Hauser & Tiger – so heißt die erste und bislang einzige Literaturreihe in Moabit. Schon seit 2014 finden in regelmäßigen Abständen im „Kallasch&“ unter dem Motto „Klang & Text“ Lesungen sowie Konzerte statt, die im Moabiter Barprojekt an Gemütlichkeit kaum zu übertreffen sind. Inspiriert wurden die beiden Veranstalterinnen Viktoria Hahn und Patricia Spies von dem großen Denker und Beobachter Kurt Tucholsky, der nicht nur im schönen Moabit geboren wurde, sondern dessen Pseudonyme – Kaspar Hauser und Theobald Tiger – der Lesereihe ihren Namen gab.
Ihm zu Ehren und für die zahlreichen Gäste wird an jedem Abend der selbstkreierte Kurt-Cocktail angerührt und eine leckere Suppe aufgesetzt. Wer erst kurz vor knapp im „Kallasch&“ eintrudelt, schafft es vielleicht gerade noch einen kleinen oder kurzen Kurt zu trinken – der eine alkoholfrei, der andere haut dafür doppelt rein – und einen Platz im hinteren Raum der Bar zu ergattern, in dem die Veranstaltung mit einem Lieblings-Tucholskys-Text beginnt. Anschließend lauscht das Publikum den Texten der eingeladenen Autor*innen sowie der Musik der Künstler*innen, die mit ihren Lyrics die Zuhörer*innen noch ein Stück mehr zusammenrücken lassen.
Beginn: 20:00 Uhr
Eintritt: frei
Ort: Moabiter Barprojekt Kallasch&
Adresse: Unionstraße 2,10551 Berlin
Anfahrt: U9 Birkenstraße, S-Bahnhof Westhafen (Ring-Bahn)
Homepage: www.hauserundtiger.de
Wie würdet ihr die Lesereihe Hauser & Tiger in drei Wörtern beschreiben?
Jung und ungebunden.
Wie kam es zu der Idee, eine Lesereihe in Moabit zu etablieren?
Wir sind Moabit-Fans und stehen auf junge Literaturformate. Die finden aber oft in Kreuzberg oder Neukölln statt. Also haben wir ein Format nach unseren Vorstellungen in unserem Lieblingskiez umgesetzt. Jetzt kommen die Neuköllner zur Abwechslung mal zu uns – und die anderen Moabiter*innen haben eine Veranstaltung vor der Haustür.
Nach welchen Kriterien wählt ihr Autor*innen aus?
Unser Hauptkriterium: Wir müssen die Autor*innen (und Musiker*innen) interessant finden und das Gefühl haben, dass sie etwas zu sagen haben. Davon abgesehen wollen wir immer Abwechslung in die Abende bringen. Meist versuchen wir einen etwas bekannteren Gast und einen etwas weniger bekannten Gast einzuladen, weil davon meist beide Seiten profitieren. Außerdem achten wir darauf, Gäste unterschiedlicher Herkunft und Geschlechterzuordnung einzuladen.
Was versteht ihr unter einer gelungenen Lesung? Für Publikum und Autor*in?
Uns ist die Stimmung sehr wichtig! Wir finden es toll, wenn ein lockeres Gespräch zustande kommt und die Gäste auch mal miteinander ins Plaudern kommen. Literaturwissenschaftliche Debatten sind eher nicht unser Ding. Und wenn die Stimmung vorne gut ist, überträgt sich das auch ganz schnell aufs Publikum. Dann sind alle gut gelaunt – die Gäste, das Publikum und wir.
Wie wichtig ist Interaktion mit dem Publikum?
Wir wollen, dass unser Publikum sich wohl und gut unterhalten fühlt. Dafür gibt es aber zum einen eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn Suppe – damit wollen wir den Austausch des Publikums untereinander und gerne auch mit den Gästen fördern. Und zum anderen bitten wir unser Publikum an jedem Abend um Literaturtipps. Ein paar davon werden direkt am Abend vorgestellt, der Rest später auf unserer Facebook-Seite. Das ist immer äußerst inspirierend.
Was müssen Literaturveranstaltungen zukünftig bieten, um neue Zielgruppen zu gewinnen?
Literaturveranstaltungen sind sich leider oft gar nicht so genau ihrer Zielgruppen bewusst oder gehen zu wenig auf diese ein. Etwas was unserer Meinung nach immer wichtiger wird. Man sollte immer wissen, wen man überhaupt erreichen möchte. Erst dann können kreative Ideen für das Erreichen eines neuen Publikums entwickelt und umgesetzt werden. Mut zu frischem Design abseits von Buchsymboliken oder Eulen ist außerdem zu empfehlen.
Seht ihr Performativität als wichtige Komponente, Literatur zu vermitteln?
Frei nach dem Sprachphilosophen John. A. Austin bezeichnet Performativität die Ausführung oder Konkretisierung des gesprochenen Wortes. Daher unsere Antwort: Klar, Performativität ist wichtig für eine unterhaltsame und lockere Literaturvermittlung.
Was bietet das Moabiter Barprojekt „Kallasch&“ als Veranstaltungsort?
Das „Kallasch&“ ist für uns das perfekte Zuhause für Hauser & Tiger. Das Barprojekt gibt es gerade einmal so lang wie unsere Reihe und sie wurde von drei engagierten Moabiter*innen gegründet, die ihren Kiez kreativ mitgestalten wollen. An drei Abenden der Woche gibt es unterschiedliches kulturelles Angebot und gute Drinks. Da fühlen wir uns selbstverständlich wohl und gut aufgehoben.
Wie hat sich die Lesereihe über die Zeit verändert/entwickelt?
Im November 2014 hat alles angefangen. Mehr oder weniger alle zwei Monate haben wir zwei spannende Gäste eingeladen. Bisher waren das vor allem Autor*innen verschiedener Genres aber auch eine Verlegerin, ein Hörspielmacher oder eine Songwriterin. Seit 2016 gibt es bei Hauser & Tiger immer „Klang & Text“. Ein*e Autor*in und ein*e Musiker*in präsentieren ihre Werke zu gleichen Teilen und es findet ein lockeres Gespräch mit ihnen vor dem Publikum statt. Wir finden es spannend, den Blick auf die Verbindung von Text und Klang zu richten.
Welche drei Gründe könntet ihr nennen, warum wir einen Abend bei euch nicht verpassen sollten?
1. Bei Hauser & Tiger könnt ihr neue zeitgenössische Literatur und Musik in gemütlicher Atmosphäre entdecken – und das auch noch kostenlos
2. Es gibt immer einen ganz wunderbaren und erschreckend aktuellen Text des großartigen Kurt Tucholsky
3. Ab 19:00 gibt es hausgemachte Suppe und den sagenumwobenen Kurt-Cocktail
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