Die österreichische Autorin Elisabeth R. Hager gehört zu den experimentierfreudigen und umtriebigen Menschen Berlins. Nach dem Studium der angewandten Literaturwissenschaft und ihrem anschließendem Debütroman Kometen arbeitete sie als Regieassistentin an Berliner Off-Theatern, Komparsin, Kalligrafin, Veranstalterin & Privatlehrerin. Seit 2010 ist sie zudem als freie Mitarbeiterin in der Hörspielabteilung von Deutschlandradio Kultur tätig. Vor 2 Jahren hat sie die SPÄTI-BIENNALE ins Leben gerufen, ein Kulturfestival in Berliner Spätshops, welches dieses Jahr zum zweiten Mal im September stattfinden wird. Neben all der Arbeit tüftelt die junge Mutter auch noch an ihrem dritten Roman. Bei soviel Aktionismus wird mir schon allein bei der Aufzählung ganz schwindlig!
Was wolltest du als Kind werden?
Philosophin, die Anführerin einer revolutionären Zelle, Zirkusdirektorin und immer wieder auch schon Schriftstellerin.
Was genau hast du studiert und warum hast du dich dafür entschieden?
Nach der Matura in Österreich bin ich nach Innsbruck gezogen, um Komparatistik (AVL), Germanistik und Philosophie zu studieren. Das lag nahe, da mich Literatur und Philosophie schon immer fasziniert haben. Ich war und bin begeistert von der Idee, sich nicht zufrieden zu geben mit dem Status Quo, sondern denkend, fühlend, schreibend weiter zu suchen, in neue Regionen vorzudringen, neue Handlungsspielräume zu erschließen. Es ist kein Zufall, dass ich mein Blog „Moeglichkeit-formen“ genannt habe… Nach einem Auslandsjahr in Frankreich wurde mir Innsbruck zu klein. Ich schloss mein Studium ab und zog nach Berlin, um an der FU Angewandte Literaturwissenschaften zu studieren. Warum? Weil ich die Idee spannend fand, unterschiedliche Bereiche des Buchmarktes kennen zu lernen und mich gewissermaßen von Außen meinem Traum anzunähern.
Wusstest du schon während deines Studiums, in welchen Beruf du möchtest?
Sagen wir so: Ich wusste immer schon, dass ich schreiben will, doch war ich lange Zeit unsicher, ob dieser Traum verwirklicht gehört oder mich als schöne Idee umschwirren sollte, ohne je akut zu werden. Und so studierte ich Texte und Texturen, forschte und analysierte am Text und um Texte herum. Ein Studium des literarischen Schreibens wäre mir damals nicht in den Sinn gekommen, da ich lange der blödsinnigen Illusion aufsaß, das würde den Stil verderben. Ich musste erst die Doktorarbeit (im Bereich NDL an der FU Berlin) in die Ecke pfeffern, um zu merken, dass ich jetzt nicht mehr akademisch, sondern literarisch schreiben will.
Wo hast du während des Studiums Berufserfahrungen gesammelt?
Überall dort, wohin mich die Neugier getrieben hat: Als Regieassistentin, unter anderem an die Berliner Sophiensäle, zum Internationalen Literaturfestival Berlin, als Kalligrafin für Baumärkte in unterschiedliche Städte in ganz Europa, in zwielichtige Spelunken und eine hell erleuchtete Tanzschule. Und zum Glück auch in die Hörspielabteilung von Deutschlandradio Kultur, wo ich noch immer mit großem Vergnügen arbeite
Wo arbeitest du jetzt und was genau sind deine Aufgaben?
Derzeit sitze ich meist an meinem Schreibtisch in Berlin und schreibe an meinem dritten Roman, der von 6 Tagen im Leben meiner Hauptfigur erzählt, an denen die Würfel ihres Lebens neu fallen. Daneben gebe ich Schreibworkshops für Jugendliche und Erwachsene. Ende April habe ich beispielsweise die Schreibwerkstatt des Jugend liest! Wettbewerbs in St. Johann in Tirol geleitet. Neben dem Schreiben und Unterrichten arbeite ich freiberuflich in der Hörspielabteilung von Deutschlandradio Kultur. Dort erstelle ich alle vierzehn Tage den Newsletter html der Hörspielabteilung. Anmeldungen bitt HIER.
Mit der Komponistin Neele Hülcker mache ich das lebenslange Klangkunstprojekt TAGE, & dann organisiere ich auch ab und zu Kultur-Veranstaltungen. Mein derzeitiges Projekt ist die SPÄTI-BIENNALE in den Spätkaufs rund um den Berliner Mariannenplatz.
Wie sieht dein Arbeitsplatz aus?
An drei Tagen in der Woche ist es mein Schreibtisch. An den übrigen Tagen bin ich unterwegs: zu SPÄTIS, zu Workshops, zu Lesungen oder ins Funkhaus von Deutschlandradio Kultur.
Was gefällt dir besonders gut an deiner Arbeit?
Die Freiheit, mein Leben nach meinen Wünschen zu gestalten.
Wenn du noch mal studieren könntest, würdest du dich für den gleichen Studiengang entscheiden? Wenn nein, was würdest du stattdessen wählen?
Solche Fragen stelle ich mir eigentlich nicht. Ich kann nur empfehlen, dorthin zu gehen, wo man die eigene goldene Karotte hängen sieht.
Du bist Organisatorin der SPÄTI-Biennale 2016 – ein Kulturfestival in Kreuzberger Spätkauf-Läden. Auf was können wir uns freuen?
Das wird ein großartiger Abend! In den Spätkauf-Läden um den Mariannenplatz wird es am 10.09.2016 Konzerte geben, Hörspiele, Live-Graffiti, eine Kunstausstellung, mehrere Lesungen und und und. Alle Infos zum Event in Kürze auf SPAETI-BIENNALE sowie auf meinem Blog moeglichkeit-formen.blogspot.com.
Welches Buch liest du gerade? Kannst du es weiterempfehlen? Oder hast du einen anderen Kulturtipp?
Vor kurzem habe ich eine längere Beschäftigung mit Susan Sontag mit dem Buch „The Doors und Dostojewski“ abgeschlossen, einem Abdruck eines zwölfstündigen Interviews, das sie Ende der Siebziger Jahre dem Rolling Stone gegeben hat. Immer wieder verstrickt sie sich in produktive Widersprüche, das hat mich inspiriert. Beste Badewannenlektüre ever! Im Moment lese ich „Die Ausgewanderten“ von W.G. Sebald, die Lebensgeschichten vierer Emigranten und innerer Exilanten, ihr Fortleben und Sterben im Nachhall des Holocaust. Aus meiner Generation gefallen mir derzeit besonders die Texte von Clemens Setz, Robert Prosser, Valerie Fritsch, Juan S. Guse & Julia Wolf.
Wer gerne etwas von mir konsumieren will, schalte das Radio ein: Am 01.06.16 um 21:30 läuft mein Hörspiel „Der Knochen“ auf Deutschlandradio Kultur.
& allen, die gerne in Kreuzberg unterwegs sind, kann ich nur die von mir organisierte SPÄTI-BIENNALE ans Herz legen. Am 10.09.2016 ist es soweit. Safe the date!
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