Neu denken, interdisziplinär arbeiten und Ideen generieren — viele Unternehmen wollen innovativ sein, jedoch fehlt vielen Mitarbeitern der Raum für Kreativität. Bei diesem und weiteren Symptomen zeigt das Managementkonzept Design Thinking positive Wirkungen. Steffen Szary, Absolvent des Masterstudiengangs „Angewandte Literaturwissenschaft“ an der FU Berlin, ist jetzt auch ein Design Thinker. Nach seiner Zusatzausbildung am Hasso-Plattner Institut in Potsdam gründete er zusammen mit zwei Kolleginnen openmjnd und begleitet seither verschiedenste Unternehmen bei der Entwicklung neuer Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle. Steffen hat uns erzählt, was genau unter Design Thinking verstanden wird und auf welchem Wege Ideen entwickelt sowie Probleme innovativ gelöst werden können.
Was wolltest du als Kind werden?
Fußballspieler, ganz klar! Irgendwann haben sich diese Ambitionen aber verflüchtigt und ich habe mich auf das Treiben auf den Stadionrängen konzentriert. Das war wahrscheinlich auch besser so.
Was genau hast du studiert und warum hast du dich dafür entschieden?
Ich habe 2007 angefangen zu studieren. Zu dieser Zeit sind gerade viele neue Bachelor-Studiengänge entstanden. Ich wollte irgendwas mit Kultur, Literatur und Sprachen machen. Irgendwas mit Medien. Also wurde es Literary, Cultural and Media Studies in Siegen. Also einer dieser typischen Eierlegende-Wollmilchsau-Studiengänge, die von allem ein bisschen und nichts so richtig abdecken. Das war genau richtig für mich. Dort hat sich dann ziemlich schnell der Literaturfokus herauskristallisiert und dabei bin ich bis zum Ende des Studiums auch geblieben. Dann habe ich unseren Master in Berlin und nebenher eine Zusatzausbildung in Design Thinking am Hasso-Plattner Institut in Potsdam gemacht.
Durch meine Zusatzausbildung in Potsdam hat sich für mich eine völlig neue Welt aufgetan. Ich weiß, dass das pathetisch klingt, es war aber tatsächlich so. Als Geisteswissenschaftler arbeitet man eben viel für sich an und mit Texten. Vieles ist Theorie, vieles Fiktion. Beim Design Thinking geht es um das gemeinsame Machen und das Lösen realer Probleme. Das war für mich zunächst ungewohnt, aber ich war sofort begeistert und wusste, dass es das Richtige für mich ist.
Was können wir genau unter Design Thinking verstehen?
Design Thinking ist eine in den USA entwickelte Innovationsmethode, die die Arbeitsprinzipien und Herangehensweise von Designern nutzt, um Probleme zu lösen, Innovationen zu entwickeln und Herausforderungen gemeinsam im Team zu meistern.
Im Design Thinking steht der Mensch im Sinne des Nutzers oder der jeweiligen Zielgruppe immer im Fokus jeglichen Denkens und Handelns. Mit Hilfe von Interviews und Beobachtungen werden ungestillte Bedürfnisse und Wünsche der Zielgruppe herausgefiltert und Ideen generiert, die auf diesen Bedürfnissen basieren. Durch das anschließende Bauen von Prototypen werden diese noch fiktiven Ideen zum Leben erweckt und in iterativen Schleifen mit und an der Zielgruppe getestet. Das funktioniert nicht gradlinig und hinter den Kulissen in einer Innovationsabteilung, sondern nur im „Sparing“ mit dem Nutzer.
Neben dem nutzerzentrierten Ansatz und diesem skizzierten Prozess, spielt beim Design Thinking darüber hinaus auch eine innovationsoffene Arbeitskultur eine große Rolle, der bestimmte Prinzipien zu Grunde liegen.
Wusstest du schon während deines Studiums, in welchen Beruf du möchtest?
Überhaupt nicht. Ich habe während meines Studiums ziemlich viele Erfahrungen im Bereich Veranstaltungen und Marketing gesammelt, es gab also eine gewisse Richtung. Aber ich wusste nie genau, wo ich hin wollte, sondern nur, dass ich spannende Projekte mit guten Leuten machen wollte. Es gab keinen „Karriereplan“ oder so. Davon halte ich auch nicht wirklich etwas. Für unsere Generation ergeben sich immer so viele Optionen, da werden die meisten Berufspläne sowieso wieder im nächsten Moment über den Haufen geworfen. Es gilt also eher, eben diese Optionen als solche wahrzunehmen.
Wo hast du während des Studiums Berufserfahrungen gesammelt?
Ich habe immer schon relativ viel gearbeitet und Praktika in der Buchbranche gemacht. Während des Studiums habe ich dann u.a. für die lit.COLOGNE und Voland & Quist im Bereich Veranstaltungen und für den Suhrkamp Verlag im Bereich digitales Marketing gearbeitet.
Wo arbeitest du jetzt und was genau sind deine Aufgaben?
