Bei Glanz oder Harnisch gibt es ausschließlich szenische Lesungen, was schlicht und einfach den Grund hat, dass die Texte, die dort vorgetragen werden, von den Veranstalter*innen selbst stammen. Diese sind alle Teil einer Klasse des Studiengangs „Szenisches Schreiben“, die sich ziemlich gut mit ihren Kolleg*innen aus der Schauspielschule verstehen, weshalb diese sich bei den regelmäßig stattfinden Lesungen im (hier eher minimalistischen) Spielen üben und die Texte der anderen vortragen.
Ein Abend bei Glanz oder Harnisch hat somit immer ein bisschen was von „Klassenfahrt-Feeling“, da alle sich untereinander kennen (das Publikum größtenteils mit eingeschlossen). Außerdem gibt es immer viel zu lachen. Weder die Texte noch die Darbietung sind „perfekt“, aber darum geht es auch nicht. Es geht darum, sich selbst (und das Publikum als Versuchs-Kaninchen) auszuprobieren.
Rhythmus: jeden zweiten Monat an einem Freitag
Zeit: 20:30 Uhr
Eintritt: frei
Ort: Gelegenheiten Berlin
Adresse: Weserstraße 50, 12045 Berlin
Anfahrt: M41 Fuldastraße, U7 Rathaus Neukölln, Bus 104/166 Wildenbruchplatz
Homepage: www.facebook.com/glanzoderharnisch
Eva und Lars sind Teil von Glanz oder Harnisch und übernehmen zwischen den Schreibenden und Schauspielenden die Telefonzentrale und Emailverteilung.
Wie würdet ihr die Lesereihe Glanz oder Harnisch in drei Wörtern beschreiben?
Lars: Glänzend, Szenisch, Gut.
Eva: Ideenreich, Jung, Beachtenswert.
Wie kam es zu der Idee, eine Lesereihe zu etablieren?
Lars: Malte und Eva kamen irgendwann mit der Idee an. Wir trafen uns alle. Dann wurde das was und die Gelegenheiten hatten gerade zufällig auch richtig Bock, also gab es die erste Lesung, dann noch eine und noch eine – Die Idee ist, dass wir neue Texte und neue Stimmen und Gesichter zusammenbringen und ausprobieren, was geht und was nicht – wie hört sich der Text an und wie kann ich ihn gestalten?
Eva: Schauspieler und Schreiber lernen voneinander beim gemeinsamen Arbeiten. Aber wir diskutieren auch, tauschen uns aus über Arbeitsweisen, Alltagsthemen, künstlerische Standpunkte und entwickeln darüber gut funktionierende Arbeitsgemeinschaften. Das ist aufregend und schön und die Ergebnisse und Zwischenstände dieser Auseinandersetzungen teilen wir mit dem Publikum an den Glanz oder Harnisch-Abenden im „Gelegenheiten“.
Nach welchen Kriterien wählt ihr Autor*innen aus?
Lars: Bei uns bewerben sich alle zwei Jahre so in etwa 150 Leute, aus denen werden dann acht ausgewählt. So entsteht dann ein neuer Szenischer Schreiben Jahrgang und die Leute machen den Glanz.
Eva: Unsere Lesereihe ist in den Präsentierenden begrenzt auf einen Jahrgang der Szenischen Schreiber, der die Texte schreibt und einen Schauspielstudenten-Jahrgang, der diese Texte dann liest. Es geht uns auch darum, dass die Zusammenarbeit fortlaufend ist. Im besten Fall merkt man das an den Lesungen selbst, dass Autor*innen und Lesende wissen, was der jeweils andere braucht und will.
Was versteht ihr unter einer gelungenen Lesung? Für Publikum und Autor*in?
Eva: Als Lesender spürt man, wenn das Publikum ganz an der Geschichte ist und wissen will, wie es weitergeht. Das sind die schönsten Momente. Und ich freue mich immer sehr, wenn ich höre, wie die Zuhörer*innen nach der Lesung bei einem Getränk noch über die Texte, deren Form oder Inhalt sprechen.
