesungs-Format, in dem insbesondere die Autor*innen im Vordergrund stehen, soll es hier einzig und allein um die (sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch) vorgetragenen Texte gehen. Daher lesen im Friedrichshainer TiK, passend zum Theater-Rahmen, Schauspieler*innen die Texte der Autor*innen, die selbst Teil des Publikums sind. Man kann sich also auf einen spannenden Abend gefasst machen!
Beginn: 20:00 Uhr
Eintritt: frei
Ort: TiK – Theater im Kino (Nord)
Adresse: Rigaer Straße 77, 10247 Berlin
Anfahrt: U5 Samariterstraße, M10 Bersarinplatz, S-Bahnhof Frankfurter Allee (Ring-Bahn)
Homepage: www.bookswithoutcovers-readings.com
Nächste Lesung: 30. September 2016
Wie würdest du die Lesereihe books without covers in drei Wörtern beschreiben?
Performativ, atmosphärisch, reflexionsfördernd
Wie kam es zu der Idee, eine Lesereihe zu etablieren?
Die Galeristin Anna Franeke suchte für ihre Berliner Galerie „Anna25“ neue Veranstaltungsformate. Sie wandte sich an André Patten, der das F ANG Magazin leitete, für das ich damals schrieb. Da er nicht in Berlin wohnte, fragte er mich, ob ich mir nicht vorstellen könnte, einen Literaturabend zu veranstalten. Ich fand die Idee total spannend und überlegte, ob es nicht sogar eine ganze Lesereihe sein könnte. Ich wollte unbedingt etwas umsetzen, dass mir persönlich in der Berliner Literaturszene fehlte: Unterschiedlichen Autor*innen die Möglichkeit geben, ihre Texte einem Publikum zu präsentieren, ohne selbst lesen zu müssen. Dabei sollten die Hintergründe zu den Schreibenden unwichtig sein und der Fokus allein auf den Texten liegen. So entstand die Idee, Schauspieler*innen lesen zu lassen.
Nach welchen Kriterien wählst du Autor*innen aus?
Bei der Textauswahl helfen mir derzeit Mareen Ledebur, André Patten, Jeannette Stegemann und Lena Schulze Frenking. Jeder von uns wählt aus den anonymisierten Einsendungen jeweils sechs Favoriten aus. Dabei geht es in erster Linie um einen rein subjektiven Zugang. Feste Kriterien lassen sich dabei so genau nicht bestimmen. Ein Text muss sprachlich und inhaltlich überzeugen, das kann auf ganz unterschiedliche Weise geschehen. Jeder von uns wählt die Texte aus, die wir persönlich am überzeugendsten finden. Die Schnittmenge unserer Favoriten wird dann zur Lesung eingeladen.
Was verstehst du unter einer gelungenen Lesung? Für Publikum und Autor*in?
Unter einer gelungenen Lesung verstehe ich vor allem qualitativ hochwertige Texte und auch Stimmen. Bei uns lesen Schauspieler*innen die Texte, was natürlich die Gefahr birgt, dass ein Text anders gelesen und dadurch anders interpretiert wird, als es die Autor*innen im Sinn hatten. Im Idealfall entsteht hieraus im Anschluss eine Interaktion zwischen den Lesenden und Schreibenden. Oftmals entdecken die Autor*innen durch eine fremde Vortragsweise weitere Aspekte und Facetten in ihren Texten, die sie zuvor nicht wahrgenommen haben. Manchmal sind es aber auch Punkte, an denen sie weiter arbeiten wollen. In Bezug auf das Publikum finde ich es immer interessant zu sehen, inwiefern es selbst wahrnimmt, was in den Rezeptionsprozess mit einfließt. Oft rätseln die Zuschauer*innen, wer einen bestimmten Text geschrieben haben könnte und sind überrascht, wenn die Autor*innen beispielsweise einem anderen Geschlecht zugehören, als erwartet. Es ist auch schon vorgekommen, dass die Bewertung des Textes davon abhing, ob es von einem Mann oder einer Frau geschrieben wurde. Wenn eine solche Auseinandersetzung mit den Bewertungsprozessen von Literatur stattfindet bin ich zufrieden. Ebenfalls hoffe ich darauf, dass die Lesung einen Rahmen für Zuhörende, Schreibende und Lesende bietet, innerhalb dessen sich vernetzt und ausgetauscht werden kann.