Ich habe mich direkt nach dem Studium mit zwei Kolleginnen mit einer Innovationseratung (openmjnd) selbstständig gemacht. Wir beraten und begleiten Unternehmen aus verschiedensten Branchen bei der Entwicklung neuer Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle. Dabei nutzen wir vor allem die Innovationsmethode Design Thinking.
Meine Aufgaben sind sehr facettenreich: Zum einen natürlich die operative Arbeit bei und mit unseren Kunden und Partnern in Workshops und Projekten. Zum anderen aber eben auch alle Aufgaben, die bei einem Unternehmensaufbau relevant sind: von strategischen, organisatorischen und personellen Entscheidungen bis hin zu Finanzfragen.
Wie sieht dein Arbeitsplatz aus?
Ich würde sagen, dass ich im groben drei verschiedene Arbeitsplätze habe: Im Rahmen unserer Projekte sind wir bei unseren Kunden, oftmals in Workshop- und Projekträumen. Für unsere Research-Projekte führen wir Interviews und Beobachtungen durch. Dann gehen wir auf die Straße, in Wohnzimmer oder eben überall dorthin, wo sich die Kunden und Nutzer unserer Kunden aufhalten. Wenn ich nicht gerade bei einem Kunden oder auf der Straße bin, arbeite ich in unserem Büro in Friedrichshain.
Was gefällt dir besonders gut an deiner Arbeit?
Das ich gestalten, etwas bewegen und verändern kann. Das ich in den verschiedensten Unternehmen an ganz konkreten Problemstellungen und Herausforderungen arbeiten und Wege finden kann, um diese zu bewältigen. Das ich Strukturen und Silos aufbrechen und neue Wege finden kann. Dabei ist es meine größte Motivation, bei den Menschen, mit denen wir arbeiten, ein Umdenken, ja ein „Andersdenken“ anzustoßen. Ihr Innovationsbestreben und ihre Kreativität zu befeuern, damit sie gemeinsam Neues erschaffen können. Und natürlich, das ich jeden Tag aufs Neue neues lerne.
Gab es bisher einen besonders spannenden Auftrag?
Für mich ist tatsächlich jeder Auftrag spannend. Auch wenn sich die Herausforderungen manchmal ähneln, sind die Unternehmen, ihre Strukturen und Mitarbeiter ja immer verschieden. Aber wenn ich einen Auftrag hervorheben soll: Vor rund einem Jahr hatten wir ein Projekt in den USA, das war mit Sicherheit eins der Highlights des letzten Jahres.
Wie bereitest du dich auf fachfremde Unternehmen vor?
Vor jedem unserer Projekte, ganz gleich welche Branche, geht es für uns um das Verstehen. Wir führen im Vorfeld und während der Projekte viele Gespräche mit unseren Kunden, holen uns Input von Experten, führen Interviews mit der Zielgruppe, recherchieren und lesen uns ein. Außerdem machen wir Vorbereitungs-Workshops mit unseren Kunden, in denen wir Problemstellungen und Ziele des jeweiligen Projektes definieren. Außerdem arbeiten wir eng mit unserem Netzwerk zusammen, in dem sich viele Design Thinker mit unterschiedlichsten Hintergründen und Expertisen befinden. So stellen wir für jedes Projekt das passende Team zusammen.
Generell gilt aber: Wir sind die methodischen Experten, die thematischen Fachexperten sitzen in den Unternehmen. Und das ist auch gut so. Wir wollen nicht einfach als externe Dienstleister ein Projekt machen und dann abhauen, sondern das interne Know-How der jeweiligen Mitarbeiter anders und neu nutzbar machen. Dadurch bleibt der Transformationsprozess im Unternehmen und können wir nachhaltig etwas verändern.
Wenn du noch mal studieren könntest, würdest du dich für den gleichen Studiengang entscheiden? Wenn nein, was würdest du stattdessen wählen?
Es gab mal eine Zeit, da hätte ich diese Frage mit „Nein“ beantwortet – aber das ist nun nicht mehr der Fall. Ich mache jetzt etwas völlig Anderes als das, was ich studiert habe und trotzdem denke ich, dass mich der Studiengang so wie er war, geprägt hat und wichtig für mich war. Ich bin der Meinung, dass ein Studium eher dafür da ist, um bestimmte Talente zu fördern oder heraus zu kitzeln und ich glaube, dass unser Studiengang das durch den relativ großen Freiraum ziemlich gut macht. Meiner Meinung nach ist die Frage nach dem „richtigen“ Studiengang überflüssig. Viel mehr ist doch spannend, auf welche Weise, mit welchen Inhalten und Menschen und an welchen Projekten man perspektivisch arbeiten möchte.
Welches Buch liest du gerade? Kannst du es weiterempfehlen? Oder hast du einen anderen Kulturtipp?
Ich lese gerade „The Circle“ von Dave Eggers. Außerdem kann ich „Die Kunst, ein kreatives Leben zu führen“ von Frank Berzbach sehr empfehlen. Das Buch ist schön gestaltet und gibt interessante Denkimpulse.
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