Lars: Gelungen ist, wenn man nicht vor innerer Anspannung umkommt und deswegen auf den Text achten kann, an den richtigen Stellen gelacht wird und an den richtigen alle gespannt sind und danach alle noch was gern miteinander trinken.
Wie wichtig ist Interaktion mit dem Publikum?
Lars: Äh – Eva?
Eva: Ja! Ist sehr wichtig! Wir freuen uns immer über lebhafte Reaktionen des Publikums, denn klar: das zeigt, ob ein Text oder ein schauspiel-handwerklicher Kniff, den wir uns an der einen oder anderen Stelle vielleicht überlegt haben, funktioniert. Sowohl während der Lesung, als auch in Gesprächen davor und danach interessieren wir uns, wie unsere Gegenübers die Texte erleben. Ob Gespräche direkt oder indirekt jemanden oder etwas beeinflussen, lässt sich nicht sagen. Dann wäre es sicher langweilig.
Was müssen Literaturveranstaltungen zukünftig bieten, um neue Zielgruppen zu gewinnen?
Lars: Keine Ahnung – public relation managing Kurse für alle? Ich glaub die Literaturveranstaltungen selbst bieten schon recht viel und für das jeweilige Interesse gibt es sicher auch schon die passende Veranstaltung. Die „Erschließung neuer Zielgruppen“ steht bei uns nicht im Fokus und würde sicher auch bei der Arbeit im Weg stehen – zudem ist es schwierig ohne Finanzierung über so marktwirtschaftliche Dinge nachzudenken, wenn man selbst kein Geld macht mit den Sachen.
Eva: Empfinde ich selbst alles so, wie Lars sagt. Ich hoffe, solange man ehrlich, reflektiert und neugierig arbeitet, kommen auch Menschen, die sich dafür dann interessieren.
Seht ihr Performativität als wichtige Komponente, Literatur zu vermitteln?
Lars: Wir machen ja ne szenische Lesereihe – also absolut.
Eva: Ja, solange die Performativität den Text unterstützt. Jedenfalls ist das ein spannendes Mittel, was wir in unserer Lesereihe gerne in alle Richtungen ausprobieren wollen.
Was bietet die Bar „Gelegenheiten“ als Veranstaltungsort?
Lars: Ist schön unkompliziert, hat Charme und ist kuschelig. Gespräche kommen schnell zustande und alle Beteiligten dort haben Bock auf die Sachen, die sie machen, ist für sie auch nicht Job, sondern Gemeinnützigkeit und da treffen dann ja zwei gleiche Beweggründe oder so aufeinander – das macht sicher was.
Wie hat sich die Lesereihe über die Zeit verändert/entwickelt?
Lars: Schön ist, dass die beiden Kurse immer besser zusammenarbeiten und sich schneller verstehen – mittlerweile klingen einige Lesungen wie richtige Hörspiele. Ein paar Mal ist es schon passiert, dass sich für ein paar Leute von uns danach was Berufliches ergeben hat (durch die Lesung) und es gibt Gäste, die immer wiederkommen.
Eva: Gäste, die immer wieder kommen, sind toll. Neue Gäste sind auch toll. Freunde von welchen, die schon mal da waren – auch toll. Schreiber*innen und Schauspieler*innen sind dabei, gemeinsam eine Freiheit und Spontanität zu entwickeln, die in den Lesungen erlebbar ist. Wenn man einander kennt und weiß, wie man in starken und schwachen Momenten aufeinander reagieren kann, kommt man in ganz andere (Lese-)Situationen.
Welche drei Gründe könntet ihr nennen, warum wir einen Abend bei euch nicht verpassen sollten?
Eva: Also man sollte halt vorbei kommen und dann sieht man warum man’s nicht verpassen sollte.
Lars: Außerdem tragen wir Glitzershirts.
- Im Gespräch mit dem Korbinian Verlag - 23. August 2016
- Lesungsfetzen*: Teresa Präauer – „Oh Schimmi“ - 20. Juli 2016
- jung & unabhängig: KOOKread - 17. Juni 2016