Mit einer von protoTYPE finanzierten Stiftungsdozentur gibt es an sieben deutschen Hochschulen im Sommersemester 2012 einen Anknüpfungspunkt für Studierende: Angeboten wird jeweils ein Blockseminar zum Thema „E-Publishing – Neue Vertriebswege im Zeitalter des Internets für die Verlagsbranche“. Heute beantwortet Markus Streichardt, Student an der Freien Universität Berlin die Fragen zum Seminar mit Katja Splichal und Martin Fröhlich.
Eindrücke vom Seminar (z.B. Welche Hochschule/Studiengang, Welche Ideen wurden entwickelt? Was stand im Mittelpunkt der Diskussionen?)
Wie meine Kommilitonen Caroline Merz bereits festgehalten hat, haben an dem Seminar sechs Studenten des Masterstudiengangs Angewandte Literaturwissenschaft der Freien Universität Berlin teilgenommen. Jeder mit unterschiedlichen Vorstellungen. Für mich war es zunächst wichtig, zu erfahren, wie die Buchbranche von einen Startup-Unternehmen wahrgenommen wird. Darüber hinaus war es eine spannende Erfahrung, selbst in die Rolle des Gründers zu schlüpfen. Dafür braucht es eigenartigerweise nicht viel, bloß Motivation, Disziplin und Gleichgesinnte. Alles Weitere findet sich erstaunlich schnell. Ideen, Kernprobleme, erste Lösungsansätze …
An welchen Projekt bist Du beteiligt und warum braucht es diese Idee?
Ein Problem, mit dem viele Studenten zu kämpfen haben, ist, dass sie nicht wissen, welche Informationen für ihre Hausarbeit/Abschlussarbeit relevant sind und welche nicht. Denn den Lehrkräften fehlt oftmals die Zeit und die Motivation, die Studenten individuell zu betreuen. Deshalb haben wir das Projekt „We get you started“ initiiert: Optimierte Literaturrecherche für Studenten von Studenten/Akademikern: Man hilft einander bei der Themenspezifik und der Aktualität, Relevanz und der Zitierbarkeit wissenschaftlicher Quellen. Ein weiteres Problem, das damit zusammenhängt: Die fertigen Hausarbeiten sollen nicht in der Schublade verstauben, sondern können auch online publiziert werden, um den wissenschaftlichen Austausch weiter voranzutreiben. Es ist doch unglaublich spannend, was bei einer Hausarbeit an Erkenntnissen alles herauskommt.
Wie siehst du die Buchbranche heute?
Seit Beginn meines Masterstudiums kann ich mich manchmal des Eindrucks nicht erwehren, das falsche zu studieren. Sinnvoller wäre vielleicht Informatik gewesen. Denn seit geraumer Zeit kommen die entscheidenden Impulse aus der Technologiebranche (dazugehören natürlich die bigplayer amazon, google, apple), die die idealen Produkte für den Kunden/Leser anbieten. Die Buchbranche reagiert nur, anstatt selber zu agieren bzw. weiß sie oftmals nichts mit dem technischen Neuerungen anzufangen.
Welche Entwicklungen der Branche sind für Dich zukunftweisend bzw. werden in den nächsten 10 Jahren den Markt verändern?
Keine Entwicklung der Branche wird zukunftsweisend sein, wenn sie es nicht vom Standpunkt des Kunden/Lesers her tut. Das ist eine Binsenweisheit, die jedoch selten verinnerlicht wird. Aufgrund des sich verändernden Leseverhaltens müssen neue Produkte und damit einhergehend neue Geschäftsmodelle gedacht werden, nicht umgekehrt. Das Lesen im Netz wird immer attraktiver bzw. werden die gesuchten Inhalte (ob Belletristik oder Sach- und Fachbücher) dort verstärkt nachgefragt. D.h. die Mehrfachverwertung (Bundle Version) oder auch Sonderverwertung (Single ebooks) der Inhalte muss im Netz neu gedacht werden. Die Frage wird sein, ob amazon/apple die nutzerfreundlichsten Plattformen stellen oder ob es hier Spielraum für etwas ganz Neues geben wird.
Wo begegnen Dir in Deinem Alltag Innovationen?
Meinem Eindruck nach gehen Innovationen in erster Linie von Einzelpersonen aus, die mit dem Status quo unzufrieden sind. Beispielsweise bin ich äußerst gespannt, inwiefern das Konzept der neu eröffneten Ocelot-Buchhandlung in Berlin aufgeht, digitale Inhalte offline anzubieten. Die Ocelot-Buchhandlung versucht sich auf alle potenzielle Wünsche der Kundschaft einzurichten, um sich auf die Weise als „Marke“ zu etablieren. Außerdem bin ich fasziniert von Broken Dimanche Press. Das ist ein unabhängiger Kleinverlag, der aber mit seinem vielfältigen Programm international ausgerichtet ist. Klein und international ist hier kein Widerspruch.
Was wünscht du Dir für die Branche und vom Börsenverein?
Die Schätzung des Buches als Kulturgut und die Buchpreisbindung ermöglichen es hierzulande, Entwicklungen bedächtig, aber nicht behäbig anzugehen. Die vergangenen Buchtage in Berlin deuten aber auf Letzteres hin. Um dem entgegenzuwirken, wäre es sinnvoll, verstärkt mit dem Nachwuchs der Branche zusammenzuarbeiten und darüber hinaus mit Kennern anderer Branchen, insbesondere der Technologiebranche. Denn wie soll man sich auf die digitale Revolution/Evolution einstellen, sie gar antizipieren, wenn man nicht weiß, was technisch alles möglich ist. Technisches Wissen bietet oftmals Lösungsansätze (nicht die Lösung per se) für die Probleme der Leser und damit der Buchbranche.
Kennst Du Projekte, die protoTYPE ähnlich sind?
Nein, protoTYPE ist aber der erste Schritt in die richtige Richtung.
Anmerkung: Dieses Interview wurde am 11.07. bei innovation-prototype.de veröffentlicht.
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