Wie wichtig ist Interaktion mit dem Publikum?
Die Lesereihe geht mittlerweile vermehrt ins Performative, wodurch die Interkation mit dem Publikum eine weitere wichtige Komponente darstellt. Die Reaktionen der Zuhörenden nehmen, wie bei jeder anderen Live-Performance, Einfluss auf die Agierenden und erzeugen eine wichtige Dynamik, die nicht zuletzt auch direktes Feedback für die Lesenden und Schreibenden sind. Gleichzeitig wird das Publikum eingeladen, über die eigene Rezeption von Literatur nachzudenken und Bewertungskriterien zu überprüfen.
Was müssen Literaturveranstaltungen zukünftig bieten, um neue Zielgruppen zu gewinnen?
Das ist eine schwierige Frage. Es kommt ganz darauf an, welche Zielgruppe anvisiert wird. Schön wäre es, aus dem Nischendasein an ein breiteres Publikum treten zu können, dazu gehören insbesondere Mehrsprachigkeit, Einbindung in Kontexte, Offenheit, Erreichbarkeit etc. Je nachdem wie und wo für die Veranstaltungen geworben wird, nimmt dies Einfluss auf die Zielgruppe. Ich finde es wichtig, verschiedene Menschen jedweder Altersstufen und Herkunft zu involvieren. Gleichzeitig bietet eine performative Art einen erleichternden Zugang zu literarischen Texten und überzeugt vielleicht auch Menschen, die sich im Alltag weniger mit Literatur beschäftigen.
Siehst du Performativität als wichtige Komponente, Literatur zu vermitteln?
In unserem Fall ja. Stimmqualität, Vortragsart, visuelle Darstellung erleichtern allgemein das Zuhören und können bestimmte Aspekte hervorheben, die bei einer schnellen Lektüre außer Acht gelassen werden. Auch die Poetik der Sprache kann so in den Vordergrund treten. Ebenfalls ist Literatur auf diese Weise auch für Menschen außerhalb einer Peergroup zugänglich.
Was bietet das „TiK“ als Veranstaltungsort?
Das „TiK Nord“ ist ein wunderbarer Ort, der über einen separaten Bühnenraum mit Licht und Technik verfügt und eine Bar, an der sich anschließend zusammengesetzt werden kann. Mir war wichtig, dass die Konzentration ganz bei den Texten bleiben kann und nicht durch den Barbetrieb gestört wird. Das ist dort möglich. Für unsere Veranstaltungen wird uns der komplette Ort zur Verfügung gestellt und erst nach Ende der Lesung für den öffentlichen Betrieb geöffnet. Aufgrund der räumlichen Gestaltung entsteht dort eine sehr gemütliche Atmosphäre und Intimität. Das „TiK“ selbst ist ja ein gemeinnütziger Verein, der verschiedene Theater- und Kunstprojekt fördert. Das Team ist dementsprechend mitdenkend und hilfsbereit, sodass die Zusammenarbeit wirklich Spaß macht.
Wie hat sich die Lesereihe über die Zeit verändert/entwickelt?
Ich bin überrascht zu sehen, wie groß der Zuspruch innerhalb des letztens Jahres geworden ist. Natürlich ist es schön, jetzt auch einen festen Ort und professionelle Technik zu haben. Ebenfalls wächst die Zahl der Einsendungen, was vielleicht auch daran liegt, dass wir insgesamt besser vernetzt sind. Seit diesem Jahr sind wir Teil der Initiative der Unabhängigen Lesereihen und stehen im Austausch mit anderen Veranstalter*innen, was ich persönlich als große Bereicherung empfinde. Zudem entwickelt sich die Lesereihe immer mehr zu einem Treffpunkt von Gleichgesinnten und bietet einen Kunstübergreifenden Austausch.
Welche drei Gründe könntest du nennen, warum wir einen Abend beieuchnicht verpassen sollten?
1. Ihr hört deutsche und englische Texte verschiedener Autor*innen, die unter Umständen nie an Lesungen teilnehmen würden
2. Ihr erlebt sehr gute Schauspieler*innen, die diese Texte lebendig werden lassen
3. Ihr könnt euren eigenen Rezeptionsprozess erforschen
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